Erstattungsansprüche zwischen Reha-Trägern – (Instanz-)Rechtsprechung zu § 16 SGB IX

Wird ein Reha-Antrag gestellt, steht binnen zwei Wochen fest (§ 14 SGB IX), welcher Träger im Außenverhältnis zur antragstellenden Person zuständig ist (sog. Leistender Reha-Träger – LRT). Dabei kann es sein, dass die Zuständigkeit des LRT im Außenverhältnis und seine materiellrechtliche Zuständigkeit nach dem für ihn maßgeblichen Leistungsgesetz auseinanderfallen. Erbringt der LRT auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Beteiligung anderer Reha-Träger (§ 15 SGB IX) selbst Leistungen zur Teilhabe, für die er nicht zuständig ist, stellt sich u. a. die Frage, wer dafür letztlich die Kosten zu tragen hat. In der durch das BTHG ab 1. Januar 2018 hierzu geschaffenen eigenen Rechtsgrundlage (§ 16 SGB IX) ist u. a. die Unterscheidung zwischendem LRT, bei dem der Antrag gestellt wurde (hier: erstangegangener Träger, EAT) und dem LRT, der durch Weiterleitung zuständig wurde (hier: zweitangegangener Träger, ZAT), wichtig. Aus dem Wortlaut der komplexen Vorschrift lassen sich allerdings Bezüge zu bisherigen Kostenerstattungsvorschriften (§ 14 Abs. 4 SGB IX a. F.) und der hierzu ergangenen BSG-Rechtsprechung nicht eindeutig ableiten. Auch das Verhältnis zu den allgemeinen Erstattungsvorschriften der §§ 102ff. SGB X ist weiterhin nur punktuell ausdrücklich geregelt. Das BSG hat sich zu den genannten Aspekten noch nicht im Detail geäußert, jedoch liegen erste instanzgerichtliche Entscheidungen zu § 16 SGB IX vor. Kernaussagen bisheriger Rechtsprechung werden nachfolgend zusammengefasst *:
§ 16 SGB IX ist mit Blick auf § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. eine „weitgehend inhaltsgleiche Vorschrift“.
BSG, Urt. v. 26.02.2020 – B 5 R 1/19 R.

Kernaussagen* im Überblick:

Das in § 16 SGB IX normierte Erstattungssystem regelt Erstattungsansprüche zwischen Reha-Trägern in Fällen des § 14 SGB IX nicht abschließend. Einen Erstattungsanspruch unmittelbar aus § 16 Abs. 1 SGB IX hat nur der ZAT. Mit Blick auf mögliche Erstattungsansprüche des EAT schließt § 16 Abs. 4 Satz 1 SGB IX lediglich § 105 SGB X als Anspruchsgrundlage ausdrücklich aus. Die übrigen allgemeinen Vorschriften der §§ 102 ff. SGB X kommen weiterhin als Anspruchsgrundlagen in Betracht. Diese sind – mangels entgegenstehender Vereinbarung der Rehabilitationsträger – nicht von vorneherein ausgeschlossen.
LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2024 – L 7 S SO 1571/23,
vgl. auch Urt. v. 20.01.2022 – L 7 SO 3290/20.

Ein Kostenerstattungsanspruch des EAT nach den für vorläufig leistende Leistungsträger geltenden Grundsätzen (vgl. § 102 SGB X) kommt u. a. in Betracht, wenn

  • seine Prüfung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist kein klares Ergebnisergibt, sondern – etwa wegen komplexer Rechtsfragen – ernstliche Argumente für und gegen die eigene Zuständigkeit bzw. die Zuständigkeit und
  •  der EAT deshalb im Interesse der Beschleunigung eine Weiterleitung unterlassen hat.

LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.04.24 – L 7 SO 1581/22
(Revision anhängig unter B 8 SO 7/24 R) unter ausdrücklichem Bezug auf § 16 SGB IX,
inhaltlich in Fortschreibung der Argumente zur Rechtslage vor 01.01.2018 unter Hinweis auf BSG,
Urt. v. 11.09.2018 – B 1 KR 6/18 R)

Die dargestellten Kernaussagen verdeutlichen beispielhaft fachlich-rechtliche Herausforderungen im Zusammenhang mit § 16 SGB IX. Allerdings räumt das Gesetz den Reha-Trägern ausdrücklich die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen ein (§ 16 Abs. 4 S. 1 am Ende SGB IX). Je nach Verständnis dieses Spielraums besteht die Chance, die Vorschrift durch klarstellende Vereinbarungen so zu ergänzen, dass eine Kostenerstattung – sofern sie erforderlich wird – ausgewogen und möglichst aufwandsarm gestaltet werden kann. Die entsprechenden Regelungen in der Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess werden derzeit überarbeitet (abrufbar unter www.bar-frankfurt.de > Themen > Gemeinsame Empfehlungen).

* Aus Leitsätzen bzw. Orientierungssätzen nach JURIS sowie Entscheidungsgründen,
redaktionell abgewandelt und gekürzt