Wenn Zahlen in die Irre führen

Gesundheitsrisiken leicht verständlich kommunizieren

Was ist eine Statistik? In leichter Sprache ausgedrückt, zeigt eine Statistik viele Zahlen in Tabellen oder Abbildungen zu einem Thema. Beispielsweise wie viele Menschen heute in Deutschland leben und wie viele vor 50 Jahren. Die statistischen Informationen sind wichtig, damit Menschen sich eine Meinung bilden und Entscheidungen treffen können. Einige der gesammelten Zahlen beziehen sich auch auf die Gesundheit der Menschen.

Viele Studien zeigen, dass sowohl Laien wie auch Experten häufig Schwierigkeiten haben, grundlegende statistische Informationen zu Gesundheitsrisiken richtig zu verstehen. Fehleinschätzungen entstehen beispielsweise dann, wenn Berechnungen als Wahrscheinlichkeiten oder Risiken kommuniziert werden, statt sie in natürlichen Häufigkeiten auszudrücken. Das lässt sich auch anhand des Themenfeldes Corona aufzeigen. So verwundert es nicht, dass bei einer repräsentativen Erhebung zu Einstellungen der deutschen Bevölkerung 30 Prozent der Befragten der Aussage voll und ganz oder eher zustimmten: „Wissenschaft und Forschung zu Corona sind so kompliziert, dass ich vieles davon nicht verstehe“ (Wissenschaftsbarometer Corona Spezial 2021).

Nehmen wir statistische Aussagen zur Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen: Was bedeutet es zum Beispiel, dass ein Corona-Impfstoff zu 90 Prozent wirksam ist? Dazu befragt, wird häufig geantwortet: „Von zehn Geimpften wird trotzdem einer krank“ oder „neun von zehn Menschen können durch die Impfung vor einer Infektion geschützt werden“. Aber: 90 Prozent wirksam heißt nicht, dass zehn Prozent (trotzdem) krank werden. Denn die angegebene Wirksamkeit bezieht sich immer auf einen Vergleich der Krankheitshäufigkeit bei Geimpften und Ungeimpften.

Bei der Impfstoff-Wirksamkeit wird die relative Verringerung des Risikos, zu erkranken, angegeben. Mit der folgenden Tabelle einer fiktiven Impfstoffstudie kann dies veranschaulicht werden. In der fiktiven Studie werden 500 Personen geimpft, 500 weitere erhalten ein Placebo. Nach einer gewissen Zeit wird gezählt, wie viele Personen in beiden Gruppen erkrankten.

 

 GesundErkranktSumme
Ungeimpft400100500
Geimpft49010500
Summe8901101000

 

In der Gruppe der Ungeimpften infizierten sich im Beispiel 100 von 500 Personen, das Risiko entspricht also 100/500 = 0,2. Um dies als Prozentzahl auszudrücken, wird der Wert mit 100 multipliziert (= 20 %). In der Gruppe der Geimpften erkrankten 10 von 500 Personen, das Risiko beträgt also 10/500 = 0,02. Um dies als Prozent-Zahl auszudrücken, wird der Wert mit hundert multipliziert (= 2 %).

Die Wirksamkeit gibt an, wie sehr die Impfung das Risiko reduziert, zu erkranken. Dafür wird das Risiko der Geimpften durch das Risiko der Ungeimpften geteilt: 2 Prozent/20 Prozent = 0,1. Um auch dies als Prozent-Zahl auszudrücken, wird der Wert mit hundert multipliziert (= 10 %).

Das heißt: Im Vergleich zu den Ungeimpften infizieren sich nur zehn Prozent der Personen. Das Risiko einer Erkrankung wurde also um 90 Prozent reduziert – die Wirksamkeit eines Impfstoffs bezieht sich auf diese relative Risikoreduktion.

Wie das Beispiel zeigt, können Statistiken dazu führen, die falschen Risiken einzugehen. In der Regel können wir es dem Adressaten leichter machen, Gesundheitsrisiken einzuschätzen, wenn wir statistische Informationen in einer bestimmten Form präsentieren (vgl. dazu Abb.1).

Gesundheitliche Risikokompetenz zu erwerben, heißt auch, die Prinzipien hinter den wissenschaftlichen Methoden und statistischen Kennwerten zu kennen und damit besser zu verstehen, was passiert.

Abbildung 1: Wie man es den Adressaten leichter macht, statistische Gesundheitsrisiken einzuschätzen

  1. Natürliche Häufigkeiten verwenden
  2. Nutzen sowie fehlenden Nutzen angeben
  3. Bezugsgrößen nennen
  4. Lebenszeitrisiko darstellen
  5. Risiko für verschiedene Altersgruppenberichten
  6. Personen ohne Ereignis (z. B. Krankheit) aufführen
  7. Vergleich zu anderen Gesundheitsrisiken herstellen
  8. Absolute Risikoreduktion darstellen
  9. Risiko von falsch-positiven und falsch-negativen Befunden

Literatur

  • Bonita, R.; Beaglehole, R. (2013): Einführung in die Epidemiologie. Verlag Hans Huber: Bern.
  • Gigerenzer, G. (2020):Unstatistik des Monats: Der Impfstoff ist zu 90 % wirksam. Pressemitteilung vom 2. Dezember 2020. Online: www.rwi-essen.de/unstatistik/109/
  • Razum, O.; Breckenkamp, J.  Brzoska, P. (2017): Epidemiologie für Dummies. Wiley-VCH; 3. ergänzte Edition.
  • www.rwi-essen.de/unstatistik