Neuere Rechtsprechung zu Grundfragen des § 14 SGB IX

In den fünf Jahren seit der Neufassung der §§ 14 ff. SGB IX durch das BTHG sind auch Grundfragen des § 14 SGB IX weiterhin verschiedentlich Gegenstand einer nicht in allen Details einheitlichen Rechtsprechung. Nachfolgend werden entsprechende Kernaussagen* aus der jüngeren Rechtsprechung zusammenfassend dargestellt:

Anwendungsbereich des § 14

§ 14 SGB IX gilt für Leistungen zur Teilhabe. Er gilt seiner Intention nach auch, wenn die Einordnung der beantragten Leistung unklar ist oder wenn bei einem Reha-Träger eine Leistung beantragt wird, die von einem anderen Reha-Träger als Reha-Leistung zu erbringen wäre.
LSG NRW, Beschl. v. 31.01.2022, Az.: L 12 SO 210/20; SG Augsburg, Urt. v. 07.07.2022, Az.: S 3 KR 67/21; so auch BSG, Urt. v. 29.09.2009, Az.: B 8 SO 19/08 R; einschränkend (Anwendung des § 14 SGB IX nur in Bezug auf Leistungen zur Teilhabe): Sächs. LSG, Urt. v. 21.04.2021, Az.: L 1 KR 539/17; LSG B-W, Urt. v. 25.03.2021, Az.: L 7 SO 2344/19

Bei einem nach den Umständen des Einzelfalls zu bewertenden einheitlichen Rehabilitationsgeschehen besteht die im Außenverhältnis nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit bei unverändertem Rehabilitationsbedarf fort. Ein einheitliches Reha-Geschehen kann z. B. vorliegen: bei Wechsel des Ast. Von ALG I - in Hartz IV-Bezug (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.04.2021, Az.: L 18 AL 35/31 B ER); bei Umzug des Leistungsberechtigten, selbst wenn dadurch eine in der Leistungsbewilligung vorgesehene auflösende Bedingung eintritt (BSG, Urt. v. 28.11.2019, Az.: B 8 SO 8/18 R); Fristablauf einer befristeten Leistung. (BSG, z.B. Urt. v. 28.01.2019, Az.: B 8 SO 9/19 R); Wechsel der örtlichen Zuständigkeit durch Eintritt der Volljährigkeit (BSG, Urt. v. 19.05.2022, Az.: B 8 SO 9/20 R); allerdings ggf. Zäsur bei Ende der Erziehungsbedürftigkeit (LSG NRW, Urt. v. 14.06.2021, Az.: L 9 SO 27/19; OVG NRW, Beschl. v. 09.06.2021, Az.: 12 B 636/21); differenziert zudem OVG NRW, Beschl. v. 22.10.2018, Az.: 12 B 1348/18: § 14 Abs 1 SGB IX wird auch auf einen Verlängerungsantrag angewendet, der bei einem bisher nicht leistenden Rehabilitationsträger gestellt worden ist.

Antrag

Die Antragstellung auf Teilhabeleistung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden (vgl. auch § 9 SGB X). Einen Antrag i.S.d. § 14 SGB IX kann jede Äußerung darstellen, die als Begehren auf bestimmte Teilhabeleistungen verstanden werden kann; die Auslegung erfolgt nach dem objektiven Empfängerhorizont und dem Grundsatz der Meistbegünstigung.

BSG, z.B. Urt. v. 04.04.2019, Az.: B 8 SO 12/17 R (vgl. Reha-Info 06/2019); Bay. LSG, Urt. v. 21.05.2021, Az.: L 8 SO 213/20; strenger (Unterlagen, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichen): LSG HH, Beschl. v. 03.09.2020, Az.: L 1 KR 93/20 B ER

Ein Antrag auf „Wohngeld nach dem SGB II“ kann nach Maßgabe des Meistbegünstigungsgrundsatzes auch als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu werten sein. Eine solche Antragstellung beim JobCenter löst für die BA die Frist des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX aus.
BSG, Urt. v. 04.04.2019, Az.: B 8 SO 12/17 R (vgl. Reha-Info 06/2019)

Antragsaufnahme für andere Reha-Träger

Eine Antragsaufnahme, die erkennbar für einen anderen Rehabilitationsträger erfolgt (z. B.: Antragsaufnahme bei der KV auf Formularen der DRV) setzt die Frist des § 14 nicht in Gang. Das ergibt sich auch aus der – seinerzeit geltenden – Gemeinsamen Empfehlung (GE) zur Zuständigkeitsklärung (mittlerweile: GE Reha-Prozess).
LSG NRW,  Urt. v. 24.02.2021, Az.: L 11 KR 392/17

* Aus Leitsätzen der Gerichte bzw. Orientierungssätzen nach JURIS sowie Entscheidungsgründen, redaktionell abgewandelt und gekürzt