Reha-Notfallbehandlung im Krankenhaus bei fehlendem Reha-Platz

Orientierungssätze *

Sofern ein Krankenhaus einen Versicherten weiterbehandelt, der zwar nicht mehr stationärer Krankenbehandlung, aber ohne Behandlungsunterbrechung spezifischer stationärer
medizinischer Rehabilitation bedarf, trägt der nach §§ 14 f. SGB IX zuständige Reha-Träger die entstehenden Kosten, wenn von ihm die unmittelbar erforderliche stationäre medizinische
Reha-Leistung nicht zur Verfügung gestellt wird.

BSG, Urteil v. 19.11.2019, Az.: B 1 KR 13/19 R

* Leitsätze oder Entscheidungsgründe des Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Klägerin – Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses – behandelte einen bei der beklagten Krankenkasse Versicherten wegen einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation stationär. Einen von der Klägerin veranlassten Antrag vom 30.12.2009 auf stationäre Anschlussheilbehandlung (medizinische Rehabilitation) in einer spezifischen pulmologisch ausgerichteten Reha-Einrichtung bewilligte die beklagte Krankenkasse und informierte die Klägerin, dass der Versicherte dort ab dem 27.1.2010 aufgenommen werde. Die Klägerin entließ den Versicherten an diesem Tag – zehn Tage nach Überschreitung der oberen Grenzverweildauer – zur nahtlosen Aufnahme. Die Beklagte forderte anschließend einen Teil der bereits gezahlten Vergütung zurück, da Krankenbehandlung jedenfalls ab dem 17.1.2010 nicht mehr erforderlich gewesen sei (§ 39 Abs. 1 SGB V), und rechnete den streitigen Betrag auf. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung dieser Vergütung verurteilt; die Berufung der Beklagten beim LSG war erfolglos. Die Revision wurde vom BSG mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der klägerische Vergütungsanspruch besteht für die Erbringung stationärer Reha- Notfallbehandlung in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Dadurch wird eine unbewusste Regelungslücke im SGB V und SGB IX geschlossen. Auch bei stationärer medizinischer Reha geht es im Einzelfall um unverzichtbare Leistungen, für die im Notfall auch nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch genommen werden dürfen. Ein Notfall setzt nach dem BSG insbesondere voraus, dass der Versicherte keiner stationären Krankenhausbehandlung (mehr) bedarf, wohl aber – ggf. nach der Entscheidung des Reha-Trägers – ohne Behandlungsunterbrechung spezifischer stationärer medizinischer Reha-Leistungen mit laufender ärztlicher Betreuung. Weitere Voraussetzung ist, dass der  nach §§ 14 f. SGB IX zuständige Reha-Träger keine entsprechende Leistung zur Verfügung stellt. In einer solchen Notfallsituation müssen bei der ersatzweisen rehabilitativen  Versorgung durch ein Krankenhaus auch nicht alle Reha-Mittel verfügbar sein. Der Vergütungsanspruch beläuft sich der Höhe nach auf die Vergütung von Krankenhausleistungen;  das Krankenhaus muss sich hierbei nicht auf das zwischen Krankenkassen und Reha-Einrichtungen geltende Preisrecht verweisen lassen. Nach dem BSG ist dies auch deshalb hinnehmbar, weil die Reha-Träger dafür verantwortlich sind, durch eine stationäre Reha-Versorgungsstruktur zu vermeiden, dass aus Notfallgründen unwirtschaftliche Behandlungen  durch Krankenhäuser notwendig sind. Die Entscheidung verortet die Risiken bei der Sicherstellung einer nahtlosen Versorgung an der Schnittstelle Krankenhausbehandlung/ medizinische Rehabilitation hier klar auf Seiten des Reha-Trägers – in Erweiterung früherer Entscheidungen (vgl. u.a. BSG v. 17.11.2015, B 1 KR 20/15 R; BSG v. 25.09.2007, GS  1/06). Deutlich wird dadurch m erweiterten Kontext letztlich auch die Relevanz der Vorschriften des § 36 Abs. 1 (§ 19 Abs. 1 a. F.) SGB IX.