Versorgungs- und Entlassmanagement – Behandlungsnotwendigkeit und Vergütungsfragen

Orientierungssätze*
■ Die Regelungen des Versorgungs- und Entlassmanagements erweitern den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung lediglich um die im Management liegende Dienstleistung.
■ Versicherte können aufgrund ihres Anspruchs auf Versorgungs- und Entlassmanagement keine medizinisch nicht erforderliche stationäre Behandlung beanspruchen.
■ Die medizinische Erforderlichkeit richtet sich insoweit allein danach, ob für eine Behandlung gerade die besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich sind. Unerheblich ist, ob eine außerhalb der Verantwortung der gesetzlichen Krankenversicherung liegende Anschlussversorgung sichergestellt ist.
BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 20/15 R

Umstritten war der Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen die gesetzliche Krankenversicherung eines alkoholkranken Patienten. Dieser war wiederholt akutstationär behandlungsbedürftig und dauerhaft nicht in der Lage, ohne Aufsicht alkoholabstinent zu bleiben. Das Krankenhaus hatte ihn wiederholt notfallmäßig aufgenommen und sich entsprechend seiner Verpflichtung zu einem Versorgungs- bzw. Entlassmanagement (§ 11 Abs. 4 bzw. § 39 Abs. 1a SGB V) jeweils erfolglos um eine Anschlussversorgung bemüht. Eine laut eigenem Bekunden aus medizinischer Sicht zur Rückfallvermeidung erforderliche Einrichtung für stationäres Wohnen von Suchtkranken war nicht verfügbar. Deshalb setzte das Krankenhaus die Behandlung auch in 2 Zeiträumen fort, in denen akut stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestand. Der Träger des Krankenhauses verlangte unter Hinweis auf das Versorgungs- / Entlassmanagement für diese Zeiträume Vergütung von der Krankenkasse nach § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V iVm der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten.
Nach Klageabweisung durch das Sozialgericht blieb auch die Revision erfolglos.
Das Bundessozialgericht hebt in seiner Begründung vor allem darauf ab, dass in den streitgegenständlichen Zeiträumen akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht bestanden habe, die Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses ist. Sie bestehe nur dann, wenn zur Behandlung die besonderen Mittel eines Krankenhauses notwendig seien. Ausführlich setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob die o. g. Ansprüche auf Versorgungs- und Entlassmanagement den Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung erweitern können, wenn eine  Anschlussversorgung nicht gewährleistet werden kann. Dem erteilt das Gericht eine klare Absage. Die Ansprüche des Versicherten richteten sich lediglich auf die im Versorgungs- und Entlassmanagement liegende Dienstleistung.

Die Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, Schnittstellenprobleme zu mindern und Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben. Nicht beabsichtigt und mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V auch nicht vereinbar sei es, wenn Krankenkassen in die  Verantwortung für nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegende Sozialleistungen genommen und andere dafür eigentlich zuständige Sozialleistungsträger entlastet würden. Sinngemäß ordnet das Gericht die im konkreten Fall erforderlichen Anschlussleistungen als „Eingliederungsleistungen“
bzw. „Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft“ nach dem SGB XII ein, auch wenn sie durch ambulante ärztliche Behandlung ergänzt werden müssten. Das ist mit Blick auf das SGB V konsequent. Sie wirft allerdings bei personenzentrierter Sichtweise und wegen § 27 SGB IX (§ 43 SGB IX-neu) gerade für viele abhängigkeitserkrankte Patienten die Frage des in der Praxis bestmöglichen Vorgehens auf, wenn es zwar nicht (mehr) der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedarf, eine (medizinisch) zur Rückfallprävention erforderliche Anschlussversorgung aber nicht sichergestellt ist. Das Gericht deutet insoweit Ansprüche des Krankenhauses gegen Patienten oder andere Sozialleistungsträger an. In der Praxis wären diese und auch weitere Möglichkeiten zu prüfen. Dabei sind u. a. - nicht zuletzt angesichts der auch in den Entscheidungsgründen ausdrücklich hergestellten Nähe zu Leistungen zur Teilhabe - Lösungen unter Rückgriff auf rehabilitationsrechtliche Vorschriften denkbar. Die Klarstellung, dass sich das Versorgungs- bzw. Entlassmanagement in der zielgerichteten Dienstleistung erschöpft, ist wegen § 40 Abs. 2 S. 4 SGB V jedenfalls auch für medizinische Rehabilitationseinrichtungen interessant.