Teilhabeplanung - eine individuelle Zukunftsperpektive?

Kleine Schritte. Jeden Tag. Die Rückkehr zu einem selbstbestimmten Leben in der „Mitte“ der Gesellschaft kommt für behinderte Menschen in der Praxis oft einem Pilgerschritt gleich: „Zwei Schritte vor, einen Schritt zurück“. Häufig stehen bei der Gewährung von Teilhabeleistungen objektive Kriterien im Vordergrund. Wer nach der Teilhabe behinderter Menschen fragt, muss schlicht auch deren subjektive Blickrichtung einnehmen. Die umgebenden Lebenskontexte, die individuelle Lage in solchen Kontexten und die eigenen Zukunftserwartungen sind wichtige Bestimmungsgrößen einer Teilhabeplanung.
Die BAR empfiehlt in der Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess die Erstellung eines individuellen Teilhabeplans nach bestimmten Grundsätzen und Erfordernissen, darunter auch die Einbeziehung der bio-psycho-sozialen Aspekte im Sinne der ICF. Das und die Parameter Personenzentrierung, Partizipation und Sozialraumbezug sind entscheidende Kriterien einer zielorientierten Teilhabeplanung. Was aber letztlich aus der „Teilhabekiste“ gezaubert wird, hängt von der Fähigkeit zu Koordination und Kooperation der beteiligten Akteure ab. Und von einem wirkungsorientierten Instrumentarium, sprich dem gezielten Einsatz von Teilhabeleistungen und nicht zu vergessen: den fachlichen Anforderungen an Beraterinnen und Berater.
Teilhabebedarfe gibt es in unterschiedlichen Lebenslagen (Gesundheit, Arbeit, Familie, Bildung, Gemeinde), sie haben verschiedene institutionelle Bezüge und meistens unterschiedliche Kostenträger. Daher ist die Teilhabeplanung das Instrument zur Koordination mehrerer erforderlicher Leistungen zur Teilhabe und zur Kooperation der Rehabilitationsträger. Die individuelle Teilhabeplanung ist also in erster Linie eine Koope-rations- und Vernetzungsaufgabe.

Haben wir einen Plan?
Das SGB IX schreibt vor, „dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den leistungsberechtigten Personen die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erfor-derlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen.“ Die Umsetzung dieser Pflicht regelt die Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess und macht sie damit transparenter. Es liegt im Interesse der Reha-Träger, ein sachgerechtes Reha-Konzept aufzustellen, eine Planung also, als Grundlage eines zukunftsorientierten, zielgerichteten Vorgehens. Denn planerisches Handeln impliziert auch immer ein Steuerungselement. Ein in die Zukunft gerichtetes Planen darf aber nicht bedeuten, dass der gesamte Reha-Prozess und besonders die damit verbundenen Ziele, in wesentlichen Zügen festgelegt werden, sozusagen in Stein gemeißelt sind. Individuelle Teilhabeplanung ordnet und ordnet zu, sie soll beim Durchblick helfen, bei der Festlegung wer was wann tun soll. Sie beschreibt Ausgangslagen, Ressourcen und Beeinträchtigungen, geplante sozialräumliche und professionelle Hilfen.
Eine sinnvolle Planung braucht Spielräume, Flexibilität und eine gute Portion kreativer Korrekturfähigkeit. Teilhabeplanung ist soziale Planung. Der Spielraum für personenzentrierte Entscheidungen ist durch die soziale Organisation, durch Leitbilder, Recht und Normen der Institutionen vorgegeben. So gesehen können nur die Institutionen, hier die Sozialversicherungsträger, rationales Handeln garantieren und auch das Ausmaß der zu konzipierenden Teilhabeplanung. Sie haben die Aufgabe, den Reha-Prozess zu beobachten und zu evaluieren, um so veränderten Sachlagen möglichst zügig zu entsprechen. Dabei steht die Teilhabeplanung als Instrument zur Erreichung einer einheitlichen Praxis der Feststellung und Durchführung der einzelnen Teilhabeleistungen innerhalb des gegliederten Systems der Rehabilitation immer auch in einem gesellschaftspolitischen Kontext.


Planung mit wem?
Die Spannung zwischen den nachvollziehbaren „Steuerungsinteressen“ der Reha-Träger in Bezug auf Gewährung von Teilhabeleistungen und den tatsächlichen Ansprüchen des Einzelnen, sollte idealerweise in einer Teilhabeplanung gelöst werden. Dabei sind alle miteinzubeziehen: Die beteiligten Rehabilitationsträger, Leistungserbringer und die Menschen mit Behinderung. Sie dabei zu unterstützen, ihre Lebensläufe und Teilhabeziele möglichst in Bezug zu gesellschaftlichen Institutionen und Orten zu entfalten, ist eine zentrale Aufgabe. Dabei ist das Recht auf Selbstbestimmung zugleich auch die Selbstverantwortung des Einzelnen. Es gibt also auch eine Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung, die unmittelbar mit dem „Wollen“ zur Selbst-Aktivierung zu tun hat. Die Optimierung des eigenen Selbst und die damit verbundene Reduzierung der Abhängigkeit von anderen können aber nur dann funktionieren, wenn strukturelle und gesellschaftliche Ursachen für die Problemlagen des Einzelnen mitgedacht und beseitigt werden. Das heißt, Teilhabeplanung, die nicht in Institutionen und Gesellschaft eingeordnet und auf sie bezogen wird, ist wenig realistisch.


Planung für wen?
Die individuelle Hilfeplanung verfolgt das Ziel der Selbstbestimmung und Teilhabe. Sie muss zum Ziel haben, eigene Ressourcen des Menschen mit Behinderung zu erkennen und in die Hilfegestaltung einzubeziehen. Menschen mit Behinderungen dabei zu unterstützen, ihre Lebensläufe und Teilhabeziele möglichst in Bezug zu gesellschaftlichen Institutionen und Orten zu entfalten, ist eine zentrale Aufgabe. Schnellere Zuständigkeitsklärung und die gemeinsame und verbindliche Steuerung des Reha-Prozesses durch einen Teilhabeplan vermeiden unproduktive Zuständigkeitsstreitereien und Regressforderungen zwischen den Reha-Trägern. Das kann helfen, Ressourcen einzusparen und gleichzeitig die Teilhabeplanung zu optimieren. Positive Effekte sind dann: Verbesserte, effizientere und kostensparende Verfahrensabläufe zugunsten der leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen.
Verfahren der Teilhabeplanung müssen per se schon durch ihren Bezug auf die Klärung von Leistungsansprüchen sehr formalisiert sein. Die Frage der Partizipation und Aspekte der gemeinsamen Entwicklung von individuellen Zukunftsperspektiven können dann schnell ins Hintertreffen geraten. Um eine „persönlichere Zukunftsplanung“ zu gewährleisten, könnten mit den Instrumenten „Beratung“ oder „Case Management“ wieder die Perspektive und Planung der Menschen mit Behinderung in den Vordergrund gerückt werden. Gleichzeitig kann ein Reha-Verfahren, das von einem Reha-Träger als Fallmanager geführt wird, Doppelbegutachtungen, Fehlsteuerungen und Ausgaben für nicht bedarfsgerechte Maßnahmen vermeiden. Das Verfahren kann dann letztendlich zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten werden.
Es geht dann nicht nur um Leistungen zur Teilhabe und deren passgenaue Verwendung, sondern auch darum, für Menschen mit Behinderung konkret auf ihr jeweiliges Umfeld bezogene kreative Ideen darüber zu entwickeln, wie sie leben möchten und ihre Hilfe organisieren wollen.

Was enthält der Teilhabeplan?

 Zur Entwicklung einer Zielperspektive für dei Teilhabeplanung sind folgende Schritte sinnvoll:

  • Analyse der IST-Situation
  • Offene Diskussion und Reflektion der Analyseergebnisse
  • Entwicklung von Handlungsempfehlungen
  • Legitimierung und Umsetzung von Teilhabeplanungen
  • Monitoring und Evaluation

Angaben über

  • Schädigung der Körperfunktionen und -strukturen
  • Beeinträchtigungen der Aktivitäten und/oder Teilhabe
  • Personen- und umweltbezogene Kontextfaktoren
  • Leistungsbezogene Ziele und Wünsche der Menschen mit Behinderung
  • Angaben, ob ein Persönliches Budget gewünscht wird
  • Die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderung
  • Ziel, Art, Umfang und inhaltliche Ausgestaltung der vorgesehenen Leistungen
  • Voraussichtlichen Beginn, Dauer und Ort
  • Organisatorische und zeitliche Abläufe
  • Die beteiligten Rehabilitationsträger und weitere zu Beteiligende