Sag ich’s oder sag ich’s nicht?

Arbeiten mit chronischer Erkrankung oder Behinderung

Obwohl über 40 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland mit mindestens einer chronischen Erkrankung leben, ist das Thema in vielen Unternehmen noch weitgehend „unsichtbar“. Das liegt vor allem daran, dass chronische Erkrankungen für Außenstehende häufig ebenfalls unsichtbar sind, solange die Betroffenen nicht davon erzählen.

Die Frage, ob man auf der Arbeit von der eigenen Erkrankung erzählen soll oder nicht, stellt Betroffene vor einen Entscheidungskonflikt. Hoffnung auf positive Folgen stehen die Ängste vor negativen Folgengegenüber: Zeigt der Kolllegenkreis Verständnis oder nicht? Was denken die Vorgesetzten? Kann man auf Unterstützung zählen oder ist sogar der Arbeitsplatz in Gefahr? Oft ist dies vorher schwierig, und die Entscheidung kann schnell zur Überforderung werden.

Ziel des Projektes „Sag ich’s? Chronisch krank im Job“ war daher, ein leicht zugängliches und kostenloses Unterstützungsangebot für chronisch erkrankte Beschäftigte zu entwickeln, das dabei hilft, mögliche Folgen besser einschätzen zu können und eine Entscheidung zu treffen, die sich gut anfühlt. Entstanden ist eine Webseite, die viele hilfreiche Informationen und einen interaktiven Selbst-Test zur Verfügung stellt. Wissenschaftlerinnen vom Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation der Universität zu Köln (J. F. Bauer, V. Cha-kraverty, A. Greifenberg, M. Niehaus) haben bei der Entwicklung der Webseite nicht nur wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse genutzt, sondern auch eine Gruppe von Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen in den Prozess einbezogen, um sicherzustellen, dass das Angebot für Betroffene einen echten Mehrwert bietet. Die Entwicklung der Webseite wurde in wissenschaftlicher Unabhängigkeit finanziell unterstützt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG.

Den Kern der Webseite bildet ein interaktiver Selbst-Test. Er besteht aus einer Reihe von Fragebögen, mit denen verschiedene Aspekte der persönlichen und beruflichen Situation abgefragt werden, die wichtig für die Entscheidung sind. So wird beispielsweise danach gefragt, wie die Beziehung zu Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen ist, ob man einen Schwerbehindertenausweis hat oder welche Dinge einem im Leben besonders wichtig sind. Alle Angaben sind absolut anonym und der Schutz der Daten ist sichergestellt. Am Ende des Selbst-Tests erhält man eine individuelle Auswertung. Sie gibt einen Überblick darüber, was in der persönlichen Situation dafür und was dagegensprechen könnte, auf der Arbeit von der eigenen Erkrankung zu erzählen. Das bedeutet, dass der Selbst-Test einem die Entscheidung nicht abnimmt, sondern dabei hilft, Ordnung in das Entscheidungs-Chaos zu bringen.

Unterstützung bei der Frage, wie man auf Basis des Selbst-Tests eine für sich passende Entscheidung treffen und diese dann auch umsetzen kann, findet man unter dem Menüpunkt „Gut zu wissen“. Oft kann es helfen, die Pros und Contras, über die der Selbst-Test einen Überblick gibt, noch einmal mit einer anderen Person zu besprechen. Sowohl auf der Arbeit als auch außerhalb gibt es zahlreiche Ansprechpersonen, die bei der Entscheidungsfindung unterstützen können. Beispielsweise Schwerbehindertenvertretungen, Selbsthilfeorganisationen oder Werks- und Betriebsärztinnen und -ärzte. Die Webseite gibt einen Überblick über relevante Anlaufstellen und informiert beispielsweise auch darüber, welche Ansprechpersonen der Schweigepflicht unterliegen. Unter dem Menüpunkt „Gut zu wissen“ kann man sich außerdem zu vielen weiteren wichtigen Themen informieren und Hilfestellung erhalten.

Jana F. Bauer, Veronika Chakraverty,  Anja Greifenberg, Mathilde Niehaus