Medizinische Rehabilitation

Wunsch- und Wahlrecht

 Orientierungssätze[1]

1. Krankenversicherte haben bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 S. 1 SGB V einen Anspruch auf eine stationäre medizinische Rehabilitationsleistung in einer nach pflichtgemäßem Ermessen der Krankenkasse ausgewählten Vertragseinrichtung.

2. Das Auswahlermessen der Krankenkassen richtet sich vorrangig nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Erst nachrangig wird das Wunsch- und Wahlrecht berücksichtigt.

3. Versicherte haben nicht die Möglichkeit, gegen Mehrkostenbeteiligung kostenaufwändigere Vertragseinrichtungen zu wählen. Diese Wahlmöglichkeit besteht nur bezüglich vertragsloser Einrichtungen.

BSG, Urteile vom 7.5.2013, Az.: B 1 KR 12/12 R und B 1 KR 53/12 R

 Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Klägerinnen beantragten jeweils die Bewilligung einer Rehabilitation in einer bestimmten Klinik, mit der ein Versorgungsvertrag bestand. Der MDK bejahte die sozialmedizinische Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation, die Krankenkasse bewilligte daraufhin eine Leistung in einer jeweils deutlich günstigeren, medizinisch im Ergebnis gleich geeigneten Klinik. Die dagegen gerichteten Klagen blieben auch letztinstanzlich erfolglos.

Entscheidend ist der vom BSG postulierte generelle Vorrang des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V vor dem Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX im Rahmen des Auswahlermessens der Krankenkassen. Dieser Vorrang wird insbesondere mit § 7 SGB IX begründet. § 40 Abs. 2 S. 2 SGB V, der die Wahl einer vertragslosen Einrichtung gegen Mehrkostenerstattung ermöglicht, ist dem BSG zufolge eine gesetzlich geregelte Ausnahme, die gerade nicht für Vertragseinrichtungen gelten soll. Bisher gingen allerdings sogar einige Leistungsträger eher von einer entsprechenden Anwendbarkeit aus. Nach den weiteren Ausführungen des BSG verstößt die mit diesem Ergebnis verbundene Einschränkung der Wahlrechte auch nicht gegen Art. 3 GG. Denn damit wird nicht zuletzt die Vorhaltung eines verfügbaren Systems von stationären Einrichtungen gesichert, die auch der Erhaltung der Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit zugunsten einer Auslastung der verfügbaren Vertragseinrichtungen dient. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang u.a. auf die Änderung der Rechtslage im Jahr 2007 hin. Seinerzeit waren die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Steuerung des Reha-Geschehens eingeschränkt worden, indem Rehabilitation als Pflichtleistung verankert wurde.

Das Urteil verdeutlicht beispielhaft juristische Herausforderungen und Wertungsfragen bei Verankerung der übergreifenden Normen des SGB IX in der konkreten Versorgungsrealität.


[1] (hier: Leitsätze des Gerichts, redaktionell abgewandelt)