Eine Tätigkeit mit Mission

4 Fragen an Ralph von Harlessem und Semjon Kaul

Als Einrichtung der beruflichen Rehabilitation (§ 51 SGB IX) konzentriert sich das Berufliche Trainingszentrum (BTZ) Mainz genauso wie ihre 17 Schwester-BTZ der Unternehmensgruppe auf die Themen Diagnostik und Feststellungsmaßnahmen, Wiedereingliederung und Ausbildung. Die Verzahnung im Haus erfolgt über vier Fachdienste, die ärztlichen, psychologischen und pädagogischen Dienste sowie die Ausbilder in den Praxisbereichen: die sogenannten Trainingsbereiche Wirtschaft & Verwaltung; Hotel, Gastronomie & Eventmanagement; IT-Medien sowie Holz & Metall. Auf der Grundlage einer psychischen und sozialen Stabilisierung arbeiten diese vier Fachdienste wie verbundene Zahnräder, um mit gegenwärtig 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erfolgreiche, lebensverändernde Rehabilitationsergebnisse und berufliche Perspektiven zu erzielen. Die Ausbilder in den Praxisbereichen tragen hier durch ihre weitreichende Betreuungs- und Beratungsaufgaben die Hauptlast. Die Kolleginen und Kollegen sind Handwerksmeister oder haben ein abgeschlossenes Studium oder eine Ausbildung aus den jeweiligen wirtschaftlichen Teilbereichen, inklusive umfangreiche praktische Berufserfahrung sowie sekundäre Ausbildungen und zertifizierte Weiterbildungen der Beruflichen Rehabilitation (RFK, REZA).

1. Hat sich das Arbeitsfeld Ausbilderin/Ausbilder in der beruflichen Reha verändert?

Das können wir nur bestätigen. Gerade in den letzten drei Jahren merken wir schon stärkeren Druck in der psychischen und seelischen Belastung unserer Rehabilitanden, die unsere Ausbilderinnen und Ausbilder immer mehr fordern. Ursachen sind die bekannten aktuellen geopolitischen Auswirkungen sowie der dynamische Arbeitsmarkt im Rhein-Main-Gebiet, der schon wegen des Fachkräftemangels und des Weggangs der Babyboomer-Generation rauer und fordernder geworden ist. Vielfach zugewiesen werden Leistungsberechtigte mit Mehrfachdiagnosen, bedingt durch eine negative Episode bei ihrem früheren Arbeitgeber. Im Gegensatz dazu ein anderes Novum: Rehabilitanden, die sich nur in einem Vorphasen-Praktikum in einem Berufsfeld orientieren wollen, kommen plötzlich mit Arbeitsverträgen zurück, obwohl sie noch gar nicht soweit sind. Durch die Pandemie hat sich auch die Arbeitswelt an sich geändert und neue Kompetenzen müssen schnell entwickelt werden. Wir haben jetzt das Zeitalter des New Work, mit schnellen Video-Sessions über Microsoft Teams, Whats-App-Bewerbungen und Guerilla-Recruiting. Da unser psychologischer Dienst schon schlüsselbedingt nicht permanent unterstützen kann, kanalisiert sich vieles bei unseren Ausbilderinnen und Ausbildern der beruflichen Reha.

2. Haben sich Begegnungen mit jungen Menschen mit einer seelischen Behinderung verändert und wie ist deren Sicht?

Wir haben zwei U25-Maßnahmen im Haus und merken auch hier gravierende Unterschiede im Vergleich zu den Arbeitsweisen vor der Pandemie. Junge Studierende, die während der Pandemie ihr Hochschulstudium oder ihren Berufsabschluss absolvieren wollten, haben es vielfach nicht geschafft oder abgebrochen, weil sie mit den Fernunterrichten oder den sonstigen, isolierten Bildungsformen nicht zurechtkamen. Dies führte vielfach etwa zu depressiven Episoden und damit auch auf den Weg in die berufliche Rehabilitation. Sie fühlen sich überfordert und abgehängt. Eine positive Strömung ist aber, dass diese jungen Menschen jetzt lieber wieder eine dreijährige Regelausbildung anstreben, als es nochmal an den Hochschulen zu versuchen.

3. Wie geht das Berufliche Trainingszentrum mit dem Fachkräftemangel um?

Im BTZ Mainz selbst merken wir es weniger, da wir mittendrin im Ballungsraum Rhein-Main liegen. Wir haben viele Kooperationen mit den regionalen Hochschulen und fördern beispielsweise das Duale Studium in unserem Haus, insofern sind die Mitarbeitenden von morgen bereits während ihrer Ausbildung in den Strukturen der faw eingebunden. Die BTZ in den ländlichen Regionen, wie in Kaiserslautern oder in Plauen (Sachsen), merken den Fachkräftemangel gravierender. Ein Beispiel: Eine offene Psychologenstelle im BTZ Plauen generierte in einem Zeitraum von acht Wochen genau eine Bewerbung. In diesen Häusern müssen wir ins Recruiting sehr viel mehr investieren, um offene Stellen beispielsweise in Social Media oder Fachmedien teuer zu platzieren. Das Unternehmen stellt uns ein professionelles Recruiting-Tool zur Verfügung, das dies zum Glück leisten kann.

4. Wie machen Sie das Berufsfeld attraktiv für Fachkräfte?

Das Arbeiten in der beruflichen Rehabilitation ist durchaus attraktiv, sie meistern mit unseren Rehabilitanden lebensverändernde Phasen und sammeln täglich Karmapunkte. Es ist keine missionierende Tätigkeit, sondern eine Tätigkeit mit Mission. Trotz allem sind die Gehälter branchentypisch.
Natürlich müssen wir als Unternehmen hier noch mehrere Schippen drauflegen, damit die Mitarbeiter sich bei uns wohlfühlen und nicht durch- oder abwandern. Wie bieten einen fairen Haustarif und als Teil eines Konzerns interessante Benefits wie eine attraktive Krankenzusatzversicherung, maßgeschneiderte Fortbildungsangebote für jeden der möchte, darunter jährlich rund 200 Kurse im Rahmen des Personalentwicklungsprogramms der faw.

Wir beraten Kolleginnen und Kollegen, die einen Karriereweg im Unternehmen gehen möchten, durch viele Spezialprogramme. Standard-Benefits wie Betriebliche Altersvorsorge, private Unfallversicherung, Jobrad und Förderung des Deutschland-Tickets sind selbstverständlich. Um unsere Rahmenbedingungen für unsere Mitarbeitenden, vor allem jetzt mit hohem Workload, zu verbessern, führen wir im Konzern Mitarbeiterbefragungen durch. Alles in allem, runtergebrochen auf unser kleines BTZ, haben wir auch ein stetiges Auge darauf, dass die Stimmung bei uns nicht kippt, trotz der aktuell großen Herausforderungen.

Weitere Informationen:
www.faw-btz.de/btz-mainz