Berufliche Beratung muss up to date sein

Vier Fragen an Eva Strobel

1. Welchen Beitrag leistet Arbeit (BA) für eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation?

Die BA ist Rehabilitationsträgerin für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ziel ist es, die nachhaltige Integration in den Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen und für von Behinderung bedrohten Menschen zu erreichen. Als BA erbringen wir Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben immer dann, wenn kein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX zuständig ist.

Es ist Aufgabe aller Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte der Arbeitsagenturen und Jobcenter, mögliche Rehabilitationsbedarfe zeitnah zu identifizieren. Rund zwei Drittel aller Anträge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben betreffen die berufliche Eingliederung junger Menschen an der ersten Schwelle beim Übergang von der Schule in den Beruf. Dass wir als BA so viele junge Leistungsberechtigte in der beruflichen Rehabilitation haben, unterscheidet uns deutlich von anderen Rehabilitationsträgern. Dabei setzt die berufliche Orientierung und Beratung von Schülerinnen und Schülern sehr frühzeitig ein, die Rehabilitationsbedarfe junger Menschen werden in der Regel bereits vor Ende der Schulzeit festgestellt.

Wie für alle Jugendlichen ist der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt natürlich auch für junge Menschen mit Behinderungen ein bedeutender und wichtiger Schritt. Damit er gelingt, ist aber mitunter mehr Unterstützung notwendig, damit behinderungsbedingte Bedarfe angemessen berücksichtigt werden können. Dies ist vor allem die Aufgabe der Fachkräfte in den Arbeitsagenturen und Jobcentern.
Berufliche Reha-Beratung muss dabei up to date sein: Unsere Kundinnen und Kunden können wählen zwischen der persönlichen Beratung vor Ort – diese bietet sich insbesondere bei komplexeren Fallgestaltungen an und um Vertrauen aufzubauen – und der Videoberatung, die sich insbesondere bei vulnerablen Personengruppen in Zeiten der Corona-Pandemie als ein wertvolles Angebot erwiesen hat und zudem für diejenigen große Vorteile hat, die mobilitätseingeschränkt sind. Die Kundin oder der Kunde kann den Beratungstermin online vereinbaren und auch den Reha-Antrag online stellen. Außerdem haben wir uns auf den Weg gemacht, unsere digitalen Angebote besser zugänglich zu machen. Auf den Internet-Seiten der BA gibt es immer mehr Angebote in Leichter Sprache und in Gebärdensprache.

2. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht maßgeblich für einen gelungenen Übergang von der Schule in den Beruf?

Einen wesentlichen Beitrag leisten die Berufs- und Reha-Beraterinnen und -Berater der BA durch ihre professionelle Unterstützung der Menschen mit Behinderungen. Nachhaltige berufliche Inklusion kann nur im Schulterschluss gelingen. Es braucht starke Partnerschaften in der Region, Netzwerke der Rehaträger, eine kontinuierliche Kooperation mit den Schulen, die Unterstützung der Integrationsämter, der Arbeitgeber – alle müssen an einem Strang ziehen und gut zusammenarbeiten.

Und damit meine ich nicht nur eine Kooperation im Rahmen der Teilhabeplanung, die wir seit dem Teilhabestärkungsgesetz noch intensiver umsetzen. Für einen inklusiven Übergang von der Schule in den Beruf müssen vor allem die allgemeinen Angebote zur Förderung von Berufsvorbereitung und Ausbildung offen und zugänglich sein. Dazu muss es uns gelingen, noch mehr Arbeitgeber für die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen aufzuschließen. Und dabei dürfen wir nicht nur an Menschen mit Körperbehinderungen oder Sinnesbehinderungen denken, sondern es gilt auch diejenigen nicht aus dem Blick zu verlieren, die beispielsweise aufgrund von psychischen Beeinträchtigungen Schwierigkeiten haben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

3. Welche Chancen sehen Sie für Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit einem sich verstärkenden Fachkräftemangel?

Für Menschen mit Behinderungen ist es nach wie vor schwierig, den Einstieg zu finden, also eine Ausbildung oder Arbeit aufzunehmen. Werfen wir einen Blick auf arbeitslose schwerbehinderte Menschen: Wenn diese die Hürde in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erstmal genommen haben, entspricht ihre Verbleibsquote nach sechs Monaten in etwa der von Menschen ohne Behinderungen. Das spricht doch dafür, dass diese Menschen sich in ihrem Job bewähren und sie einen wertvollen Beitrag zur Arbeits- und Fachkräftesicherung leisten. Dies muss den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern noch bewusster werden. Wir brauchen mehr Ausbildungsmöglichkeiten im betrieblichen Kontext, weg von einrichtungsbezogenen Angeboten und hin zu betriebsnahen Möglichkeiten, wie beispielsweise einer Fachpraktikerausbildung.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern fehlt es noch zu oft an Wissen, welche Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten es für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gibt. Hier können die Einheitlichen Ansprechstellen helfen, auch bei der Klärung, welcher Träger zuständig ist. Zudem haben die BA und die Integrations-/Inklusionsämter mit der Meißner Erklärung eine enge Zusammenarbeit vereinbart, mit dem Ziel, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Betriebe gemeinsam zu fördern.

4. Was wünschen Sie sich in der Zukunft für die berufliche Rehabilitation?

Ich wünsche mir, dass alle, die professionell in der beruflichen Reha tätig sind, sich der zwei Seiten von Inklusion am Arbeitsmarkt bewusst sind – sie bietet einerseits Potenziale für die Gewinnung von Arbeitskräften und das müssen wir den Unternehmen klarmachen. Sie ist zugleich aber angesichts der UN-Behindertenrechtskonvention auch schlichtweg ein Menschenrecht derer, die mit Behinderungen leben. Menschen mit Behinderungen sind natürlich nicht nur Ressource, sondern ihre Selbstbestimmung und ihr Wunsch nach unabhängiger Lebensführung sind wichtige Eckpfeiler für die berufliche Rehabilitation.

Bei uns in der BA versuchen wir dieses Verständnis nicht zuletzt durch unseren Aktionsplan Inklusion in der Organisation und in unseren Dienstleistungen zu verankern.