
Instanzrechtsprechung zum „Persönlichen Budget“
Jüngst ergingen mehrere interessante instanzgerichtliche Entscheidungen zum Persönlichen Budget nach § 29 SGB IX (PB). Hierbei ging es u. a. um die Rechtsnatur von Zielvereinbarungen, die Auslegung des Rechtsbegriffs „wichtiger Grund“ für die Kündigung einer Zielvereinbarung seitens des Leistungsträgers (vgl. § 29 Abs. 4 S. 6 SGB IX), mögliche Folgen einer solchen Kündigung (§ 29 Abs. 4 S. 7 SGB IX) und die marktgerechte Vergütung, wenn kein Anbieter für den ursprünglich errechneten Stundensatz zu finden ist.
Kernaussagen* im Überblick:
Zur Rechtsnatur von Zielvereinbarungen
Der Abschluss einer Zielvereinbarung dient der Qualitätssicherung und somit auch dem Wohl der budgetnehmenden Person. So ist die entsprechende Regelung in § 29 Abs. 4 S. 1 SGB IX nicht als bloßer „Programmsatz“ zu verstehen, sondern als Voraussetzung zur Auszahlung des PB.
LSG Halle, Beschluss v. 06.09.2024 –
L 8 SO 34/24 B ER
Zu Anforderungen an „wichtigen Grund“ zur Kündigung einer Zielvereinbarung
Ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung einer Zielvereinbarung ist gegeben, wenn der Verstoß erheblich ist (schwerer Gemeinwohlverstoß nach § 59 Abs. 1 S. 2 Var. 2, Abs. 2 SGB X) und die PB-berechtigte Person zuvor wegen eines anderen Verstoßes bereits einmal abgemahnt wurde (vgl. § 314 BGB).
Ob es einer Abmahnung bedarf, ist Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dabei wird die Schwere der Verfehlung und die Frage der positiven oder negativen Prognose in das notwendige Vertrauen in die Fortführung des Vertragsverhältnisses abgewogen. Im vorliegenden Fall betraf die Abwägung die Fortführung der Leistungsgewährung auf der Basis der Zielvereinbarung im Wege des PBs.
Hessisches LSG, Beschluss v.
27.11.2024 – L 4 SO 95/24 B ER

Werden in einer Zielvereinbarung festgehaltene Vereinbarungen hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht eingehalten und bestehen darüber hinaus über einen längeren Zeitraum deutliche Indizien für die Fehlverwendung der Mittel, besteht darin ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung der Zielvereinbarung durch den Leistungsträger (§ 29 Abs. 4 S. 6 SGB IX). Ein solches Indiz kann z. B. die Entlohnung des Lebensgefährten der Mutter in erheblichem Umfang entgegen der Zielvereinbarung sein.
LSG Halle, a.a.O.
Zu Folgen der Kündigung einer Zielvereinbarung
Eine Behörde darf sich nicht auf den Standpunkt der Unzumutbarkeit einer künftigen Leistungsbeziehung zurückziehen und muss unstreitig bestehende Ansprüche (ggf. auch im Rahmen einer Sachleistung) erfüllen.
Hessisches LSG, a.a.O.
Zur marktgerechten Vergütung für Leistungserbringer
Ist für die vom Leistungsträger zugrunde gelegten Stundensätze kein Leistungsanbieter zu finden und kann auch der Leistungsträger im Sinne einer „Beweislastumkehr“ keinen erreichbaren Anbieter für das von ihm im PB berücksichtigte Entgelt benennen, bedarf es einer Anpassung der Stundensätze an die „marktgerechte Vergütung“.
Maßgebend dafür ist § 29 Abs. 2 S. 6 SGB IX, wonach das PB so zu bemessen ist, dass der nach Teil 1 Kapitel 4 SGB IX „individuell festgestellte Bedarf“ (vgl. § 29 Abs. 1 S. 1 SGB IX) gedeckt wird. Dieser umfasste im entschiedenen Fall eine nächtliche „qualifizierte Rufbereitschaft“ als Leistung zur sozialen Teilhabe nach § 113 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB IX i.V.m. § 29 SGB IX.
Sächsisches OVG, Beschluss v.
29.10.2024 – 3 B 205/23
Die vorliegenden Entscheidungen konturieren die rechtlichen Rahmenbedingungen in § 29 SGB IX zum Persönlichen Budget und sind damit vor dem Hintergrund der Praxis zu begrüßen.
* Aus Leitsätzen bzw. Orientierungssätzen nach JURIS sowie Entscheidungsgründen,
redaktionell abgewandelt und gekürzt