Persönliches Budget - Unzulässigkeit genereller Befristung und weitere Aspekte

„Zweck des Persönlichen Budgets ist, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“

Orientierungssätze*

1. Die Befristung einer Leistungserbringung in Form eines Persönlichen Budgets scheidet regelmäßig aus. 2. Eine Zielvereinbarung zum Persönlichen Budget bindet die Beteiligten in der Regel nicht materiell im Hinblick auf den individuellen Leistungsbedarf.

BSG, Urteil v. 28.01.2021, Az.: B 8 SO 9/19 R

* Leitsätze oder Entscheidungsgründe des Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Der Kläger leidet unter einer psychischen Symptomatik. Er erhielt u.a. Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets (PB) vom beklagten Sozialhilfeträger (Rechtslage vor BTHG). Die Höhe des PB betrug vor dem streitigen Zeitraum 600 Euro monatlich. Ende 2012 beantragte der Kläger eine Verlängerung des PB. Nachdem u.a. entsprechende Zielvereinbarungen unterschrieben worden waren – mit Vorbehalt des Klägers hinsichtlich der Freiwilligkeit – wurde ein befristetes PB bewilligt, i.H.v. bis zu 388 EUR. Der Kläger begehrte zuletzt insbesondere ein unbefristetes PB i.H.v. 600 EUR monatlich sowie einen Ausgleich für zu geringe monatliche Auszahlungen vom 1.12.2012 bis 31.1.2014. Zeitlich nachfolgende PB-Bewilligungen waren aus prozessrechtlichen Gründen nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Auf Revision des Klägers hat das BSG die Rechtswidrigkeit der PB-Befristung festgestellt und hinsichtlich der PB-Höhe vom 1.12.2012 bis 31.1.2014 die Sache an das LSG zurückverwiesen.

Das BSG unterstreicht zunächst erneut, dass ein Anspruch auf Leistungserbringung in der Form eines PB besteht, wenn ein Anspruch auf eine budgetfähige Teilhabeleistung vorliegt. Hier kam ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII a. F. i. V. m. SGB IX a.F. in Betracht. Die Voraussetzung einer wesentlichen Behinderung liegt nach den Feststellungen des LSG vor. Betreffend die Anspruchshöhe hatte das LSG allerdings keine Feststellungen zum individuellen Leistungsbedarf getroffen. Dies ist laut BSG nicht deshalb entbehrlich, weil die vorliegenden Zielvereinbarungen Ausführungen zum Leistungsbedarf enthalten. Denn die Zielvereinbarungen sind allenfalls formale Voraussetzung für die PB-Bewilligung, binden die Beteiligten aber im Ergebnis nicht materiell im Hinblick auf den individuellen Leistungsbedarf. Mit Blick auf den Zweck des PB, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, kommen nach dem BSG auch PB-Leistungen für die Vergangenheit in Betracht, wenn das PB zuvor rechtswidrig zu gering war.

Die Voraussetzungen des § 32 SGB X für die Befristung eines Verwaltungsakts, auf den – wie hier – ein Anspruch besteht, liegen laut BSG nicht vor. Insbesondere kann eine zeitliche Befristung vorliegend nicht dazu dienen, das Fehlen von Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts zu überbrücken. Eine Befristung zur Sicherstellung des künftigen Fortbestands der gesetzlichen Voraussetzungen eines Dauerverwaltungsakts scheidet grundsätzlich aus, wenn sie nicht durch Rechtsvorschrift ausdrücklich zugelassen ist. Der Notwendigkeit einer regelmäßigen Überprüfung des Bedarfs wird beim PB bereits dadurch Rechnung getragen, dass das Bedarfsfeststellungsverfahren grundsätzlich alle zwei Jahren zu wiederholen ist (vgl. auch § 29 Abs. 2 S. 4 SGB IX). Das BSG weist insoweit auch auf ggf. problematische Anreize zur Verfahrensgestaltung bei anderer Auslegung hin.

Mit der vorliegenden Entscheidung zur alten Rechtslage klärt das BSG neben den hier kursorisch aufgegriffenen weitere grundsätzliche praxisrelevante Verfahrensfragen beim PB mit Bedeutung auch für die aktuelle Rechtslage.