Politische Partizipation von Menschen mit Beeinträchtigungen

Bei der Bundestagswahl im September sind zehntausende Menschen mit Beeinträchtigungen zum ersten Mal wahlberechtigt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2019 urteilte, dass Menschen, die auf eine gerichtlich bestellte Betreuung in allen Angelegenheiten angewiesen sind, nicht pauschal von Wahlen ausgeschlossen sein dürfen. Das Wahlrecht wurde daraufhin geändert und findet bei der diesjährigen Bundestagswahl erstmals Anwendung.

Wie sich die politische Partizipation von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen unterscheidet, wird im dritten Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Behinderung untersucht.

Politisches Interesse

Das allgemeine Wahlrecht ist eine Grundvoraussetzung für die politische Teilhabe in einer Demokratie. Darüber hinaus ist für eine funktionierende Demokratie aber auch politisches Interesse in der Bevölkerung von großer Bedeutung. Wie groß das politische Interesse ist, zeigt an, wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern die Politik ist. Politisches Interesse ist oft der erste Schritt zu aktiver politischer Beteiligung.

In repräsentativen Befragungen wird das Interesse an Politik seit Jahrzehnten erhoben und untersucht, ob sich das Interesse in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen unterscheidet. Es zeigt sich, dass Menschen mit Beeinträchtigung insgesamt ein stärkeres Interesse an Politik haben als Menschen ohne Beeinträchtigung.

Wahlbeteiligung

Die zentrale aktive Partizipationsform in einer repräsentativen Demokratie ist die Teilnahme an Wahlen. Die Wahlbeteiligung zeigt dabei an, welcher Anteil der Wahlberechtigten ihr Recht auf Stimmabgabe wahrnimmt. Die Wahlbeteiligung variiert je nach Alter, Geschlecht, Bildungsstand und anderen Merkmalen. Auch zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gibt es Unterschiede.

Bei Menschen mit Beeinträchtigungen ist sie etwas niedriger als bei Menschen ohne Beeinträchtigung. Die Werte gleichen sich aber an. Die Gründe für die niedrigere Wahlbeteiligung trotz mindestens gleich großem Interesse an Politik sind schlecht erforscht. Möglicherweise existieren bei der Wahl Barrieren für Menschen mit Beeinträchtigungen. Es könnte aber auch ein Zusammenhang mit anderen Merkmalen wie dem sozioökonomischen Status ursächlich sein.

Sonstige politische Beteiligung

Neben der Ausübung des Wahlrechts auch können sich Bürgerinnen und Bürger durch weitere Partizipationsformen, zum Beispiel in Parteien, Bürgerinitiativen oder in der Kommunalpolitik aktiv in der Politik engagieren.

Weniger als 10% der Bevölkerung sind mindestens ab und zu in ihrer Freizeit politisch aktiv. Bei Menschen mit Beeinträchtigungen ist der Anteil niedriger als bei Menschen ohne Beeinträchtigungen. Auch hier bestehen jedoch deutliche Unterschiede zwischen unterschiedlichen Altersgruppen, Geschlechtern sowie Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.

Repräsentation von Menschen mit Behinderung

Nicht nur die politische Beteiligung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung lässt sich vergleichen, sondern auch ihre Repräsentation in Parlamenten oder politischen Ämtern. In Deutschland haben 9,5% der Bevölkerung eine Schwerbehinderung. Der Anteil von Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung liegt noch höher. Von den Abgeordneten im Deutschen Bundestags haben nur 3,3% eine Behinderung1. Menschen mit Behinderung sind im Parlament also deutlich unterrepräsentiert.

1 Süddeutsche Zeitung (2017): Volk und Vertreter. Online verfügbar unter: https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/bundestag-diese-abgeordneten-fehlen-e291979/ (zuletzt geprüft am 02.07.2021)