(Keine) Zuständigkeitsklärung bei Weiterbewilligung, einheitliches Leistungsgeschehen

Orientierungssätze*

  • Wird im Rahmen eines einheitlichen Leistungsgeschehens die Weiterbewilligung einer
    Leistung beantragt, wird die Zuständigkeit für die beantragte Leistung nicht erneut
    nach § 14 SGB IX geprüft.
  • Maßgeblich für die Einheitlichkeit des Leistungsgeschehens ist insbesondere ein im
    Kern unveränderter Bedarf.

BSG, Urteil v. 28.11.2019, Az.: B 8 SO 8/18 R
* Leitsätze oder Entscheidungsgründe des Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die 1969 geborene Klägerin leidet an paranoider Schizophrenie. Sie lebte zunächst im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 1 und seit 2008 in K im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 2. Dort wurde sie in ihrer Wohnung ambulant betreut. Die Kosten trug der Beigeladene zu 1 als Leistung der Eingliederungshilfe nach §§ 53f. SGB XII (a. F.). Nach einem mehrmonatigen stationären Aufenthalt der Klägerin bewilligte der Beigeladene zu 1 auf entsprechenden Antrag ab Mai 2011 erneut Eingliederungshilfe für das ambulant betreute Wohnen. Die letzte Bewilligung erfolgte befristet bis 30.6.2013 und unter der auflösenden Bedingung, dass die Klägerin aus der Betreuung in K. ausscheidet. Ende 2012 zog sie nach B. in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Einen beim Beigeladenen zu 1 am 20.12.2012 gestellten Antrag auf Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen leitete dieser an die Beklagte weiter. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme fürab März 2013 erbrachte Fachleistungen ab. Die hiergegen gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich, im Wesentlichen unter Hinweis darauf, dass durch Weiterleitung des Antrags vom 20.12.2012 nach § 14 SGB IX (a.F.) die Zuständigkeit der Beklagten begründet worden sei. Das BSG hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen.
Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Kosterstattung ist hiernach § 15 SGB IX (a. F.), der sich gegen den nach § 14 SGB IX (a. F.) verantwortlichen Reha-Träger richtet. Vorliegend war dies nach dem BSG der Beigeladene zu 1. Zwar hat der stationäre Aufenthalt 2011 das bisherige Leistungsgeschehen im Hinblick auf das ambulante betreute Wohnen unterbrochen. Denn damit wurde auf eine erheblich geänderte Bedarfslage mit einer nach dem Leistungsrecht des SGB XII (a. F.) wesentlich anderen (stationären) Leistung reagiert. Durch Nichtweiterleitung des 2011 gestellten Antrags ist der Beigeladene zu 1 allerdings nach § 14 SGB IX (a. F.)zuvor bereits für das ambulante betreute Wohnen zuständig geworden. Seither bestand eine im Kern unveränderte Bedarfslage und mithin ein einheitliches Leistungsgeschehen. Es widerspräche laut BSG dem Grundsatz der Leistungskontinuität, wenn die Änderung der örtlichen Zuständigkeit durch einen Umzug zugleich eine bereits bestehende (sachliche) Zuständigkeit beendete. Auch eine auflösende Bedingung unterbricht für sich genommen nicht ein ansonsten einheitliches Leistungsgeschehen – ebenso wenig wie eine zeitabschnittsweise Bewilligung von Leistungen (vgl. BSG, Urteil v. 4.4.2019, Az.: B 8 SO 12/17 R). Deshalb war der Beigeladene zu 1 wegen der bereits geklärten Zuständigkeit nicht zur Weiterleitung nach § 14 SGB IX (a. F.) berechtigt, die Weiterleitung ging „ins Leere“.
Die zur Rechtslage vor 2018 ergangene Entscheidung präzisiert den Umgang mit Weiterbewilligungsanträgen nach § 14 SGB IX sowie die Konsequenzen unberechtigter Weiterleitungen. Nicht zuletzt die mit Blick auf das einheitliche Leistungsgeschehen angelegten Kriterien „Bedarf“ und „Leistungsart“ dürften auch im Kontext der aktuellen Rechtslage sowie für andere Leistungsträgerbereiche relevant sein.