Zuständigkeitsabgrenzung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer WfbM im Anschluss an eine medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung

Orientierungssatz*

Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation“ in § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI erfordert eine Prognose dahingehend, dass der Versicherte durch die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt werden kann.

BSG, Urteil v. 26.02.2020, Az.: B 5 R 1/19 R
* Leitsätze oder Entscheidungsgründe des Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Rentenversicherung (Beklagte) gewährte ihrem Versicherten nach abgeschlossener stationärer psychiatrischer Krankenbehandlung ganztägig ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation über den Zeitraum von mehreren Monaten. Laut Entlassungsbericht war der Versicherte für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr einsatzfähig, konnte auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden arbeiten. Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist leitete die Beklagte einen bei ihr gestellten Antrag auf Teilhabeleistungen in Form einer Werkstatttätigkeit an die Bundesagentur für Arbeit (Klägerin) weiter. Diese erbrachte als zweitangegangener Reha-Träger Leistungen in einer WfbM (Eingangsbereich/Berufsbildungsbereich) und verlangte anschließend erfolglos eine Erstattung der Maßnahmekosten von der Beklagten, die sie für eigentlich zuständig hielt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem SG Erfolg; im Berufungsverfahren hat das LSG die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Rentenversicherungsträger sei nicht für die Maßnahme zuständig. Das BSG hat die Entscheidung des LSG bestätigt und die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Hierzu führt das Gericht im Wesentlichen aus: Als Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch kommt allein § 14 Abs. 4 SGB IX a. F. (heute weitgehend § 16 Abs. 1 SGB IX) in Betracht. Die Klägerin wurde durch die fristgerechte Weiterleitung des Antrags zweitangegangener Rehabilitationsträger, jedoch war die Beklagte nicht originär für die Teilhabeleistung in der WfbM zuständig. Hierfür müssten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein, wobei vorliegend allein die erleichterten Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI in Betracht kamen. Dies erfordert laut BSG eine Prognose dahingehend, dass der Versicherte durch die Leistung voraussichtlich zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befä-higt werden kann. Eine solche Prognose lag nach den Feststellungen des LSG hier nicht vor. Das vorliegende Ziel der Maßnahme, die sog. Werkstattfähigkeit, entspricht nach der Auslegung des BSG nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht etwa daraus, dass WfbM auch den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern haben (§ 136 Abs. 1 Satz 3 SGB IX a.F. bzw. § 219 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Das Gesetz unterscheide zwischen verschiedenen Rehabilitationszielen, die in einer WfbM erreicht werden können; eine allgemeine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für alle mit einer Beschäftigung in einer WfbM verfolgten Rehabilitationsziele bestehe jedoch nicht. An dieser Bewertung ändere auch nichts, dass vor Beginn des Eingangsverfahrens das mögliche Ziel einer Maßnahme nur schwer zu prognostizieren ist. Auch liege keine Diskriminierung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 UN-BRK vor.
Vorliegende BSG-Entscheidung zur Rechtslage vor 2018 präzisiert die Auslegung des Merkmals der voraussichtlich erfolgreichen Rehabilitation im Sinne des § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI und damit auch die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Trägern der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.