Kostenübernahme für ein behinderungsgerechtes Kraftfahrzeug (Kfz)

Orientierungssätze
■ Ziel der Eingliederungshilfe ist es, den Leistungsberechtigten die ihrer Altersgruppe üblichen gesellschaftlichen Kontakte mit Menschen zu ermöglichen.
■ In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein Mensch mit Behinderung am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche, soweit deren Verwirklichung in der Vergleichsgruppe der nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen nicht als unangemessen gilt.
■ Es gilt ein individueller, personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierten Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht. Dem widerspricht eine starre zeitliche Vorgabe, dass der Mensch mit Behinderung „in der Regel täglich“ auf das Kfz angewiesen sein müsse.
■ Das Merkmal der Notwendigkeit einer Kfz-Nutzung ist nur dann gegeben, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist.
BSG, Urteil vom 08.03.2017, Az.: B 8 SO 2/16 R

Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Im Streit stand die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behinderungsgerechten Kfz als Leistung der Eingliederungshilfe nach SGB XII. Der allein lebende, schwerbehinderte Kläger blieb in den ersten beiden Instanzen mit seiner Klage auf entsprechende Kostenübernahme erfolglos. SG und LSG sahen die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 19 Abs. 3 iVm § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglVO) als nicht erfüllt an. Die Revision hat das BSG zwar in der Sache für begründet erklärt, i. Ü. jedoch an das LSG (als Tatsacheninstanz) zurückverwiesen. Eine wichtige Frage betraf die Zulässigkeit des Klägerantrags auf Feststellung, dass eine Leistungspflicht dem Grunde nach besteht. Das BSG hat das hierfür erforderliche rechtliche Interesse des Klägers bejaht. Es liegt auch dann vor, wenn die Leistungspflicht des Beklagten einerseits erst von einem künftig entstehenden finanziellen Bedarf abhängt, also davon, dass der Leistungsberechtigte vertragliche Verpflichtungen eingeht, und andererseits von seiner jeweiligen Bedürftigkeit. Auch betont das BSG, dass der Leistungsberechtigte sich vor dem Einsatz erheblicher eigener Geldmittel Klarheit über eine mögliche Beteiligung des Sozialhilfeträgers an den Kosten - hier für die Anschaffung eines behinderungsgerechten Kfz - verschaffen können muss. Auf die Weise wird im Ergebnis dem Kläger im Falle seines Obsiegens die Möglichkeit an die Hand gegeben, auf Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Auswahlentscheidung selbständig und in Ausübung seines Wunsch- und Wahlrechts (§ 9 Abs. 2 SGB XII; § 9 Abs. 1 SGB IX) zu treffen. Zugleich wird dessen Selbstbestimmung (§ 1 SGB IX) gestärkt, was laut BSG der Gesetzgeber gerade im Recht der Eingliederungshilfe als Zielbestimmung verfolgt (vgl. § 1 SGB XII). Auf Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen konnte das BSG nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger wegen Art und Schwere seiner  Behinderung, insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben, auf die Nutzung eines noch zu beschaffenden Kfz mit Automatikgetriebe angewiesen ist. Insbesondere hatte das LSG nicht festgestellt, ob die Teilhabeziele durch Zurücklegen von Wegen zu Fuß, mit dem ÖPNV und ggf. unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar verwirklicht werden könnten. Bei der aufgrund der ergänzenden Tatsachenfeststellungen zu treffenden Entscheidung hat das LSG die in den Orientierungssätzen wiedergegebenen inhaltlichen Maßstäbe des BSG für die Beurteilung der Notwendigkeit eines Kfz für die Erreichung der Ziele der Eingliederungshilfe jedenfalls zu berücksichtigen.