Gebärdensprachdolmetschen während der Corona-Pandemie

Der Arbeitsalltag von Gebärdensprach- dolmetschern hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie stark verändert. Noch zu Beginn des Jahres kamen Gebärdensprachdolmetscher oft innerhalb nur eines Tages an verschiedenen Schauplätzen und in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen zum Einsatz. Mit Beginn der Pandemie aber ging die Gesamtzahl der Einsätze schlagartig rapide zurück. Für viele der vorwiegend selbständigen Gebärdensprachdolmetscher entstand eine schwierige und so noch nie dagewesene Situation.
Veränderungen gab es auch in der Art und Struktur der Aufträge: Die große Bandbreite verschiedenster Einsatzbereiche von der Theatervorstellung bis zum Elternabend, in denen Gebärdensprach- dolmetscher sonst zum Einsatz kommen, reduzierte sich zeitweise fast ausschließlich auf unaufschiebbare Arztbesuche und einige wenige Termine in Unternehmen. Insbesondere Termine mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern oder Zuschauern konnten nicht stattfinden.

Online-Dolmetschen als zeitweise Alternative

In vielen Fällen wurden Dolmetschereinsätze nun vorrangig online mithilfe verschiedener Video-Konferenz-Tools von zuhause oder aus dem Büro durchgeführt. Da Online-Dolmetschen aus verschiedenen Gründen, gerade bei Gebärdensprache, zumeist die weniger effiziente Lösung gegenüber einem Termin vor Ort ist, hatte es sich bislang wenig durchgesetzt. Nun stellte es aber in vielen Fällen die einzige Möglichkeit dar, um schwerhörigen und tauben Menschen die Kommunikation mittels Gebärdensprachdolmetschern zu ermöglichen.
 

Umgang mit Mund-Nasen-Schutz

Unabhängig davon, ob sie mit anderen Menschen über Lippenlesen oder mittels Gebärdensprache kommunizieren, sind schwerhörige und taube Menschen darauf angewiesen, auch deren Lippenbewegungen und Mimik erkennen zu können. Als Reaktion auf die allgemeine Verpflichtung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wurden deshalb in den ersten Wochen viele Versuche gemacht, Mund-Nasen-Schutze mit einem transparenten Sichtfenster anzufertigen, das den Blick auf den Mund erlaubte. Leider hatten diese viele Tücken wie starkes Beschlagen des Sichtfensters und eventuell zusätzlich auch noch der darüber getragenen Brille. Sie stellten genau wie die zum Teil genutzten Visiere keine wirkliche Lösung dar. Vielerorts wurden daraufhin Ausnahmeregelungen getroffen, die schwerhörigen und tauben Menschen sowie denjenigen, mit denen sie kommunizieren, erlauben, dies ohne Mund-Nasen-Schutz zu tun. Dies hat sich mittlerweile auch beim Dolmetschen durchgesetzt. Bei Arztterminen tragen die tauben Patienten und Gebärdensprachdolmetscher beispielsweise oftmals den Mund-Nasen-Schutz bei der Anmeldung und im Wartezimmer, nehmen ihn dann aber während der Untersuchung im Gespräch mit den Ärzten ab, damit eine störungsfreie Kommunikation gesichert ist.
Ist es aus Gründen des Infektionsschutzes ausgeschlossen, ohne Mund-Nasen-Schutz zu arbeiten, ist eine eingeschränkte Kommunikation mittels der Gebärdensprache notfalls auch mit einem Mund-Nasen-Schutz möglich. Sie ist dann allerdings ungenauer und auch zeitaufwändiger, da es beispielsweise notwendig werden kann, bestimmte Wörter zu buchstabieren.

 

Informationen für Gebärdensprachnutzer

Leider wird häufig übersehen, dass schriftliche Texte und Untertitel für taube Menschen oft schwer zu verstehen sind. Besonders in der ungewissen Situation zu Beginn der Pandemie mit immer wieder neuen aktuellen wichtigen Informationen war es daher erschreckend, wie wenig Gebärdensprachdolmetscher eingesetzt wurden um Informationen auch in Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen, zumal es Möglichkeiten wie das Online-Dolmetschen gegeben hätte. Viele Gebärdensprachdolmetscher versuchten darüber hinaus auch in Corona-Zeiten Termine vor Ort zu ermöglichen; viele Dolmetscherverbände hatten diesbezüglich Informationen auf ihren Websites bereitgestellt, die erläuterten, wie Gebärdensprachdolmetscher kontaktiert und eingesetzt werden können. Leider wurde dieses Angebot trotzdem wenig in Anspruch genommen.
Für taube Menschen war es so oftmals und gerade auch im Fall einer vermuteten Corona-Infektion schwierig, an notwendige Informationen zu gelangen, da vielerorts auf eine nicht barrierefreie Telefonberatung umgestellt wurde, Öffnungszeiten wechselten, die Notwendigkeit bestand, sich vor Terminen vorab telefonisch anzumelden etc., sodass neue Barrieren entstanden. Allerdings gab es auch Positivbeispiele wie die Informationspolitik des Robert-Koch-Instituts, das diesen Aspekt konsequent berücksichtigte.