Partnervermittlung für Menschen mit Behinderungen

Jeder Mensch hat Alltagsbedürfnisse – Freundschaft, Liebe und Zuneigung zählen zu den wichtigsten. Egal ob Freundschaft oder Partnerschaft. Die Schatzkiste unterstützt Menschen mit Behinderungen dabei, ihren alltäglichen Bedürfnissen und Wünschen ein Stück näher zu kommen.

Otto L. und Rita C. haben sich 2012 in der Kölner Schatzkiste kennengelernt. Wenn Rita von ihrem Partner Otto spricht ist sie voll des Lobes. „Otto ist nicht nur lieb und nett, sondern auch sehr hilfsbereit“. Solche Komplimente kann Otto nur erwidern. „Bei uns hat es gar nicht so lange gedauert, bis es so richtig funkte“. Wir hatten schnell einen guten Draht zueinander“, so Otto. Schon zwei Wochen nach dem ersten Kennenlernen sind die beiden miteinander ausgegangen. „Wir haben auch schon Urlaub miteinander gemacht, in einem Bungalowpark. Da haben wir so richtig entspannen können“, freut sich Freundin Rita.
Rita und Otto gehören zur Kundschaft der Schatzkiste, einer Partnervermittlung, die sich auf Menschen mit Behinderungen spezialisiert hat. Männer und Frauen mit Beeinträchtigungen, die auf der Suche nach einer festen Beziehung oder einem freundschaftlichen Kontakt sind, wenden sich an einen der regionalen Ableger der Vermittlungsagentur. Mittlerweile gibt es über 40 regionale Schatzkisten in Deutschland, der Schweiz und in Österreich, die unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins „Die Schatzkiste e.V.“ ihre Dienste anbieten. Der Verein unterstützt Organisationen der Behindertenhilfe bei der Gründung von Schatzkisten vor Ort und bietet eine Plattform zum Austausch.

Die erste Partnervermittlungsagentur wurde 1998 in Hamburg von dem Diplom-Psychologen Bernd Zemella als Projekt der evangelischen Stiftung Alsterdorf gegründet.
Er traf in seiner Lebensberatung für Menschen mit Behinderungen immer wieder auf das Thema „unerfüllter Partnerwunsch“. Der Wunsch nach einer festen Beziehung und gelebter Sexualität waren damals noch ein Randthema, das sich erst langsam aus der Tabuzone entwickelte. Das brachte ihn auf die Idee, eine Kontaktvermittlung schwerpunktmäßig für Menschen mit Beeinträchtigungen ins Leben zu rufen. Der Zulauf war von Anfang an enorm und es zeigt sich bis heute, dass hier eine Idee auf den Weg gebracht wurde, die dem Wunsch nach einem Leben in Eigenverantwortung und Selbstbestimmung Rechnung trägt. Angesiedelt sind die deutschen Agenturen hauptsächlich im Westen und der Mitte des Landes. Einige gibt es im Norden und Osten. „Der Süden Deutschlands ist leider noch weitestgehend unerschlossen“, sagt Astrid Möllenkamp, die aktuelle Vorsitzende des Vereins. „Da würden wir uns über Anfragen von Einrichtungen der Behindertenhilfe freuen.“

Das Konzept der Schatzkiste ist schnell erklärt: „Wir möchten Menschen in ihrem Wunsch nach Freundschaft und gelebter Partnerschaft unterstützen“, so Astrid Möllenkamp. Die Anmeldung und Aufnahme in die Datenbank der Schatzkiste erfolgt im Rahmen eines persönlichen Gesprächs in der Agentur vor Ort. Ein solches Gespräch dauert etwa eine Stunde und hilft den Vermittlerinnen und Vermittlern, einen persönlichen Eindruck von dem einzelnen Menschen zugewinnen. Für jeden Interessierten wird dann eine digitale Karteikarte angelegt. „Es ist wichtig, dass wir im persönlichen Gespräch jeden Menschen kennen lernen“, erläutert Jacqueline Andrée, die 2. Vorsitzende des Vereins, „denn nur so können wir eine seriöse Vermittlung gewährleisten.“ Die Aufnahme in die Schatzkistenkartei ist in den meisten Fällen kostenlos.

Das „Herzstück“ der Vermittlungsarbeit ist die internetgestützte Datenbank, auf die alle regionalen Schatzkisten Zugriff haben. Hier können die Vermittler und Vermittlerinnen nach einem passenden Gegenüber schauen. Sollte sich da direkt eine Übereinstimmung finden, werden die Interessenten angeschrieben und sich gegenseitig in einer Art Steckbrief vorgestellt. Beide haben so die Gelegenheit den Vorschlag auf sich wirken zu lassen.
Möchten sie sich persönlich kennenlernen, kommt es zu einem ersten Treffen in den Räumen der Schatzkiste. Hier begleitet der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin das erste Kennenlernen so weit wie nötig. Meistens kristallisiert sich recht schnell heraus, ob die „Chemie“ stimmt. „Jedes Mal wieder, ist das auch für mich sehr aufregend“, erzählt Jacqueline Andrée, „aber das größere Herzrasen haben meistens die beiden, die sich zum ersten Mal persönlich treffen.“

Diese ersten Begegnungen sind unverbindlich und verpflichten zu nichts, führen aber manchmal auch schon zur nächsten Verabredung. Hier sind dann gerade die weniger Selbständigen auf Unterstützung aus ihrem Umfeld angewiesen. Damit ein Kontakt zu einer Freundschaft werden kann, müssen kleine bis größere Hürden überwunden werden. Das Vereinbaren von Terminen kann schon eine große Hürde sein. „Unsere Kunden sind ja zum Teil in ihrer Mobilität eingeschränkt“, so Astrid Möllenkamp, “da kann es gerade im ländlichen Raum, ohne ein ausgedehntes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig werden, sich gegenseitig zu besuchen.“ Dennoch verhilft die Arbeit und das Engagement der Vermittler und Vermittlerinnen der Schatzkisten immer wieder Menschen dazu, einen Partner oder eine Partnerin zu finden – einige haben inzwischen sogar den Bund fürs Leben geschlossen.
Aber nicht nur für die große Liebe fühlt sich die Schatzkiste zuständig, auch Menschen, die nach Freizeitkontakten oder Freundschaften suchen, sind hier richtig. „Es geht uns in erster Linie darum, Menschen mit Handicap darin zu unterstützen ihre sozialen Kontakte zu erweitern“, meint Jacqueline Andrée. Zwar zeige die Erfahrung aus jahrelanger Vermittlungstätigkeit, dass der Wunsch nach gelebter Sexualität Raum einnimmt, „aber viel wichtiger ist immer noch, jemanden an seiner Seite zu haben, sich nicht mehr allein zu sehen, sondern als Paar auftreten zu können.“
Ein Wunsch, den viele Menschen haben, ob mit Beeinträchtigungen oder ohne. Als Erwachsener eine Familie zu gründen, ist für Menschen mit Beeinträchtigungen Thema, aber eben auch unter dem Gesichtspunkt, dass es der wahrgenommenen Lebensnorm entspricht. Geht man hier intensiver ins Gespräch zeigt sich, dass die Verantwortung und der Stress, den Familienleben und Kinder bedeuten, für viele Menschen mit Beeinträchtigungen dann doch eher gegen dieses Lebensziel sprechen und sie eine realistische Haltung entwickeln können. Für die Arbeit der Schatzkisten bedeutet das, sich auch der Beratung zu widmen. Sexuelle Aufklärung, eigene Grenzen setzen, Leben und Auseinandersetzung als Paar, all das sind Themen, die in der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigungen aufkommen. Aus diesem Grund bieten einzelne regionale Schatzkisten auch Seminare und Beratungsangebote für ihre Kundinnen und Kunden an. Hier gibt es vor Ort eine zunehmend gute Vernetzung, denn der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in der Kontaktvermittlung. Rita und Otto aus Köln überlegen inzwischen, nach 5-jähriger Beziehung, den nächsten Schritt zu wagen. Sie suchen nach einer gemeinsamen Wohnung.
Über das Internet kann man sich erkundigen, wo sich die nächste Schatzkiste befindet. Unter www.schatzkiste-partnervermittlung.eu sind alle Schatzkisten in den Regionen aufgelistet.