Wege zu mehr beruflicher Teilhabe

Ein Blick auf die rehapro-Projekte der Deutschen Rentenversicherung

Katarzyna Kowalska und Prof. Dr. Christina Stecker arbeiten im Dezernat „Rehabilitations-Wissenschaften“ der Deutschen Rentenversicherung Bund in der Kontaktstelle rehapro und unterstützen die Rentenversicherungsträger konzeptionell seit dem Start des Förderprogramms „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ im Jahr 2017 bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Projekte. rehapro ist ein Bundesprogramm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).

Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes wurde in § 11 SGB IX. (i. d. F. ab 1. Januar 2018) die Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation beschlossen. Neben der beruflichen soll mit dem SGB IX (§ 1) auch die soziale und gesellschaftliche Teilhabe („Inklusion“) berücksichtigt werden, wobei die Partizipation am Arbeitsmarkt diese Ziele größtenteils bereits ermöglichen soll. Zur Umsetzung des Programms stehen eine Milliarde Euro zur Verfügung. Hierin sind die Fördermittel des BMAS für innovative Modellprojekte in den Rechtskreisen des SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) und SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung) sowie alle Aufwendungen, die zur Umsetzung des Förderprogrammes und deren Evaluation dienen, enthalten.

Ziel des Bundesprogrammes ist es, durch die Erprobung von innovativen organisatorischen Maßnahmen und Leistungen neue Wege zu finden, die Erwerbsfähigkeit besser als bisher zu erhalten oder wiederherzustellen sowie den Zugang in die Erwerbsminderungsrente und die Eingliederungshilfe bzw. Sozialhilfe nachhaltig zu senken (Ahuja 2018). Mit Hilfe des Bundesprogramms rehapro können noch frühzeitigere Zugangswege und neue Formen von Präventionsleistungen der Rentenversicherung und der Jobcenter gefördert werden – in den der Eingliederungshilfe und Sozialhilfe vorrangigen Rechtskreisen. Derzeit sind die Rentenversicherungsträger mit 51 Projekten an rehapro beteiligt.

Die Deutsche Rentenversicherung folgt da bei den Grundsätzen „Prävention vor Reha – Reha vor Rente“ (§ 9 SGB VI, Absatz 1, zweiter Satz). Über Maßnahmen zur Prävention sollen Menschen mit ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen erreicht werden, um eine mittelfristige Gefährdung der ausgeübten Beschäftigung zu vermeiden. Und Rehabilitation soll Teilhabe ermöglichen, indem sie für  chronisch kranke Menschen, Menschen mit drohender Behinderung und behinderte Menschen Einschränkungen verhindert, beseitigt oder mindert (Seel 2019, S. 416). Mit der finanziellen Unterstützung durch rehapro eröffnen sich vielfältige Erprobungsräume für bislang nicht realisierbare oder nicht genutzte Ansätze zur beruflichen (Re-)Integration sowie neue und veränderte Zugangswege. Im Rahmen von rehapro kann erprobt werden, inwiefern bestimmte gedankliche Experimente und sich davon ableitende Ansätze in der Praxis ihre Wirkung zeigen. So wird beispielsweise geschaut, ob und inwiefern

  • sich durch eine Berücksichtigung des ausgeübten Berufes zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die Passgenauigkeit der Behandlung oder die Anpassung des Arbeitsplatzes (auch durch eine Weiterqualifizierung) verbessern,
  • durch den arbeitgebernahen Zugang und die Einbindung betrieblicher Akteure sich auch die Rolle des Arbeitgebers hin zum Begleiter und Unterstützer der Wiedereingliederung verändern kann,
  • der Arbeitgeber im Rahmen eines Stay-at-Work-Ansatzes als Initiator einer frühzeitigen Bedarfserkennung gelten kann,
  • ein begleitendes Fallmanagement und Teilhabe-Coaches vor und während der beruflichen Eingliederungsphase im Unternehmen im Sinne des Return-to-Work-Ansatzes den (Wieder-) Eingliederungsprozess verbessern.

Dies sind nur Beispiele, wie die Träger der Rentenversicherung den durch rehapro erhaltenen Spielraum nutzen, um neue Schwerpunkte in der Prävention und Rehabilitation zu setzen. Denn der berufliche Kontext in der Rehabilitation gewinnt zunehmend an Bedeutung. Exemplarisch kann hier auf das 30. Rehabilitationswissenschaftliche Kolloquium verwiesen werden, das 2021 unter dem Titel „Teilhabe und Arbeitswelt in besonderen Zeiten“ erstmals in einem digitalen Format durchgeführt wurde (Deutsche Rentenversicherung Bund 2021). Durch den pandemiebedingten Digitalisierungsschub wurden flexible Arbeitsformen geschaffen, die neue Herausforderungen nicht nur für die Arbeit und Gesundheit, wie auch für die berufliche Teilhabe mit sich bringen. Auch hier können die rehapro-Projekte wichtige Erkenntnisse zu den Anpassungserfordernissen liefern, da die Modellvorhaben bereits in der Durchführungsphase direkt davon betroffen waren und beispielsweise vermehrt digitale Anwendungen (Apps) angeboten haben.

Ein weiterer Aspekt, der in den rehapro-Projekten einen bedeutsamen Platz einnimmt, ist die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit bzw. die Problematik, die dadurch auftritt. Durch gezieltes Zusammenwirken auf der operativen Ebene mit den Fallmanagerinnen und -managern der Jobcenter und der Arbeitsagentur können multiple Vermittlungshemmnisse überwunden werden. Um genau diese Prozesse zu fördern und aus den erfolgreichen wie auch nicht ganz so erfolgreichen Projekten zu lernen, hat das BMAS diese beiden Rechtskreise in seine Förderung aufgenommen.

Die berufliche Teilhabe wird als wesentlicher Aspekt zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe und somit Inklusion im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) begriffen. Die Weiterentwicklung von Prävention und Rehabilitation orientiert sich daher an dem übergeordneten Ziel, allen Versicherten bestmöglich die Teilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen. Durch das Bundesprogramm rehapro haben die Träger der Deutschen Rentenversicherung die Möglichkeit, neue Wege auszutesten und die Wirksamkeit neuer Leistungen bzw. Leistungsbündel auszuprobieren. Der Erhalt und die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und damit die Stärkung der beruflichen Teilhabe stehen hierbei ganz besonders im Fokus.

www.modellvorhaben-rehapro.de
Literatur:

  • Ahuja, Vanessa (2018):
    Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“. Die Rehabilitation. Reha-Info der BAR 4/2018.
  • Deutsche Rentenversicherung Bund (2021):
    30. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung „Teilhabe und Arbeitswelt in besonderen Zeiten“, Online-Kongress, März 2021, abrufbar unter www.reha-kolloquium.de.
  • Seel, H. (2019):
    Teilhabe braucht Rehabilitation. In: ASU (Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin),  Heft 54, S. 416-421.

* DRV Bund Geschäftsbereich Prävention, Rehabilitation und Sozialmedizin, Bereich Rehabilitationswissenschaften, Kontaktstelle rehapro