Editorial Reha-Info 02/2022

Liebe Leserin und lieber Leser,

„Blut ist dicker als Wasser“, meint ein deutsches Sprichwort, wenn es um Familie und ihre Bindungen geht. Familie ist eine Instanz, die für die Sozialisation ein wichtiger Faktor ist. Sie prägt unser Leben und kann entscheidend dafür sein, ob Kinder glücklich und als Erwachsene erfolgreich sind. Umso einschneidender ist es, wenn die Abläufe in einem Familienverbund zeitweise oder sogar dauerhaft durch eine chronische Erkrankung oder eine schwere Behinderung von Mutter, Vater oder Kind bestimmt werden.

Familie hat eine Sonderstellung als wichtiger Bezugs- und Handlungsrahmen und als soziale Verantwortungs- und Solidargemeinschaft, die in der Lage ist, auch extreme Belastungsszenarien wie eine aufwendige Pflege im Krankheitsfall oder bei der Betreuung schwerbehinderter Menschen zu meistern. Aber es gibt Grenzen der Belastbarkeit und des Aushaltens, gerade in Extremzeiten, wie wir sie gerade oder immer noch mit der Corona-Pandemie erleben.

Kinder und Jugendliche sind von den pandemiebedingten Belastungen deutlich stärker betroffen. Ihre Entwicklung und Selbstpositionierung im Leben wurden durch die Veränderungen im Alltag (Lockdown, Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen) eingeschränkt. Das hat vielfältige Auswirkungen, beispielsweise auf die psychische Gesundheit, auf das Bewegungsverhalten oder die Essgewohnheiten.
Kommt noch eine chronische Erkrankung oder eine Behinderung hinzu, wird der Familienalltag schnell zur Mammutaufgabe. Die Energie der Familienmitglieder ist nicht unerschöpflich. Angespannte Lebensumstände benötigen geeignete Strategien.

Reha kann Familien entlasten und bietet oft eine dringend benötigte Auszeit für Eltern und Kinder. Reha-Maßnahmen kommen dann zum Tragen, wenn die Gesundheit eines Elternteils aufgrund der Belastungssituation gefährdet oder bereits angegriffen ist oder ein Kind schwer erkrankt ist. Reha und Familie ist ein vielfältiges Therapiekonzept, in dem Kinder von ihren Eltern, aber auch Eltern von ihren Kindern begleitet werden können. Die gemeinsame Familienzeit beginnt schon in der Reha, der Patient heißt Familie, die Bedürfnisse all ihrer Mitglieder stehen im Mittelpunkt.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Ihre Helga Seel