Unterstützte Kommunikation
Implementierung als Sprachhilfsmittel im klinischen Setting
Die Unterstützte Kommunikation (UK) richtet sich im Hegau-Jugendwerk an alle Personen in Rehabilitation, die aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Beeinträchtigung nur bedingt in der Lage sind, sich ihrer Umwelt ausreichend mitzuteilen. Nicht nur die zuvor beschriebenen Personen, sondern auch Menschen mit einer anderen Muttersprache, profitieren von den (technischen) Hilfsmitteln der UK.
Seit über 25 Jahren ist die UK in der Wilhelm-Bläsig-Schule des Hegau-Jugendwerks etabliert. Ein Hilfsmittelpool wurde über Spenden aufgebaut, da die Hilfsmittel bereits während der Rehabilitation dringend benötigt werden. Eine Finanzierung für den interdisziplinären Einsatz fehlt bislang, da Hilfsmittel nur personenbezogen refinanziert werden. Außerhalb des Schulsettings wurden die vorhandenen Kommunikationsmittel bis 2021 nur vereinzelt eingesetzt. Die interdisziplinäre Implementierung begann als Projekt im Rahmen einer Bachelorthesis und wurde später weitergeführt. Zunächst wurde der Bedarf in den Abteilungen erhoben, um im Anschluss passende Hilfsmittel zu erstellen oder über Spenden zu finanzieren.
Was Leichte Sprache wirklich ausmacht
Voraussetzungen für die Implementierung:
- Klärung von Lizenzen, Finanzierung und personellen Ressourcen
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Technische Ausstattung (WLAN, Endgeräte, Software)
Erste Umsetzungsschritte:
- Einbindung ins Qualitätsmanagement
- Bildung einer Projektgruppe
- Analyse des Ist-Zustands und Bedarfs
- Kostenkalkulation und Finanzierungsplanung
- Planung von Schulungen
- Bereitstellung von UK-Materialien (z. B. Tafeln, UK-Kisten)
Einsatzbereiche der UK-Materialien:
- Adaptierbares Spielzeug in Therapien
- Sprachausgabegeräte zur Begrüßung und Verabschiedung
- Symbolmappen für Pflege, Visiten, Mahlzeiten
- METACOM-Symbole auf Spielplatz, Türen und Therapieplänen
- Tablets, Augensteuerungen, Anybook-Reader in verschiedenen Therapiebereichen
Im April 2025 startete im Hegau-Jugendwerk eine interne Fortbildung zur UK-Fachkraft für 25 Mitarbeitende aus verschiedenen Fachbereichen. Die fünf Module orientieren sich an den Vorgaben der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation und stellen einen bedeutenden Fortschritt bei der interdisziplinären Implementierung von UK im Hegau- Jugendwerk dar.
Einsatz von KI im Rahmen der UK
KI-Technologien halten zunehmend Einzug im Bereich der Unterstützten Kommunikation und in Reha-Settings. Die wichtigsten Ansätze, die hierbei zum Einsatz kommen:
- Spracherkennung: z. B. die Software Dragon, Siri, Cortana und Alexa helfen Menschen mit Sprachstörungen (z. B. Dysarthrie, Aphasie), gesprochene Sprache besser zu erkennen und umzusetzen.
- Stimmgenerierung: z. B. die SoftwareGRID Rehavista unterstützt mit Wortvorhersage sowie Symbol- und Textgenerierung
- Textvorhersage: z. B. Softwareprogramme wie Predictable (Therapybox) und Proloquo 4 Text (Assistive Ware) ermöglichen durch intelligente Wortvorschläge schnelles Formulieren ganzer Sätze.
- Dialogsysteme/Chatbots: Erste UKSysteme integrieren Chatbots wie ChatGPT, die bei der Formulierung helfen und Alltagssituationen erleichtern.
Die KI-Anwendungen werden von externen Unternehmen entwickelt.
Vorteile des KI-Einsatzes
- Mehr Teilhabe und Inklusion durch vereinfachte Kommunikation
- Weniger Schreibaufwand dank Wortvorhersage-Apps mit Lernfunktion
- Förderung der Selbstständigkeit, auch nach der Rehabilitation
- Zeitersparnis bei Recherche und Alltagsfragen
- Schnelle, kontextbezogene Satzvorschläge zum Thema
- Generierung der eigenen Stimme aus kurzen Sprachaufzeichnungen, insbesondere bei chronisch-progredienten Erkrankungen wie z. B. ALS, MS
Herausforderungen
Der Einsatz von KI benötigt zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen. Bisher erfolgt die Refinanzierung nur projektbezogen, das bedeutet: Die Kosten tragen die Einrichtungen selbst. Ein zentrales Thema ist der Datenschutz, da sensible Patientendaten sicher verarbeitet werden müssen. KI-Systeme sollten auch für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen nutzbar sein, um im Alltag unabhängig von Therapeutinnen und Therapeuten eingesetzt werden zu können. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Reha-Fachkräften, KI-Entwicklerinnen und -Entwicklern und den Betroffenen unerlässlich. Richtig umgesetzt kann KI die Kommunikation von Menschen mit Sprachbeeinträchtigungen deutlich verbessern und ihre Teilhabe stärken.
Das Hegau-Jugendwerk ist ein Neurologisches Krankenhaus und Rehabilitationszentrum für die medizinische und medizinisch-berufliche Rehabilitation in Gailingen am Hochrhein. Betreut werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nach angeborenen oder erworbenen Schädigungen des zentralen Nervensystems sowie neuro-muskulären Erkrankungen, die eine umfassende Rehabilitation benötigen.
Die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden werden von der Frührehabilitation bis zur schulischen und beruflichen Wiedereingliederung in einem Alter von üblicherweise zwei bis 27 Jahren betreut.