Ambulante Leistungserbringer stehen bereit

Mehr Einbindung in Teilhabeplanung- und Beratung

Das Bundesteilhabegesetz hat viele Aspekte von Inklusion in den Fokus genommen. Im Folgenden werden einige Aspekte aus Sicht der ambulanten beruflichen Rehabilitation betrachtet. Wie ist der Stand? Was fehlt noch? Was kann zu einer Verbesserung beigetragen werden?

Zunächst kann direkt beim Behinderungsbegriff begonnen werden – die deutliche Orientierung an der UN-Behindertenrechtskonvention und ICF ist nicht nur Gesetzestext, sondern hat auch auf Seiten der Leistungserbringer eine praxisrelevante Wirkung gezeigt. Die Neufassung hat eine wichtige Diskussion und Selbstbefragung angeregt: Werden wir als Leistungserbringer in unseren Strukturen, Haltungen und Wirkungen diesem Anspruch gerecht?

Die Antwort mag jeweils unterschiedlich ausgefallen sein. Die Richtung aber ist klar: Natürlich ist es wichtig und richtig, dem Anspruch auf eine gleichberechtigte Teilhabe und die Verringerung oder Beseitigung einstellungs- und umweltbedingter Barrieren im Arbeitsumfeld in jeder Form gerecht zu werden. Die ambulante, betrieblich orientierte Form der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben findet ja gemeinsam mit den Menschen mit Behinderung im Zusammenspiel vieler Partnerinnen und Partner, Akteurinnen und Akteure statt. Die Unternehmen, bei denen die praxisrelevanten Teile der Leistung stattfinden, Beratungsstellen, andere Leistungsträger, das soziale Umfeld und weitere „Helfende“ müssen sich zu einer Linie zusammenfinden. Da hilft es, sich die Grundlage, wie sie im § 2 SGB IX  gelegt ist, gegenwärtig zu machen. Die Thematik der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure weist auf ein weiteres Feld des BTHG – das Teilhabeplanverfahren. Die Leistungserbringer haben in der Teilhabeplanung eher eine mittelbare Rolle. Im Rahmen geplanter Interventionen werden sie vor allem gezielt für die Durchführung bestimmter Instrumente eingebunden. Dies können Diagnose- oder Feststellungsleistungen sowie Erprobungen sein. Je nach Leistungsträger und Konzeption findet hierzu ein unterschiedlicher Austausch und Dialog statt. Es sind also „Zuarbeiten“ im Rahmen der Informationserhebung. Eine konkrete Einbindung in die Planungsprozesse erfolgt nicht. Auch bei späterer Umsetzung von Leistungen können die Erkenntnisse zwar einfließen, es gibt aber keine geregelte Einbindung der Leistungserbringer in die Diskussion. Oftmals ist der Prozess in der individuellen Leistungserbringung dynamischer als der Planungsprozess, beispielsweise wenn sich während der Leistungserbringung Bedarfe ergeben, die nicht in der bisherigen Leistung erbracht werden können, einen anderen Leistungsträger – und ggf. auch Leistungserbringer benötigen. Gerade in Bezug auf die zunehmende Verschränkung verschiedener Teilhabebedarfe und kumulierender Inklusionshemmnisse könnte eine klar definierte Einbindung der gemeinsamen Erkenntnisse in die Teilhabeplanung hilfreich sein. In der Praxis finden vor allem trägerspezifische Planungsprozesse statt. Trägerübergreifende Teilhabeplanung ist aus unserer Perspektive nach wie vor sehr selten.

Die ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTB®) sind installiert worden – sie haben sich mittlerweile etabliert. Aus der Sicht der ambulanten beruflichen Rehabilitation sind sie wichtige Netzwerkpartner geworden. Nach unserer Erfahrung steht das Thema Arbeit noch nicht überall im Mittelpunkt der Beratung. Es ist eine Aufgabe aller beteiligten Partnerinnen und Partner, sich hier gemeinsam weiterzuentwickeln. Die ambulanten Leistungserbringer stehen hier gern bereit.
Ein weiterer relevanter Bereich, den das BTHG angegangen ist, ist die Verbesserung von Übergängen. Eine Reihe von neuen Möglichkeiten wurden geschaffen. Mit den anderen Leistungsanbietern nach § 60 SGB IX wurden große Erwartungen und auch Hoffnungen verbunden. Einzelne Angebote haben sich etabliert, flächendeckende Lösungen sind es noch nicht. Ähnlich wie das Budget für Arbeit sind die Ansätze aus Sicht der ambulanten beruflichen Rehabilitation richtig.

Sie zeigen, dass Inklusion in Arbeit letztendlich in Unternehmen und Betrieben stattfinden muss. Für das Budget für Arbeit fehlen aber auch noch einige Bausteine, die es in der Breite zum Funktionieren bringen. So muss besser sichergestellt werden, dass sich Budgetnehmerinnen und -nehmer sowie Unternehmen niedrigschwellig finden können. Da braucht es alle relevanten Akteurinnen und Akteure. Die Perspektive der Menschen mit Behinderung selbst muss dabei ein wichtiger Teil sein. Zwischenzeitliche Gesetzesinitiativen haben ja hier bereits Weiterentwicklungen formuliert. Die Leistungserbringer der ambulanten beruflichen Rehabilitation bringen sich gern in die weitere Diskussion konstruktiv ein.

Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – durch das BTHG gestärkt, und als solche kann man nicht von einer irgendwann „fertigen“ inklusiven Gesellschaft sprechen. Die Fragen stellen sich immer wieder neu und müssen immer neu beantwortet werden. Eine wichtige Aufgabe der ambulanten, betrieblich orientierten beruflichen Rehabilitation ist es, Inklusion in die Betriebe und Unternehmen zu tragen – zu unterstützen, dass Mensch und Wirtschaft zukunftsfähig zueinander finden – als Teil einer „neuen“ Normalität.

Denn nur, wenn Beschäftigte mit Behinderung selbstverständlicher Teil eines inklusiven Arbeitsalltags werden, können Barrieren wirksam reduziert werden. Das BTHG hat – bei allen noch anstehenden Umsetzungsaufgaben – auch hierfür wichtige Grundlagen gelegt.

Neuer RI-Präsident 2024 aus Deutschland
In der letzten Mitgliederversammlung des Weltverbandes Rehabilitation International (RI) wurde Prof. Dr. Christoph Gutenbrunner als „President Elect“ gewählt. Damit wurde er zum Nachfolger der  amtierenden RI-Präsidentin Frau Haidi Zhang aus China  bestimmt. Im Jahr 2024 wird der Staffelstab an den neuen Präsidenten übergeben.
Herr Prof. Dr. Gutenbrunner leitete bis zum Jahr 2022 die Klinik für Rehabilitationsmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Er ist ein ausgewiesener Reha-Experte mit umfassenden internationalen Erfahrungen bei seiner Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und als Präsident der Global Rehabilitation Alliance. Für die Zeit seiner RI-Präsidentschaft möchte Herr Prof. Dr. Gutenbrunner insbesondere folgende Akzente setzen:
"Von besonderer Wichtigkeit ist das Zusammenführen der Strategien zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung und der Bemühungen um die Rehabilitation. Dabei muss es neben einer inhaltlichen Diskussion auch weiterführende RI Projekte geben.“
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) und die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) sind Mitglied bei RI. Alternierend stellen beide Organisationen das deutsche RI-Nationalsekretariat und vertreten in dieser Funktion die deutschen Belange in diesem Weltverband.