Ethik und Rehabilitation – Workshop der BAR

Seit langem gibt es eine zum Teil sehr lebendig geführte öffentliche Diskussion um die Begriffe „Rationierung“ und „Priorisierung“ im Gesundheitswesen, deren Realisierung  angeblich aus ökonomischen Zwängen schon jetzt notwendig sei oder bald zu erwarten ist. Daher beschäftigt sich auch der Sachverständigenrat der Ärzteschaft der BAR mit diesem Themenfeld und den möglichen Auswirkungen auf den Bereich der Rehabilitation und Teilhabe. Insbesondere die öffentliche Priorisierungsdebatte und ihre Auswirkung werden von den Mitgliedern des Sachverständigenrates der Ärzteschaft der BAR kontinuierlich fachlich verfolgt, um sich frühzeitig positionieren zu können.

Bedeutsam ist in diesem Kontext, die verschiedenen thematischen Aspekte wie „Kultur“ und Verständnis von „Gerechtigkeit“ und „offene Gesellschaft“ aber auch rechtliche Fragen konkreter hervorzuheben und zu berücksichten. Zur Sicherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und Verbesserung der Qualität von Leistungen kann auch die Rehabilitation selbst betroffen sein.

Der Anspruch auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung – als Ziel aller Rehabilitation –, berührt dabei wesentlich ethische Aspekte, denen sich der Sachverständigenrat in einem Workshop widmete.

Die Veranstaltung fand unter dem Titel „Ethik und Rehabilitation“ am 16. und 17. Oktober 2012 in Kassel statt. Dazu konnten ausgewiesene Expertinnen und Experten zu spezifischen Themen für Vortrag und Diskussion gewonnen werden.

In ihrem grundlegenden Einführungsreferat zum Thema Ethik stellte Prof. Dr. Christiane Woopen (Universität Köln und Deutscher Ethikrat) Zugänge zur ethischen Bewertung, begriffliche Differenzierungen zwischen Moral, Ethos und Ethik sowie den Gegenstand der Ethik vor. Zudem beschäftigte sie sich mit philosophischen Fragestellungen, den Zielen der Ethik, den Abgrenzungen zu benachbarten Disziplinen, der Bedeutung und den Begründungen normativer Sätze.

Im Anschluss setzte sich Prof. Dr. Johannes Eurich (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) mit der „Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderungen“ auseinander, wobei ausgehend vom normativen Zugang über Menschenrechte und Menschenwürde Fragen der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sowie der Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung im Rahmen von gesellschaftlicher Gerechtigkeitsdiskurse im Zentrum des Vortrags standen. Neben ethischen Reflexionen, erläuterte Prof. Eurich auch sozialpolitische Perspektiven.

 Prof. Dr. Andreas Zieger (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) stellte unter dem Thema  „Teilhabegebot als ethischer Imperativ: Integration, Inklusion, Partizipation“ Fragen der Teilhabe ins Zentrum seiner Betrachtungen. Neben der Auseinandersetzung mit der Zentralität des Ziels gesellschaftlicher Teilhabe im ärztlichen bzw. rehabilitativ-therapeutischen Handeln zeigte er auch praktische Konsequenzen am Beispiel neurologischer Rehabilitation auf.

In das Spannungsfeld „Ethik, Gesundheit und Ökonomie“ führte Dr. Oliver Rauprich von der Ludwig-Maximilian-Universität München ein. Dabei setzte er sich insbesondere mit Verteilungsprinzipen medizinischer Leistungen sowie Mechanismen und Einflussgrößen der Bewältigung von Diskrepanzen zwischen ökonomischen Bedingungen und medizinisch-therapeutischen Möglichkeiten auseinander.  

Dr. Marianne Hirschberg vom Deutschen Institut für Menschenrechte referierte zur  „Konzeptionen des Behinderungsbegriffs nach der UN-Behindertenrechtskonvention“, wobei Sie sich mit dem Ziel der Partizipation wie auch mit Bezügen und Unterschieden der UN-Behindertenrechtkonvention, der ICF als auch des deutschen Sozialgesetzbuches IX auseinandersetzte. 

Abschließend sorgte Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin für „professionsethische Blickschärfungen“ zur „Inklusion durch ICF“. Dabei stellte er sowohl Überlegungen zu leitenden Handlungsprinzipien bei der professionellen Ausübung beruflicher Tätigkeiten als auch zu gesellschaftlichen Problemen aus professionstheoretischer Perspektive vor.

In der zum Abschluss der Veranstaltung intensiv geführten Diskussion wurde der Beschluss gefasst, dass auf der Grundlage der insgesamt bisher gewonnen Erkenntnis eine weiterführende Bearbeitung der Thematik im Sachverständigenrat der Ärzteschaft erfolgen sollte, an deren Ende vom Sachverständigenrat der Ärzteschaft der BAR ein Positionspapier erstellt werden soll.