Unterstützte Beschäftigung

Schlüssel zur nachhaltigen Teilhabe am Arbeitsleben

Das Konzept Unterstützte Beschäftigung (UB) wurde Ende der 1970er-Jahre in den USA für Menschen mit Behinderungen und besonderem Unterstützungsbedarf entwickelt (Supported Employment) und fand seinen Weg von dort nach Europa.

Unterstützte Beschäftigung ist ein wertegeleitetes, inklusives und personenzentriertes Konzept zur Teilhabe am Arbeitsleben und orientiert sich an den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Lebensbereiche Arbeit, Wohnen und Freizeit sind ganzheitlich zu berücksichtigen (vgl. Konzept Sozialraumorientierung). UB setzt an den Stärken, Interessen und Potenzialen der Person an. Zugleich werden die Bedarfe und Anforderungen von Betrieben analysiert. Auf dieser Basis wird ein Praktikums-, Qualifizierungs- und schließlich Arbeitsplatz im Betrieb gesucht und bei Bedarf angepasst (Jobcarving).

Kerninhalte von Unterstützter Beschäftigung sind:

  • Vorbereitung durch individuelle Berufs- und Zukunftsplanung
  • Erprobung auf Praktikums- und Qualifizierungsplätzen in verschiedenen Betrieben und Akquisition eines Arbeitsplatzes (Prinzip: „erst platzieren, dann qualifizieren“)
  • Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis und Sicherung weitergehender individueller Unterstützung
  • Individuelle Passung: Eine betriebliche Eingliederung gelingt umso eher, je mehr die Fähigkeiten der Beschäftigten und die Anforderungen am Arbeitsplatz übereinstimmen
  • Jobcoaching am Arbeitsplatz zur Orientierung, Qualifizierung, Einarbei-tung und nachhaltigen Beschäftigung sowie zur sozialen Teilhabe im Betrieb durch geschulte Fachkräfte (Jobcoaches)

Ein Fachdienst bzw. ein Jobcoach oder eine Jobcoachin begleitet den Prozess in Abstimmung mit allen Beteiligten, ggf. auch Schulen, Bildungsanbietern, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) bzw. andere Leistungsanbieter nach § 60 SGB IX. Die Unterstützung im Betrieb schließt nicht aus, erforderliche (Weiter-)Bildungs- und Qualifizierungsinhalte ergänzend überbetrieblich zu vermitteln. Nach positiven Erfahrungen mit dem Konzept UB wurde die Leistung „Unterstützte Beschäftigung“ Ende 2008 gesetzlich verankert (§ 38a SGB IX – ab 2018 § 55 SGB IX). Zielgruppe sind Menschen mit Behinderungen,

  • die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben,
  • aber nicht das Angebot der WfbM benötigen
  • und einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz anstreben.

Es gilt, zwischen der Leistung nach § 55 SGB IX und dem Konzept UB zu unterscheiden. Letzteres ist umfassender und gilt auch dann, wenn ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht erreicht werden kann.

Inhalte des Konzepts UB finden sich – neben § 55 SGB IX – beispielsweise in der Berufsorientierung in Schulen, in Übergangskonzepten der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, in betrieblichen Angeboten bei anderen Leistungsanbietern § 60 SGB IX, im Konzept Budget für Arbeit und v. a. in der Aufgabenbeschreibung der Integrationsfachdienste (vgl. www.bag-ub.de).

Die BAG UB hat im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Modellprojekte zur Umsetzung der Maßnahme UB nach § 55 SGB IX durchgeführt und hierbei auch Erkenntnisse zur Nachhaltigkeit des Verbleibs in Arbeit gewonnen1. Die Nachhaltigkeitsquote2 der Arbeitsverhältnisse von Personen, die zuvor durch die individuelle berufliche Qualifizierung nach § 55 (2) SGB IX unterstützt wurden und im Anschluss durch eine Berufsbegleitung § 55 (3) SGB IX oder Arbeitsplatzsicherung § 185 SGB IX weiterbegleitet wurden, liegt für den Erhebungszeitraum 2010 bis 2016 bei 76,5 Prozent.

Dabei gilt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitsverhältnis bestehen bleibt, nimmt mit seiner Dauer zu.

Neben diesen Zahlen wurden auch qualitative Ergebnisse mittels Interviews von Beschäftigten erhoben. Darin wies eine Person mit psychischer Erkrankung ausdrücklich darauf hin, wie glücklich sie darüber sei, was sie erreicht habe – trotz einer Lebensphase, in der ihre Lage für sie persönlich aussichtslos schien:
„Für mich stand eigentlich fest, wenn andere über einen bestimmen, von wegen man kriegt einen Stempel, dann denkt man, okay, das war es. Du bist so krank, so unfähig, was auch immer, das wird halt nichts mehr. Und dann plötzlich siehst du, was in dir steckt und kannst dich einfach nochmal neu finden.“

1Kirsten Hohn und Jan Siefken: „…weil alles gut passt.“ Das Projekt „Unterstützte Beschäftigung – Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung der Teilhabe am Arbeitsleben. Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (Hrsg.) 2019
2Mit Nachhaltigkeitsquote ist hier gemeint, dass Personen nach Beendigung der individuellen beruflichen Qualifizierung (§ 55 Abs. 2 SGB IX) weiterhin in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigt sind.

Konkrete Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Fachdienste der Berufsbegleitung/Arbeitsplatzsicherung, die in den Interviews beschrieben wurden, sind beispielsweise:

  • Kriseninterventionen und die Moderation von Konfliktklärungen im Betrieb, aber auch in Einzelberatungen außerhalb des Betriebs
  • Organisation und Durchführung eines Jobcoachings, wenn ggf. auch im Verlauf des Arbeitsverhältnisses wieder ein intensiverer Unterstützungsbedarf entsteht
  • Entwicklung von Hilfsmitteln für die Bewältigung von Arbeitsaufgaben
  • Präsenz im Betrieb (Arbeitsabläufe sehen, verstehen und vermitteln; das Betriebsklima und die Betriebskultur wahrnehmen und ggf. thematisieren, Krisen frühzeitig erkennen
  • Befristung von Arbeitsplätzen im Blick behalten und rechtzeitig vor Ende der Befristung Gespräche mit den Arbeitgebern führen
  • Passgenauigkeit von Arbeitsplätzen im Blick behalten
  • Unterstützung der beruflichen Weiterentwicklung (z. B. beim Wechsel in eine Ausbildung oder in ein neues Arbeitsverhältnis)
  • Erarbeitung von Vorschlägen zur Veränderung der Arbeitsbedingungen

Fallbeispiel Unterstützte Beschäftigung in der Praxis

Herr Kanz (Name geändert) arbeitet im Hauswirtschaftsbereich eines Seniorenheims. Bereits auf der Förderschule hatte er hier ein Praktikum absolviert und es gefiel ihm gut. Trotz Erstgutachten „Werkstatt“ der Arbeitsagentur, konnte der Rehaberater schließlich überzeugt werden, dass Herr Kanz die Maßnahme Unterstützte Beschäftigung nach § 55 (2) SGB IX absolviert. Das Seniorenheim wurde so zum Qualifizierungsbetrieb, in dem er verschiedene Tätigkeiten erprobte und schließlich den Arbeitgeber überzeugte.

Der Arbeitgeber erhält einen Lohnkostenzuschuss, entscheidend sind aber nach Auskunft des Betriebes die hohe soziale Kompetenz von Herrn Kanz sowie seine Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit und letztlich seine fachliche Eignung. Der Integrationsfachdienst begleitet Herrn Kanz und den Betrieb bei Bedarf im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX).

Wichtig ist, dass Betriebe Menschen mit Behinderungen eine Chance geben, ihr Leistungsvermögen zu zeigen und zu entwickeln. Eine Beschäftigte berichtete, dass ihr Arbeitgeber wirklich interessiert war, sie einzustellen:
„Ich dachte erstmal, die wollten mich nicht nehmen oder so. Da hatte ich erst so das Gefühl gehabt. Aber dann haben die doch gesagt, die nehmen mich. Das war ein schönes Gefühl.“

Eine andere Arbeitnehmerin stellt resümierend fest:
„Also mir gefällt die Arbeit hier sehr gut. Und ich wollte hier auch arbeiten, auch langfristig. Deswegen habe ich den Arbeitsvertrag auch gerne angenommen. Und dass Frau Rump [Jobcoachin] vorbeikommt, finde ich ganz toll, weil sie mir nicht nur bei meinen Aufgaben hilft, sondern auch durch ihre Gespräche mit mir und meinen Kollegen.“