Fünf Fragen an Thomas Künneke

Bei Kellerkinder e. V. engagieren sich Menschen, die aufgrund ihrer Lebenserfahrungen seelische Hindernisse (andere nennen es psychische Erkrankung) in ihrem Leben zu bewältigen haben. Der Verein hat sich gegründet, um die Interessen dieser Menschen gegenüber der Gesellschaft zu vertreten.

Was heißt für Sie Selbstbestimmung in der Rehabilitation?

Selbstbestimmung in der Rehabilitation steht für eine Begegnung auf „Augenhöhe“. Die Grundannahme dabei ist, dass Menschen mit Behinderungen über vielfältige Erfahrungen im Umgang mit ihren Beeinträchtigungen verfügen und selbst wertvolle Beiträge zum Reha-Prozess beizusteuern haben. Diese Erfahrungen und Lösungsansätze sollten den Maßstab des Reha-Prozesses bilden. Unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts führt dieses Grundverständnis zu einem Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit zwischen Reha-Trägern und Leistungsberechtigten. Im Mittelpunkt stehen dabei partizipative Aushandlungsprozesse zwischen den Beteiligten, damit in der Reha von heute individuelle Unterstützungsleistungen bereitgestellt werden.

Wie werde ich selbst zum „mündigen“ und selbstbestimmten Leistungsberechtigten?

Fürsorge steht für Fremdbestimmung und widerspricht einem zeitgemäßen Verständnis des Reha-Prozesses. Die Wiedergewinnung von Selbstermächtigung, Selbstbefähigung und schließlich Selbstverantwortung steht für Selbstbestimmung und somit für mündige Bürger*innen, die Teil einer vielfältigen Gesellschaft sind. Die Vielfalt beschreibt die Entstigmatisierung des „Andersseins“. Dieser Prozess ist der Maßstab und das Ziel von Reha. An diesem gesellschaftlichen Prozess müssen sich die Reha-Träger im Kontakt mit den Leistungsberechtigten und Leistungserbringern beteiligen. Nur so können Forderungen, die die UN-BRK zur „Bewusstseinsbildung“ an die Vertragsstaaten stellt, im Reha-Prozess angegangen werden. Bei der Ausgestaltung kann sich der Vertragstext als fruchtbare Quelle erweisen.

Was ist zu tun, um die Selbstbestimmungsrechte der Leistungsberechtigten im Reha-Prozess weiter zu verbessern?

Mitarbeiter*innen der Reha-Träger müssen für die Herausforderung, den Ansprüchen der UN-BRK und den daraus resultierenden Veränderungen in den Sozialgesetzbüchern zu entsprechen, qualifiziert werden. Die Auseinandersetzung bezieht sich bis heute vorrangig auf die finanziellen und verwaltungstechnischen Aspekte der Gesetzesänderung. Gleichwohl müssen die Mitarbeiter*innen bei den Reha-Trägern aber auch auf eine veränderte inhaltliche Arbeit vorbereitet werden. Hierfür sind Fortbildungsangebote vorzuhalten, die menschrechtliche Inhalte im Sinne der UN-BRK vermitteln. Um wirkliche Partizipation auf Seiten der Leistungsberechtigten zu garantieren, benötigen auch diese Unterstützung bei der Aneignung von Wissen über ihre Rechte und dem neuen Verständnis von Beeinträchtigung, Behinderung und Rehabilitation. Hierzu müssen Angebote, die zum Empowerment der Leistungsberechtigten beitragen, zur Verfügung gestellt werden. Mit anderen Worten: Bewusstseinsbildung muss auf beiden Seiten erfolgen. Nur gut informierte Leistungsberechtigte können ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen. Die Leistungsberechtigten benötigen einen barrierefreien Zugang zu den Angeboten der Reha-Träger. Diese Grundvoraussetzung UNBRK-konformer Rehabilitation beinhaltet bauliche Maßnahmen, leichte Sprache, Leitsysteme und Kommunikationsunterstützung sowie qualifizierte Mitarbeiter*innen, die spezielle Unterstützungsbedarfe in der Begegnung mit dem Leistungsberechtigten erkennen und bereitstellen. Hierzu gehört weiterhin auch ein sensibler Umgang mit vorhandenen Diskriminierungserfahrungen, die Einbeziehung von Vertrauenspersonen und die Bereitstellung von Angeboten der unterstützten Entscheidungsfindung bzw. die Vermittlung in solche. Ein guter Reha-Prozess braucht Zeit zur Vorbereitung.

Welche Rolle kann die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) in diesem Zusammenhang spielen?

Die EUTB stellt im Prozess der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Ratsuchenden einen wertvollen Kooperationspartner dar. Die Angebote im Bereich der Stärkung der Selbstbestimmung durch die EUTB umfassen im Besonderen die beschrieben Themen, wie Bewusstseinsbildung, Empowerment, unterstützte Entscheidungsfindung und individuelle Bedarfsermittlung.

Wie können Peers und Peer-Beratung Leistungsberechtigte bei der Selbstbestimmung unterstützen?

Die erfolgreiche Umsetzung dieser Angebote wird durch das Prinzip „Betroffene beraten Betroffene“ (Peer Counceling) gestärkt. Menschen mit eigenen (Diskriminierungs-) Erfahrungen im Umgang mit ihrer Beeinträchtigung (oder der eines*r Angehörigen) stehen für Verständnis, Perspektive (als Vorbild) und Akzeptanz des „Andersseins“. Diese Beratungsform ermöglicht einen erleichternden und empowernden Zugang zu Bedarfen und zu einer erfolgreichen Reha.