23. Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Erstattungsanspruch des erstangegangenen Reha-Trägers, wenn der Antrag bei insgesamter Unzuständigkeit nicht weitergeleitet wurde?

Paragraphen: §§ 72, 74 GE RP - Stichwörter: Kostenerstattung (Innenverhältnis)

Ausgangssituation:

Ein erstangegangener Reha-Träger (A) ist für die vom Antrag umfassten Leistungen insgesamt unzuständig. Er hat den Antrag nicht nach § 14 Abs. 1 SGB IX innerhalb der Zwei-Wochen-Frist an den eigentlich (d. h. materiell-rechtlich) sachlich und örtlich zuständigen Reha-Träger (B) weitergeleitet. Dadurch wird A leistender Reha-Träger, muss den Bedarf umfassend feststellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) und ggf. nach § 15 Abs. 3 SGB IX die Leistung erbringen.  

Erbringt Reha-Träger A die Leistung, bestehen folgende Möglichkeiten für einen Erstattungsanspruch gegen Reha-Träger B:

1. Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X gegen B bei irrtümlicher Nichtweiterleitung (§ 72 Abs. 1, 3 und 6 GE Reha-Prozess sowie § 16 Abs. 2 und 4 SGB IX, § 74 GE Reha-Prozess)

Der leistende Reha-Träger A hat nach folgenden Maßgaben einen Erstattungsanspruch gegen Reha-Träger B:

  • A hat nach vorangegangener Prüfung seine Zuständigkeit irrtümlich angenommen
  • Im Nachhinein – vor oder nach der Bewilligung – stellt sich seine Unzuständigkeit heraus.
  • Der Umfang der Erstattung richtet sich grundsätzlich nach den für den zuständigen Reha-Träger B geltenden Rechtsvorschriften.
  • Hat A in Kenntnis seiner insgesamten Unzuständigkeit nicht weitergeleitet, hat er keinen Erstattungsanspruch (§ 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, § 72 Abs. 6 GE Reha-Prozess).

Bezüglich einer Beteiligung nach § 15 SGB IX gilt:

  • Hat A den B nicht nach § 15 SGB IX beteiligt, hat er keinen Erstattungsanspruch gegen B, es sei denn, die Beteiligung ist (ebenfalls) irrtümlich nicht erfolgt (§ 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 74 Abs. 4 GE Reha-Prozess).
  • Hat A den B nach § 15 SGB IX beteiligt, die Leistungen wegen § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB IX aber dennoch selbst erbracht, hat er einen Erstattungsanspruch gegen B (§ 16 Abs. 2 S. 1 SGB IX, § 74 Abs. 1 GE Reha-Prozess). Wenn B seine Feststellungen im Rahmen der Beteiligung nicht rechtzeitig - also innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung bzw. nach Vorliegen eines Gutachtens (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) - mitgeteilt hat, richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den der Bewilligung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften (§ 16 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, § 74 Abs. 2 GE Reha-Prozess).

2. Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X (§ 72 Abs. 2 und 3 GE Reha-Prozess) bei nachträglichem Wegfall der Zuständigkeit

Der leistende Reha-Träger A hat unter folgenden Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegen Reha-Träger B:

  • A war zunächst für die vom Antrag umfassten Leistungen zuständig.
    • Beispiel: Ein Rentenversicherungsträger A ist für stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eines Leistungsberechtigten zuständig, da die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Der Anspruch gegen A ist durch den Eintritt eines gesetzlichen Ausschlussgrundes nachträglich – vor oder nach der Bewilligung – entfallen.
    • Beispiel (wie oben): Der Leistungsberechtigte stellt nach der Bewilligung seiner stationären medizinischen Rehabilitation einen Antrag auf volle Altersrente bei A. Dadurch sind Leistungen zur Teilhabe von der Rentenversicherung nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ausgeschlossen. Die Krankenkasse des Leistungsberechtigten (Reha-Träger B) ist materiell-rechtlich für die stationäre medizinische Rehabilitationsleistung zuständig (vgl. § 40 Abs. 2 und 4 SGB V). Gegenüber dem Leistungsberechtigten – im Außenverhältnis – bleibt nach den § 14 f. SGB IX jedoch der Rentenversicherungsträger A zuständig und erbringt die Leistung.

Der Umfang der Erstattung richtet sich nach den für den zuständigen Reha-Träger B geltenden Rechtsvorschriften.

3. Erstattungsanspruch nach § 16 Abs. 4 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 105 SGB X (§ 72 Abs. 4 GE Reha-Prozess) wenn die Behinderungsursache für die Zuständigkeit des Trägers A maßgeblich, aber innerhalb der Frist nicht sicher aufklärbar ist

Der leistende Reha-Träger A hat unter folgenden Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegen Reha-Träger B:

  • Für die Zuständigkeit von A kommt es auf die Ursache der Behinderung an (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IX).
    • Beispiel: A ist ein Träger der Unfallversicherung und somit grundsätzlich nur dann materiell-rechtlich zuständig, wenn der Bedarf Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit ist (vgl. §§ 7 ff. SGB VII).
  • Bei der Prüfung der Ursache der Behinderung - als Voraussetzung für die Klärung seiner Zuständigkeit - stellt A Anhaltspunkte fest, die für seine Zuständigkeit sprechen.
    • Beispiel: Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Bedarf der leistungsberechtigten Person Folge eines Arbeitsunfalles ist.
  • Aus diesem Grund leitet A den Antrag nicht an B weiter und erbringt die Leistung.
  • Anschließend stellt sich heraus, dass A unzuständig ist.
    • Beispiel: Es liegt kein Arbeitsunfall vor.

Der Umfang der Erstattung richtet sich nach den für den zuständigen Reha-Träger B geltenden Rechtsvorschriften.

4. Erstattungsanspruch nach § 16 Abs. 1 SGB IX analog gegen B (§ 72 Abs. 5 GE Reha-Prozess), wenn A ursachenunabhängig zuständig wäre, aber auch B als ursachenabhängiger Träger zuständig sein könnte

Der leistende Reha-Träger A hat unter folgenden Voraussetzungen einen Erstattungsanspruch gegen Reha-Träger B:

  • Für die Zuständigkeit des A kommt es nicht auf die Ursache einer Behinderung an.
    • Hinweis: Dies ist grundsätzlich bei allen Trägern - außer den Trägern der Unfallversicherung und den Trägern der Sozialen Entschädigung - der Fall.
  • Bei der Prüfung der Zuständigkeit stellt A fest, dass ggf. ein Reha-Träger zuständig sein könnte, für den es auf die Ursache der Behinderung ankommt (Reha-Träger B). Die Ursache der Behinderung kann jedoch nicht abschließend innerhalb der Zwei-Wochenfrist aus § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geklärt werden.
    • Beispiel: Es besteht die Möglichkeit, dass der Bedarf Folge eines Arbeitsunfalls ist. Dann wäre der Unfallversicherungsträger B vorrangig zuständig.
  • Reha-Träger A - der Leistungen ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt - leitet den Antrag nicht an Reha-Träger B, für dessen Zuständigkeit es auf die Ursache der Behinderung ankommt, weiter.
  • Anschließend stellt sich heraus, dass B vorrangig zuständig gewesen wäre.
    • Beispiel: Der Bedarf ist Folge eines Arbeitsunfalles.

Der Umfang der Erstattung richtet sich nach den für den erstattungsberechtigten Reha-Träger A geltenden Rechtsvorschriften.

Hintergrund

  • Erstattungsansprüche zwischen Reha-Trägern sind nach der Gesetzesbegründung "das notwendige Korrelat zu dem […] Prinzip der Leistungserbringung 'wie aus einer Hand'" (BT-Drs. 18/9522, S. 236).
  • Das bedeutet, dass der leistende Reha-Träger im Interesse einer beschleunigten Leistungserbringung ggf. auch Leistungen nach fremden Leistungsgesetzen - also für die materiell-rechtlich ein anderer Reha-Träger zuständig wäre - bewilligen und erbringen muss (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Im Innenverhältnis - zwischen den Reha-Trägern – ermöglicht das Verfahren der Kostenerstattung dann einen nachträglichen Ausgleich, sodass der leistende Reha-Träger die Kosten für "fremde" Leistungen in der Regel nicht endgültig tragen muss.
  • Zentrale Regelungen für Erstattungsansprüche zwischen Reha-Trägern sind in § 16 SGB IX und in den allgemeinen Vorschriften zur Kostenerstattung (§§ 102 ff. SGB X) geregelt. Die Reha-Träger dürfen zudem abweichende Erstattungsregelungen vereinbaren, um dadurch eine beschleunigte Zusammenarbeit zu fördern (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, BT-Drs. 18/9522, S. 236).
  • In §§ 72 ff. GE Reha-Prozess haben die Reha-Träger transparente Vereinbarungen zur Kostenerstattung getroffen und dabei auch Grundsätze aus der BSG-Rechtsprechung zur Rechtslage bis 2018 aufgegriffen und konkretisiert.
  • Dabei wurde u. a. berücksichtigt, dass es mit Blick auf die gesetzlichen Zielstellungen nicht sinnvoll ist, wenn der erstangegangene Reha-Träger einen Anreiz hat, bei "geringstem Verdacht" weiterzuleiten. Weiterhin wurden z. B. Klarstellungen bezüglich Verwaltungskostenpauschale (§ 109 SGB X) und Verzinsung (§ 108 SGB X) vereinbart.
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