Auf Knopfdruck verständlich?

Künstliche Intelligenz und Leichte Sprache

Leichte Sprache ist ein wichtiges Instrument für Barrierefreiheit. Sie unterstütztMenschen mit Lernbehinderung dabei, Informationen besser zu verstehen – etwa auf Webseiten, in Formularen oder in der öffentlichen Kommunikation.

Barrierefreie Kommunikation wird in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft immer wichtiger. Gesetzliche Vorgaben wie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen fordern, dass digitale Informationen für alle Menschen zugänglich sein müssen – auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Die Nachfrage nach verständlichen Inhalten wächst, gleichzeitig fehlen oft die Ressourcen für eine professionelle Umsetzung.

Mit dem Aufkommen Künstlicher Intelligenz gibt es inzwischen eine Reihe von Tools, die Texte laut ihrem Werbeversprechen automatisch in Leichte Sprache übersetzen können. Besonders Behörden und Organisationen, die zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, greifen auf solche Angebote zurück – in der Hoffnung auf eine schnelle Lösung. Doch kann KI tatsächlich leisten, was bisher von geschulten Fachkräften übernommen wird? Die Antwort lautet: Noch nicht.

Was Leichte Sprache wirklich ausmacht

Leichte Sprache bedeutet mehr als kurze Sätze oder einfache Wörter. Wer einen Text in Leichte Sprache überträgt, muss sich fragen: Was ist die wichtigste Aussage? Welche Informationen sind für die Zielgruppe wirklich relevant? Was muss erklärt, was kann weggelassen werden? Fachleute für Leichte Sprache schreiben Texte oft ganz neu. Sie ordnen Inhalte um, schaffen Vorwissen und erklären Zusammenhänge. Dabei halten sie sich an festgelegte Regeln – zum Beispiel an die DIN SPEC 33429 „Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache“. Diese betreffen unter anderem Wortwahl, Satzbau, Textstruktur und Gestaltung. So kann es etwa nötig sein, zusätzliche Hintergrundinformationen einzuführen, um zentrale Begriffe verständlich zu machen oder einen Ablauf Schritt für Schritt zu erklären, der im Original nur knapp beschrieben ist. Wiederholungen, direkte Ansprachen oder der Verzicht auf bildhafte Sprache sichern die Verständlichkeit. Ziel ist, dass Menschen mit Lernbehinderung Inhalte wirklich verstehen und eigenständig Entscheidungen treffen können.

Was KI-Tools (noch) nicht leisten

Viele der heute verfügbaren KI-Tools setzen vor allem auf sprachliche Vereinfachung. Sie kürzen Sätze, ersetzen schwierige Wörter oder entfernen Fachbegriffe. Was sie bislang nicht können: Sich an der Lebenswelt der Zielgruppe orientieren und Inhalte entsprechend
neu strukturieren. Das Ergebnis sind Texte, die zwar einfach wirken, aber oft nicht verstanden werden – und damit auch nicht den Anforderungen an barrierefreie Information entsprechen. Ein Beispiel: In einem Text über Arbeitsverträge kommen Begriffe wie „Probezeit“, „Kündigungsfrist“ oder „Tarifvertrag“ vor. Eine professionelle Übersetzerin würde die wichtigsten Inhalte herausarbeiten, passende Erklärungen einbauen und den Text so aufbauen, dass er nachvollziehbar ist – Schritt für Schritt, mit Beispielen aus dem Alltag. KI-gestützte Vereinfachung kann dabei unterstützen, ersetzt diesen zielgruppengerechten Zugang aber (noch) nicht.

KI als Hilfsmittel – mit klaren Grenzen

Trotz dieser Schwächen können KITools für erste Textentwürfe oder Formulierungsvorschläge nützlich sein. Auch einzelne Begriffserklärungen lassen sich automatisiert generieren. Wichtig ist aber: Die Ergebnisse müssen geprüft, überarbeitet und an die Bedarfe der Zielgruppe angepasst werden – idealerweise im Austausch mit Menschen, die selbst Leichte Sprache benötigen.

Richtig eingesetzt, kann KI dazu beitragen, mehr Inhalte in Leichter Sprache zur Verfügung zu stellen – gerade in Bereichen, in denen es bisher an Ressourcen oder Fachkenntnis fehlt. Aber ohne menschliche Begleitung bleibt die Qualität noch unzureichend. Wer KI nutzt, sollte sich mit Leichter Sprache auskennen und die Perspektive der Zielgruppe einbeziehen.

Wie es weitergehen kann

Die Entwicklung von KI-Systemen geht schnell voran. In Zukunft könnten neue Anwendungen entstehen, die besser mit Inhalten umgehen, Texte sinnvoll gliedern und sich stärker an der Zielgruppe orientieren. Erste Forschungsprojekte arbeiten bereits daran. Solange diese Entwicklungen noch am Anfang stehen, bleibt klar: Leichte Sprache ist ein anspruchsvolles Handwerk. Für wirklich gute Texte braucht es Erfahrung, Fachwissen und die Rückmeldung derjenigen, für die sie geschrieben werden.

Fazit

Künstliche Intelligenz kann bei der Arbeit mit Leichter Sprache unterstützen, aber sie kann sie nicht ersetzen. Wer barrierefreie Kommunikation ernst meint, sollte sich nicht allein auf automatisierte Angebote verlassen.

Erst durch die Verbindung von Technik, Fachkenntnis und Zielgruppenbeteiligung entstehen wirklich verständliche Texte. Entscheidend wird sein, KI-Werkzeuge künftig so weiterzuentwickeln und einzusetzen, dass sie den besonderen Anforderungen Leichter Sprache gerecht werden. Bis dahin bleibt der menschliche Beitrag unverzichtbar – für Qualität, Verlässlichkeit und echte Barrierefreiheit.

Über uns
Die Lebenshilfe Hamburg engagiert sich für digitale Teilhabe von Menschen mit Lernbehinderung. In unseren Projekten entwickeln wir gemeinsam mit Betroffenen sowie Partnerinnen und Partnern aus Praxis, Forschung und Technik digitale Lösungen, die verständlich, barrierefrei und alltagstauglich sind. Unser Ziel ist es, digitale Barrieren abzubauen und mehr Selbstbestimmung im Alltag zu ermöglichen. Als Expertinnen für digitale Barrierefreiheit im Kontext Lernbehinderung bringen wir unsere Perspektive unter anderem im Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik der Überwachungsstelle des Bundes (BFIT-Bund) ein und sind als Sachverständige in der Bundesinitiative Barrierefreiheit im Bereich Digitales vertreten.

Weitere Informationen: www.digi.lhhh.de