COVID-19: eine Pandemie mit Langzeitfolgen

Herausforderungen auf allen Ebenen

Als Anfang 2020 die ersten Medien über SARS-CoV-2 berichteten, einem ominösen Virus, das sich in der bis dahin weitgehend unbekannten chinesischen Stadt Wuhan wie ein Lauffeuer ausbreitete, ahnten wohl nur die wenigsten, was auf die Welt zukommen würde. Von den verstörenden Bildern von Kühlwagen vor Krankenhäusern wie in Bergamo oder New York, über das Erliegen weiter Teile des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens und einem gigantischen Konjunkturpaket, bis hin zur zeitweiligen Einschränkung von Grundrechten: Das Virus wurde zu einer „demokratischen Zumutung“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Pressekonferenz konstatierte.


Seither sind mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland an COVID-19 erkrankt, beinahe 80.000 sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben und die Zahl der Corona-Intensivpatienten ist aktuell nach wie vor auf einem hohen Niveau, zurzeit sind es fast 5.000. Viele Menschen haben aber auch die Infektion überstanden, manche sind jedoch nicht vollständig genesen. Dazu zählen auch die Patientinnen und Patienten, die trotz überstandener Corona-Virus-Infektion unter erheblichen COVID-19-Spätfolgen leiden. „Post-Covid-Syndrom“ oder „Long Covid“ nennen Fachleute dieses neue Krankheitsbild. Zudem gibt es Menschen, die zwar nicht an COVID-19 erkrankt sind, aber unter den seelischen Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden. Mittlerweile gilt es als erwiesen, dass ein Teil der an COVID-19 erkrankten Menschen nach Abschluss
ihrer akuten Behandlung mit anhaltenden Beschwerden und Corona-Spätfolgen zu kämpfen hat (vgl. dazu z. B. Studien von Maxwell 2020; Taquet et al. 2020; Townsend et al. 2020; Van den Borst et al. 2020).

Wissenschaftlichen Forschungsergebnissen zufolge sollen 10 bis 20 Prozent der COVID-19-Patientinnen und Patienten unter Corona-Langzeitfolgen leiden. Da das Corona-Virus neben der Lunge auch andere Organe wie Herz, Nieren, Leber und Gehirn befallen kann, ist auch das Spektrum der Langzeitfolgen vielfältig. Die Corona-Pandemie hat das Land und die Welt in einen Ausnahmezustand versetzt. Sie hat Auswirkungen auf alle Bereiche des alltäglichen Lebens (insbesondere Kontakt-,Betriebsbeschränkungs- und Hygiene- bzw. Infektionsschutzverordnungen), das Gesundheitssystem und die Ausgestaltung der Gesundheits- und Sozialpolitik. Auch die rehabilitative Versorgung ist auf vielfältige Weise betroffen. Die Situation ist dynamisch und Prognosen lassen sich nur mit Vorbehalt stellen.

In der medizinischen Rehabilitation gibt es Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen:
Rehabilitationseinrichtungen sind angehalten, zu schließen und wieder zu öffnen. Sie verzeichnen Einnahmeausfälle und Umsatzeinbrüche. Branchenverbände warnen vor sich zuspitzenden Notlagen von Reha-Kliniken. Viele Einrichtungen fürchten, trotz Corona-Hilfen wirtschaftlich nicht zu überleben. Der Klinikalltag in Rehabilitationseinrichtungen verändert sich. So führen Hygienevorschriften zu Anpassungen interner Prozesse, beispielsweise bei Gruppensitzungen. Die somatischen (Multiorgankrankheit) und psychosozialen Folgen von Corona treten in den Vordergrund. Es stellen sich Fragen der Anschlussversorgung nach überstandener Corona-Erkrankung.

Hilfs- und Informationsangebote

Mittlerweile gibt es aber auch ein ganzes Potpourri an Hilfsangeboten. So haben mehrere Träger und Institutionen Informationsseiten, Blogs, FAQ‘s, Stellungnahmen und Handreichungen zum Thema Reha und Corona veröffentlicht. Es hat sich ein Kompetenznetz Public Health zu COVID-19 gebildet, das verschiedene Handreichungen zur Verfügung stellt, u. a. zum Arbeitsschutz, zu psychischen Arbeitsbelastungen oder zur sozialen Isolation als Mortalitätsrisiko. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) stellt auf ihrem Portal AWMF online Empfehlungen und Leitlinien bereit, u. a. klinisch-ethische Empfehlungen zu Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patientinnen und Patienten mit COVID-19, Handlungsempfehlungen zur häuslichen Isolierung von Verdachtsfällen und COVID-19-Fällen mit leichtem Krankheitsbild, Patientenleitlinien, Informationen zum Corona-Virus für die hausärztliche Praxis oder Leitlinien zur Therapie von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 aus palliativmedizinischer Perspektive. Die BAR berichtet auf ihrer Website über aktuelle Entwicklungen im Bereich Rehabilitation und Teilhabe, die in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen.

Wie geht es weiter?

Die Forschungslage ist zwar noch inkonsistent, Fachleute aus Medizin und Psychotherapie gehen aber davon aus, dass es verstärkt zu körperlichen und seelischen Folgeschäden in Folge der Corona-Pandemie und damit zu Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit und der Teilhabe allgemein kommen wird. Das könnte zu einem Anstieg des Reha-Bedarfs führen – sowohl für Menschen, die mit dem COVID-19-Virus infiziert wurden, als auch für diejenigen, die durch anderweitige Auswirkungen der Pandemie gesundheitlich belastet sind. Sicher ist, dass die Gesellschaft im aktuellen Corona-Alltag und für den Post-Corona-Alltag erhebliche Anpassungsleistungen in allen Bereichen vollziehen muss. Wie das „neue Normal“ dann aussehen wird, wird sich noch zeigen müssen.