Kurzanalyse "Inklusionsbarometer Arbeit von 2013 bis 2017"

Mit einem Gesamtwert von 114,2 hat das "Inklusionsbarometer Arbeit" der Aktion Mensch 2017 den vorläufig höchsten Stand erreicht, bezogen auf einen Basiswert von 100 zu Beginn des Projektes im Jahr 2013. Die Entwicklung der Indexwerte des Inklusionsbarometers über diesen Zeitraum legt nahe, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung erheblich verbessert hat. Auch für 2018 geht der positive Trend bei vielen statistischen Indikatoren zur Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen weiter. Das Handelsblatt Research Institute (HRI) und die Aktion Mensch schreiben in 2018 jedoch lediglich ihre Auswertungen amtlicher Statistiken fort, ergänzt durch die Kurzanalyse "Inklusionsbarometer Arbeit von 2013 bis 2017". Die Kurzanalyse fasst die Ergebnisse aus dieser Kooperation zusammen und zieht nach fünf Jahren eine Bilanz. Sonderkapitel zu ausgewählten Themen haben die jährlichen Berichte jeweils ergänzt und werden ebenfalls präsentiert. Die Berichte und die Kurzanalyse sind verfügbar auf der Website von Aktion Mensch.

Das "Inklusionsbarometer Arbeit" besteht aus zwei Indizes: dem Inklusionslagebarometer und dem Inklusionsklimabarometer. Ersteres beruht auf den jeweils jüngsten verfügbaren Zahlen aus den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter, letzteres auf zwei repräsentativen Umfragen. Die meisten Indikatoren des Inklusionslagebarometers haben sich von 2013 bis 2015 verbessert, was sich in einem Indexwert von 105,1 im Jahr 2017 widerspiegelt. Die allgemeine gute Arbeitsmarktlage wirkt sich auch für Menschen mit Behinderungen positiv aus. Dem steht allerdings eine Verschlechterung der Situation bei den Langzeitarbeitslosen gegenüber: Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen arbeitslosen Schwerbehinderten ist in diesem Zeitraum gestiegen.

Das Inklusionsklimabarometer hat sich im Betrachtungszeitraum ebenfalls verbessert; in den letzten zwei Jahren sogar erheblich stärker als das Inklusionslagebarometer. Als Basisjahr für die Indexierung wurde hier 2013 mit dem Indexwert 100 festgelegt, der auf  123,2 im Jahr 2017 anstieg. Das allgemeine Klima bzw. die "weichen" Faktoren auf dem Arbeits­markt erweisen sich also als dynami­scher im Vergleich zu den "harten" Faktoren. Auch hier sehen die Herausgeber jedoch deutliche Verbesserungspotenziale, insbesondere bei der Etablierung und schriftlichen Grundsätzen zur Beschäftigung von Menschen mit und bei den Kenntnissen und der Inanspruchnahme von Möglichkeiten staatlicher Förderung.

Zur Methodik des Inklusionsbarometers

Mithilfe des arithmetischen Mittels aus den beiden Teilindizes (Inklusionslagebarometer und Inklusionsklimabarometer) errechnete das HRI jährlich das Inklusionsbarometer. Laut den Herausgebern existiert für den allgemeinen Arbeitsmarkt seit 2015 mit dem FR-Arbeitsmarktindex ein vergleichbares Instrument, entwickelt vom Wirtschaftsforschungsinstitut WiFor in Darmstadt und der Frankfurter Rundschau. Solche Indizes ermöglichen eine mehrdimensionale Betrachtungsweise des Arbeitsmarktes über einzelne statistische Größen (wie z.B. die Arbeitslosenquote) hinaus.

Inklusionslage: Ziel des Inklusionslagebarometers ist es, Auskunft über den aktuellen Grad der Inklusion von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu geben. Hierfür hat das HRI jährlich zehn Teilindikatoren auf Grundlage der jüngsten statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter berechnet. Der aktuelle Wert wurde jeweils in Beziehung zum Durchschnitt eines Fünf-Jahres-Zeitraums gesetzt, der einige Jahre zurücklag. Dies ermöglicht u.a einen besseren Vergleich mit den Ergebnissen aus dem jeweiligen Vorjahr. Bei der Wahl eines einzigen Basisjahres (Normaljahr) wäre das Risiko einer Verzerrung vergleichsweise größer.

Inklusionsklima:  Zur Erfassung vorherrschender Einschätzungen zur Arbeitsmarktsituation und individueller Erfahrungen befragte das Handelsblatt Research Institute jährlich rund 400 mittelständische Unternehmen, die Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigen, und rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung. Die Größe der Stichprobe erlaubt in einem zweiten Schritt unter anderem eine regionale, branchenspezifische, altersspezifische sowie berufsstrukturelle Analyse der Umfrageergebnisse. Die Befragung wurde mithilfe computergestützter Telefoninterviews durchgeführt. Das Teilbarometer "Unternehmen" basiert auf zehn, das Teilbarometer "Arbeitnehmer" auf acht Fragen.

Sonderkapitel

Zusätzlich zur jährlichen Indexberechnung hat das HRI in den Jahren 2014 bis 2017 besondere Themen mit Befragungen und Auswertungen näher beleuchtet. Auch diese Sonderkapitel werden in der Kurzanalyse präsentiert.

Meinungen und Einstellungen von Arbeitgebern ohne Beschäftigte mit anerkannter Schwerbehinderung (2014)

Befragt wurden 400 Personalverantwortliche von Unternehmen, die derzeit keine Menschen mit Behinderung beschäftigen, wobei in 46 Prozent dieser Unternehmen bereits Erfahrungen damit vorlagen. Die Personalverantwortlichen benannten die Unterstützung durch die Behörden als ein wesentliches Problemfeld; nur 35 Prozent fühlten sich ausreichend unterstützt. Auch die Herstellung von Barrierefreiheit in ihrem Unternehmen scheint mehr als zwei Drittel der Befragten nicht zu vertretbaren Kosten möglich.

Ist der Inklusionserfolg von der Art der Behinderung abhängig? (2015)

Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung, die in einem Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind, wurden für dieses Sonderkapitel interviewt. Im Ergebnis wird der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit einer geistigen Behin­derung als extrem schwierig eingestuft, gefolgt von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Es werden zudem selbstverstärkende Effekte festgestellt, da sich Unterstützungsmaßnahmen und mögliche positive Erfahrungen mit diesen Mitarbeitenden meist auf eine Art der Behinderung (z.B. körperliche Beeinträchtigungen) beziehen, wohingegen Menschen mit anderen Beeinträchtigungen aus dem Blick geraten.

Demografie und Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung (2015)

Von 2003 bis 2013 hat sich die Anzahl der schwerbehinderten Arbeitnehmer um über 30 Prozent erhöht und die Zahl der Arbeitslosen in dieser Gruppe der Erwerbspersonen leicht verringert. Eine Betrachtung der einzelnen Altersgruppen bei den erwerbstätigen Menschen mit Behinderungen zeigt jedoch, dass die Zahl bei den unter 50-jährigen um 20.000 gesunken und bei den 50- bis 60-jährigen um 140.000 gestiegen ist. Dies deutet eher auf ein demografisch bedingtes "Hineinwachsen" der Schwerbehinderten in den Unternehmen hin als auf eine veränderte Beschäftigungspolitik. 55 Prozent der Arbeitnehmer gaben in der Befragung 2015 an, dass ihre Behinderung erst im Verlauf ihrer jetzigen Beschäftigung erworben wurde.

Digitalisierung und Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung (2016)

Die Digitalisierung hat einerseits einen Effekt auf die Zahl der Arbeitsplätze (Substituierung durch Technik), andererseits auch auf die Art der Beschäftigung. Die Analyse der verfügbaren amtlichen Statistiken zeigte, dass knapp die Hälfte der eine Millionen behinderten Beschäftigten in Branchen arbeitet, deren Hauptberuf ein geringes Substituierbarkeitspotenzial aufweist (d.h. weniger als 25 Prozent der Tätigkeiten in diesen Berufen sind derzeit schon automatisierbar). Insbesondere digitale Assistenzsysteme können Beschäftigte bei ihren Verrichtungen unterstützen und vergrößern das Einsatzspektrum für Menschen mit Behinderungen. Eine technische Entlastung kann auch Erkrankungen des Bewegungsapparates vorbeugen. Allerdings erhöht sich durch den Einsatz digitaler Technologien häufig die Komplexität einer Tätigkeit, was für psychisch beeinträchtigte Menschen eine Hürde darstellen kann.

Die Situation von Auszubildenden mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt (2017)

An der Online-Befragung zum Übergang von der Schule in die betriebliche Ausbildung beteiligten sich 297 Auszubildende mit Behinderungen. Bei ihren Strategien der Ausbildungsplatzsuche zeigten sich große Unterschiede zu Jugendlichen im Allgemeinen, die sich zu über 50 Prozent online auf die Suche begeben: die Agentur für Arbeit, das Integrationsamt oder eine ähnliche Institution (28 Prozent), Verwandte oder Bekannte (15 Prozent), die Schule (14 Prozent) oder ein vorheriges Praktikum (12 Prozent) waren hier die wichtigsten Wegbereiter. Der unmittelbare Kontakt im Bewerbungsprozess ist hier also von großer Bedeutung.

Benachteiligungen durch die Behinderung werden durch niedrige oder fehlende Schulabschlüsse noch verstärkt. Im Vergleich von Jugendlichen mit und ohne Behinderung ist der Anteil von Auszubildenden, die nach der Schule zunächst an einer berufsbildenden Maßnahme teilgenommen haben, deutlich erhöht (48 vs. 9 Prozent). 29 Prozent der Befragten im Inklusionsbarometer haben ihre Schullaufbahn auf einer Förderschule beendet.

Grafik: Aktion Mensch
www.aktion-mensch.de/inklusionsbarometer

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