Update Genehmigungsfiktion: Kernaussagen neuerer Rechtsprechung

Rechtsprechung zur Genehmigungsfiktion nach § 18 Abs. 3 SGB IX bzw. 13 Abs. 3a SGB V ist zuletzt in der Ausgabe 5-2020 aufgegriffen worden (zuvor auch die Ausgaben 1-2018, 4-2018, 2-2019). Seither sind weitere einschlägige Gerichtsentscheidungen ergangen, die grundlegende Fragestellungen geklärt bzw. (erneut) aufgegriffen haben. Entsprechende Kernaussagen* werden nachfolgend zusammenfassend wiedergegeben.

Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a SGB V setzt u. a. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der verspäteten Entscheidung über den Leistungsantrag und der Selbstbeschaffung der Leistung voraus.

An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es u. a. dann, wenn der bzw. die Versicherte schon vor Fristablauf auf die Selbstbeschaffung der Leistung "vorfestgelegt" ist. Für die konkrete Beurteilung der Kausalität ist auch der Zeitpunkt des Fristablaufs maßgeblich.

Die – die Entscheidungsfrist verlängernde – Mitteilung der Beauftragung des MDK nach § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V ist kein Verwaltungsakt, damit entfällt auch eine Anwendung der Bekanntga-befiktion aus § 37 Abs. 2 SGB X. Für den Zugang der Mitteilung gelten die allgemeinen Grundsätze für Willenserklärungen, wonach die Behörde die Beweislast für den Zugang trägt.

BSG, Urteil v. 10.03.2022, Az.: B 1 KR 6/21 R; hinsichtlich Vorfestlegung unter Bezug auf BSG, Urteil v. 27.10.2020, Az.: B 1 KR 3/20 R, Urteil v. 16.08.2021, Az.: B 1 KR 29/20 R, und Urteil v. 25.03.2021, Az.: B 1 KR 22/20 R

Erneute Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im Revisionsverfahren setzt in der Regel voraus, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, mit denen sich das BSG in vorangegangenen Entscheidungen noch nicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Es reicht nicht aus, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung insgesamt auf ein "heterogenes Meinungsbild" trifft oder sie eine teilweise "kritische Auseinandersetzung erfährt".

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, dass nach nicht fristgemäßer Entscheidung aus der fingierten Genehmigung ein Anspruch auf die beantragte Sachleistung folgt, damit (auch mittellose) Versicherte sich Leistungen zulasten der GKV verschaffen können, auf die materiell-rechtlich nach dem Leistungsrecht des SGB V kein Anspruch besteht.

BSG, Beschluss v. 10.11.2021, Az.: B 1 KR 62/21 B; betreffend die Begrenzung auf Kostenerstattung unter Bezug auf BSG, Urteile v. 18.06.2020, Az.: B 3 KR 14/18 R, B 3 KR 6/19 R und B 3 KR 13/19 R, und Urteil v. 26.05.2020, Az.:  B 1 KR 9/18 R
(vgl. hierzu Reha-Info Ausgabe 5-2020; Hinweis: Der vdk hat insoweit mittlerweile Verfassungsbeschwerde eingelegt).

Es spricht mehr dafür, dass die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 7 SGB IX die dort genannten Sozialleistungsträger als leistende Reha-Träger umfassend von der Verantwortlichkeit nach Abs. 1 bis 5 der Vorschrift ausnimmt, als dafür, dass sich die Ausnahme nur auf solche Leistungen bezieht, für die diese Sozialleistungsträger originär zuständig sind.
Bayerisches LSG, Urteil v. 29.04.2021, Az.: L 8 SO 217/20

Die Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB IX wird nicht erst mit Eingang der vollständigen Unterlagen ausgelöst. Die nach § 18 Abs. 2 SGB IX von dem Rehabilitationsträger für eine Fristverlängerung zu beachtenden formellen Vorgaben würden umgangen werden, wenn für den Fristbeginn auf die Vollständigkeit der Unterlagen abgestellt würde.
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.06.2020, L 27 R 735/19 B ER

Ein nach Fristablauf ergangener ablehnender Bescheid schließt als solcher nicht automatisch "Gutgläubigkeit" iSv § 18 Abs. 5 SGB IX und mithin einen Erstattungsanspruch aus.
SG Heilbronn, Urteil v. 12.08.2021, Az.: S 2 R 1943/20, insoweit unter Bezug auf BSG, Urteil v. 26.05.2020, Az.: B 1 KR 9/18 R

*Leitsätze oder Entscheidungsgründe des jeweiligen Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt