Beteiligung von Menschen mit Behinderungen

Starkes Interesse, bleibende Einschränkungen

Die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Bundestagswahlen steigt, zuletzt von 78,2 Prozent im Jahr 2013 auf 84,6 Prozent im Jahr 2017. Die Quote liegt nur noch geringfügig unter der von Menschen ohne Beeinträchtigungen (2017: 87,1 Prozent). Außerdem gaben im Jahr 2018 44,6 Prozent der Menschen mit Behinderungen an, dass sie sich sehr für Politik interessieren. Das geht aus dem dritten Teilhabebericht der Bundesregierung zu den Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen hervor.

Diese Entwicklungen sind zwar erfreulich, aber nach wie vor ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an gesamtgesellschaftlichen Entscheidungsprozessen in Deutschland deutlich eingeschränkt. Artikel 29 der UN-BRK garantiert Menschen mit Behinderungen, dass sie „gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können“. Diese Möglichkeit ist ein entscheidendes Grundrecht und grundlegend für die politische Mitgestaltung. Denn Demokratie bedeutet die Möglichkeit der gleichberechtigten Teilhabe an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Demokratie  braucht Beteiligung, und Beteiligung ohne zivilgesellschaftliche Akteure ist kaum denkbar. Das Recht zu wählen ist Sinnbild gleichberechtigter Staatsbürgerschaft. Mehr dazu können Sie im Artikel des Bundesbehindertenbeauftragen Jürgen Dusel auf S. 5 lesen.

Menschen mit Behinderungen können auch gewählt werden. Sie sind allerdings in Parlamenten und anderen politischen Gremien deutlich seltener vertreten. Eine Studie der Süddeutschen Zeitung zur letzten Bundestagswahl zeigt, dass Menschen mit Behinderungen zu den unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen im aktuellen Bundestag gehören. Demnach gibt es dort 23 Abgeordnete mit Behinderung. Um Repräsentativität herzustellen, müssten noch 43 weitere Abgeordnete mit einer Behinderung im Parlament vertreten sein. Der Anteil der schwerbehinderten Menschen an der gesamten Bevölkerung in Deutschland betrug im Jahr 2020 9,5 Prozent, aber nur 3,3 Prozent sind im Bundestag vertreten. Gleiches gilt für die Parlamente der Länder und der Kommunen. Warum sich Menschen mit Behinderungen vergleichsweise selten zivilgesellschaftlich oder parteipolitisch engagieren, ist nicht belegt. Fakt ist aber, dass ihre Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen durch Barrieren erschwert oder sogar vereitelt wird. Das schwächt die Partizipation der betroffenen Menschen, aber auch die Demokratie selbst.

Teilhabebarrieren

Barrieren politischer Teilhabe liegen vor allem im fehlenden Zugang zu Informationen. Dies erläutert Dr. Katrin Grüber in ihrem Artikel auf S. 10. Individuelle Kompetenzen und mangelnde Bildungsressourcen spielen sicher ebenfalls eine Rolle. Oftmals sind es aber auch bevormundende Betreuungsverhältnisse oder Vorbehalte gegenüber den Teilhabemöglichkeiten und -fähigkeiten, zum Beispiel von Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Grundlegend für eine Wahlentscheidung sind Informations- und Bildungsmöglichkeiten. Wo diese fehlen oder nicht zugänglich sind, kann kein Interesse für politische Themen entstehen. Aber genau das ist die Grundvoraussetzung, um die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen und zu fördern.

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