Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Entscheidung, hier: Bestimmtheit des Antrags

Maßgeblicher Bezugspunkt für eine Genehmigungsfiktion(§ 13 Abs. 3a SGB V, seit1.1.2018 zudem § 18 Abs. 3 SGB IX) ist der Leistungsantrag. Insbesondere die 2017 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen zu § 13 Abs. 3a SGB V haben die Voraussetzungen präzisiert, die ein Antrag erfüllen muss, damit insoweit eine Genehmigungsfiktion eintreten kann. Wegen des komplexen und neuen Regelungsgegenstands sind diese Aussagen nur in ihrem Gesamtzusammenhang verständlich. Deshalb werden sie nachfolgend ergänzend zu dem in Ausgabe1-2018 der Reha-Info gegebenen Überblick über weitere wichtige Kernaussagen gesondert vorgestellt*. Auch insoweit gilt: Die zu § 13 Abs. 3a SGB V getroffenen Aussagen bieten eine mögliche Basis für erste Einschätzungen zu entsprechenden Fragen im Rehabilitationsrecht (§ 18 Abs. 3 SGB IX). Etwaige Übertragungen der in den herangezogenen Entscheidungen getroffenen und nachfolgend wiedergegebenen inhaltlichen Aussagen werden allerdings die Besonderheiten des Rehabilitationsrechts zu berücksichtigen haben.

 

  1. Der Eintritt einer Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass der Antrag hinreichend bestimmt (fiktionsfähig) ist.
  2. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung, die ihrerseits einen Verwaltungsakt bewirkt, iSv § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt ist.
  3. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz auch eine geeignete Grundlage dafür bildet, ggf. zwangsweise durchgesetzt zu werden.
  4. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
  5. Im Bereich der Krankenbehandlung genügt für die Bestimmtheit der Verfügungssatz, einen Anspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (27 SGB V) zu gewähren, wenn das Behandlungsziel klar ist. Auch wenn der Anspruch mit verschiedenen Mitteln erfüllt werden kann oder der Patient zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf Beratung angewiesen ist, beeinträchtigt dies die Bestimmtheit nicht.
  6. Liegen die sonstigen Voraussetzungen vor, stehen einer Genehmigungsfiktion weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) entgegen. Dies folgt aus Sinn und Zweck des § 13 Abs. 3a SGB V.
  7. Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Eingang des Antrags. Hierbei ist es unerheblich, ob die Stelle, bei der der Antrag eingeht, der Auffassung ist, der maßgebliche Sachverhalt sei noch aufzuklären. Das folgt aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystematik sowie auch Regelungszweck der Norm zur Kostenerstattung.

 BSG, Urteile v. 11.7.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R, B 1 KR 26/16 R und v. 7.11.2017, Az.: B 1 KR 2/17 R, B 1 KR 7/17 R

Ergänzender Hinweis: Am 15.3.2018 sind drei weitere Urteile des Bundessozialgerichts zur Thematik Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ergangen (Az.: B 3 KR 4/16 R, B 3 KR 18/17 R und B 3 KR 12/17 R, die Urteilsgründe sind Stand Ende Juli noch nicht veröffentlicht). Mitunter entstand der Eindruck, eine Quintessenz dieser Entscheidungen sei sinngemäß „keine Genehmigungsfiktion bei Reha-Leistungen“. Das ist mit Blick auf die den Urteilen zugrunde liegende bis 31.12.2017 geltende Rechtslage soweit auch zutreffend (vgl. § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V), gilt in dieser Allgemeinheit jedoch nicht mehr seit Inkrafttreten des neuen § 18 Abs. 3 SGB IX am 1.1.2018.


* Aussagen insbesondere aus den jeweiligen Entscheidungsgründen, ggf.
redaktionell abgewandelt und gekürzt