Erwerbsarbeit und Einkommen

Arbeit ist neben der Familie der wichtigste Bereich sozialer Identifikation. Verschiedene Studien zeigen, dass die Lebenszufriedenheit nicht unerheblich mit dem Faktor Arbeit verbunden ist. Das Glück könnte man sagen hängt an der Arbeit, genauer gesagt an der Erwerbsarbeit. Denn wer arbeiten geht, hat eine Aufgabe, verdient sein eigenes Geld, bekommt soziale Anerkennung von Freunden, Bekannten und auf dem Grillfest beim Nachbarn. Nicht ohne Grund widmen die Parteien im Wahljahr 2017 dem Thema Erwerbsarbeit in ihren Wahlprogrammen große Aufmerksamkeit. Das „Glück des Tüchtigen“ ist das sprichwörtliche Ideal der bürgerlichen Erwerbsgesellschaft. Die gesellschaftspolitische Relevanz des Themas lässt sich zudem leicht an einigen Zahlen aus dem Teilhabebericht festmachen. Im Jahr 2013 lag der Anteil von Menschen mit Beeinträchtigungen an der Gesamtbevölkerung bei 15,8 %. Dabei unterscheidet sich die Beschäftigungsquote von Menschen mit Schwerbehinderung in Teilen erheblich. Im verarbeitenden Gewerbe und im öffentlichen Dienst sind mit Abstand am meisten Menschen mit Schwerbehinderung tätig. In beanspruchenden Branchen, wie dem Gastgewerbe oder in der Land- und Forstwirtschaft am wenigsten (Statistik der Bundesagentur für Arbeit).

Insgesamt arbeiten Menschen mit Behinderungen im Schnitt häufiger in Teilzeit, erhalten geringere Stundenlöhne und sind häufiger unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt als vergleichbare Erwerbstätige. Zudem liegt die Arbeitslosenquote bei schwerbehinderten Menschen mit 13,4 % erheblich über der allgemeinen Arbeitslosenquote von 5,8 % (2016) und ihre Arbeitslosigkeit dauert mit durchschnittlich 85 Wochen deutlich länger als bei nicht beeinträchtigten Menschen (69 Wochen).
Das hat Folgen. So lassen sich bei individuellen Einschränkungen der beruflichen Teilhabe häufig psychische und somatische Belastungen, familiäre Probleme und soziale Rückzugstendenzen beobachten. Das Fehlen von Erwerbstätigkeit geht meistens auch mit einer prekären finanziellen Situation einher. Geringes Einkommen schränkt soziale Handlungsspielräume ein und verstärkt das Risiko von Ausgrenzung und fehlender Anerkennung für den einzelnen Menschen mit Behinderung. Wirtschaftliche Sorgen bis zur Armutsgefährdung bestimmen die Zufriedenheit und beeinflussen andere Lebenslagen, wie die alltägliche Lebensführung oder die Gesundheit. Auch die objektive und subjektiv empfundene Höhe des Einkommens und Vermögens beeinflusst maßgeblich die individuelle Teilhabe. Die materielle Situation kann sich fördernd und hemmend auf diese allgemeine Lebensführung und individuelle Teilhabe auswirken. Dazu gehören neben Erwerbseinkommen, Entgeltersatzleistungen (z. B. Sozialleistungen) auch weitere Einkommensquellen (z. B. Mieteinkünfte) oder Geldvermögen und weiteres Eigentum (z. B. Haus).
Arbeit hat also grundlegende Auswirkungen auf die Lebenslage und die Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Sie aktiviert die Persönlichkeitsentwicklung, ermöglicht die Aufnahme von sozialen Beziehungen und die Teilnahme an gesellschaftlichen Anlässen. Sie bietet eine Tagesstruktur, oft ein sicheres Auskommen und somit eine gewisse Stabilität. Grundsätzlich ist die Teilhabe an Erwerbsarbeit abhängig vom Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, von der Anpassung an sich wandelnde Anforderungen der Arbeitswelt. Beschäftigungsfähigkeit definiert sich über persönliche, soziale und methodische Kompetenzen. Aber auch die Arbeitgeber sind gut beraten, ihren Teil zu leisten. Das Vorhandensein einer barrierefreien Arbeitsumgebung ist nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigung von großer Bedeutung, sondern für alle Arbeitnehmer und für die Unternehmen, die auf Fachkräfte angewiesen sind. Denn Teilhabechancen hängen auch von der Einstellung des Arbeitgebers und einer barrierefreien Gestaltung der Arbeitsumgebung ab. Trotz einer derzeit günstigen Arbeitsmarktlage mit rückläufiger Arbeitslosigkeit, partizipieren Menschen mit  Beeinträchtigungen nur eingeschränkt von dieser Entwicklung. Die meisten Übergänge von Menschen mit Schwerbehinderungen erfolgen in Zeitarbeit oder einfache Dienstleistungsberufe. In verhältnismäßig gut bezahlten Branchen, wie Wirtschaft und Versicherungen, finden dagegen wenige Übergänge statt. Viele Menschen mit Behinderung sind beim erneuten Berufseinstieg zudem auf Leistungen zur Integration angewiesen. Um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, ist es notwendig, dass bei einer Einstellung Transparenz über wichtige Hilfen und  Unterstützungsleistungen vorliegt, die sich sowohl auf die Person als auch auf das Unternehmen beziehen können.
Die Arbeitslosenstatistik ist allgemein ein Indikator für eine noch nicht gleichberechtigte Teilhabe an Erwerbstätigkeit und damit für die materielle Lebenssituation. Sie zeigt: Menschen mit Behinderungen sind immer noch weitgehend abgehängt. Ein weiterer Indikator ist der durchschnittliche Nettoverdienst. Auch hier gibt es ein erhebliches Gefälle. In vergleichbaren Lebenslagen sind die verfügbaren Einkommen von Menschen mit Beeinträchtigungen niedriger als die von Menschen ohne Beeinträchtigungen.
Diese Diskrepanzen in den materiellen Lebensumständen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Lebenslagen behinderter Menschen. Erwerbsarbeit und Einkommen, Vermögen und Vermögensbildung, Menschen mit Beeinträchtigungen haben hier durchweg das Nachsehen. Nicht nur aus diesem Grund wurden vermehrt politische Schritte unternommen, um die Eingliederung von Menschen mit Behinderung auszubauen und stärker in den Fokus politischer Gestaltung zu rücken. Im Juni 2017 vereinbarten beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) eine verstärkte Zusammenarbeit für einen inklusiven Arbeitsmarkt. Ziel ist, die Chancen der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wirksam zu verbessern. BA und BIH wollen möglichen Einstellungsvorbehalten von Arbeitgebern entgegenwirken, indem sie ihre jeweiligen Leistungen für Menschen mit Behinderungen und Arbeitgeber enger verzahnen und verstärken. Zu den wichtigsten Handlungsfeldern der Zusammenarbeit gehören Übergang Schule und Beruf, unterstützende und begleitende Leistungen für Ausbildung und Beschäftigung sowie die Beschäftigungssicherung.
Solche und ähnliche Kooperationen sind notwendig, um den Weg für einen inklusiven Arbeitsmarkt und mehr selbstbestimmte Lebensführung zu bereiten.