Editorial Reha-Info 04/2021

Liebe Leserin und lieber Leser,

Die Wahlbeteiligung von Menschen mit Behinderungen steigt. Das zeigt der aktuelle Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. „Es zeigt sich, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ihr passives Wahlrecht nur geringfügig weniger nutzen als Menschen ohne Beeinträchtigungen und dass sie an politischer Kommunikation Anteil nehmen.“ Politische und gesellschaftliche Teilhabe hat einen neuen Stellenwert erlangt.

Menschen mit Behinderungen organisieren sich, die zahlreichen Neugründungen von Inklusions- und Behindertenbeiräten in Bund, Ländern und Kommunen in den vergangenen Jahren sprechen für sich. Beim Bundesbehindertenbeauftragten mit direktem Draht zur Politik wurde ein Inklusionsbeirat etabliert. Die rechtlichen Grundlagen sind verlässlich und entwickeln sich. So hat beispielsweise das Behindertengleichstellungsgesetz die „Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten“ fixiert. Und am 16. Mai 2019 hat der Bundestag die Wahlausschlüsse von Menschen mit Betreuung in allen Angelegenheiten aus dem Bundeswahlgesetz gestrichen. Seitdem dürfen alle Menschen wählen und es gilt Inklusives Wahlrecht für alle.

Das sind erfreuliche Entwicklungen. Aber – und auch das konstatiert der Bericht der Bundesregierung: „Vom Ziel einer inklusiven Gesellschaft sind wir leider noch weit entfernt.“ Die Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen ist in vielfacher Weise eingeschränkt, beim Informationszugang, durch mangelnde Barrierefreiheit oder beim Zugang zu politischen Ämtern. „Nichts über uns ohne uns“ – die UN-BRK definiert das Recht auf Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben für Menschen mit Behinderungen. Inklusion als demokratische Praxis, darin liegt großes Potential für den Prozess gesellschaftlicher Erneuerung. Die Selbstorganisation von Menschen mit Behinderungen ist seit langem etabliert, ihre Vertretung in den Parlamenten aber noch deutlich unterrepräsentiert.


Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Ihre Helga Seel