"Smart Reha" Chancen und Herausforderungen

Zunehmend werden in der Rehabilitation digitale Unterstützungsformen eingesetzt:  Querschnittsgelähmte trainieren an Exoskeletten (Ausweitung auf andere Diagnosen wie Schlaganfall ist in Umsetzung), Aphasiker üben mit Sprachrobotern oderDemenzpatienten trainieren in der  gerontologischen Reha ihre Alltagskompetenzen mit Anwendungen wie der Therapeutisch Aktivierten Pflege (TAP). Erste Nutzerstudien zeigen teils erstaunliche Trainingserfolge, indem herkömmliche Behandlungsmusterin der Wirkung deutlich übertroffen werden (z.B. bessere Gangfähigkeit bei inkompletten Querschnitten), oder dass die maximal möglichen Rehaziele schneller und von einem größeren Teil der Patienten erreicht werden.
Also schöne neue Welt? Aus Betroffenensicht nicht unbedingt. Hier wecken die neuen Perspektiven durch die digitale Rehatechnik große Hoffnungen, gleichzeitig zeichnen sich die Herausforderungen an das Reha-System in seiner aktuellen Form ab. So bestehen beispielweise noch große Einschränkungen bei den Nutzern (Beispiel Exoskelett: geht bisher nur für Menschen mit einer bestimmten Größe, deren Lähmungsgrad nicht zu hoch ist, etc.), die sich hoffentlich in den kommenden Jahren mit dem rasanten technischen Fortschritt und der Nachfragedynamik deutlich verringern werden. Dabei müssen Patienten und Behandler lernen, die neuen digitalen Behandlungshelfer nicht als entmenschlichten Ersatz- Therapeuten bzw. als Konkurrenz zu sehen, sondern als sinnvolle Ergänzung. Denn es ist weder für den Patienten noch für den Behandler leicht, darauf zu vertrauen, dass beispielsweise das Training nach einer Knie-TEP mit Sensoren am Körper und App-überwacht zu besseren und nachhaltigeren Erfolgen führen könnte. Hierfür wird man viel mehr evidenzbasierte Nutzennachweise (mit teils noch zu erarbeitender Methodik) und eine sonstige breitere Datenbasis brauchen. Zudem wird man bei den Bevölkerungsanteilen, die nicht als „Digital Natives“ aufgewachsen sind, Akzeptanz- und  Schulungsprozesse in Gang setzen müssen. Dabei wäre es sinnvoll, von Anfang an  Betroffene(nverbände) als Partner einzubeziehen.
Wünschenswert ist, dass sich ein neues Rollenverständnis der Behandler entwickelt, hin zum Koordinator und Motivationscoach, was auch einhergeht mit einer noch aktiveren Rolle des Patienten. Denn die neue digitale Reha-Technik ist kein Ersatz für die Mitwirkung des Rehabilitanden – im Gegenteil. Sie fördert und fordert noch gezielter jeden einzelnen, bzw. stellt wie bei den Exoskeletten von Anfang an relativ hohe physische und auch psychische Anforderungen. Dies wird nicht jeder Rehabilitand leisten können und wollen, d.h. die Smart Reha generiert eine neue Klasse von „Verlierern“, wenn nicht gleichzeitig ein differenziertes Verständnis von Reha-Zielen implementiert wird.
Wir brauchen außerdem einen Diskurs zwischen Patienten, Behandlern, Wissenschaft und Leistungsträgern, an welcher Stelle digitale Reha-Technik sinnvoll und sogar besser ist als die bisherigen „menschlichen“ oder rein mechanischen Komponenten – und wer unter welchen Bedingungen davon profitieren soll. Beispielsweise ist aus Betroffenensicht ein armkraftverstärkender Fütterungsroboter sinnvoll, wenn ein Schlaganfallpatient wieder eigenständig essen lernen will. Aber einen Speisesaal damit auszustatten, weil es schneller geht und Kosten spart, wäre die gänzlich falsche Motivation. Digitale Sprach- und Bewegungstrainer wie roreas können mit der Akzeptanz der Betroffenen im Ergebnis wieder zu mehr Selbstständigkeit, Kommunikationsfähigkeit und reeller Teilhabe führen, wären aber als Ersatz für den Einsatz eines sich ergänzenden multidisziplinären Reha-Teams eine beklemmende Zukunftsperspektive. Oft sind die digitalen Rehahelfer mit nicht unbeträchtlichen Kosten verbunden, und es stellt sich mit Blick auf die Leistungsbereitschaft der Kostenträger die Frage der Zugangsgerechtigkeit. Diese ist, zu beobachten am Beispiel Exoskelett oder auch der Versorgung mit digitalen Knieprothesen, sehr ungleich verteilt und allzu häufig nur auf Erwerbsfähigkeit und jüngeres Alter ausgerichtet. Das Bundesteilhabegesetz wird nach dem jetzigen Stand diese Situation eher nicht verbessern.
Eine weitere große Herausforderung ist die Vernetzung der digitalen Komponenten. Bisher sind die vorgestellten Beispiele Einzellösungen. Konsequent weitergedacht, hätte die digitale Technik vor allem in einem digital vernetzen System „Reha 4.0“ das Potenzial, einen personenzentrierten Reha-
Ansatz konsequenter als bisher zu realisieren.
Wie könnte man sich aus der Patientenperspektive eine solche „Smart Reha“ wünschen? Alle Reha-Akteure, der Rehabilitand und das Umfeld sind digital miteinander vernetzt, eine personalisierte Reha-App steuert den gesamten Prozess von Prävention, Antrag, Reha und Nachsorge mit.  Koordinierend wirkt ein externer, virtueller Reha-Lotse, der in wesentlichen Anteilen menschlich moderiert und gesteuert wird.