EUTB vor Ort - erste Erfahrungen aus Grimma

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen können nun eine träger- und leistungserbringerunabhängige sowie niederschwellige Beratung in Anspruch nehmen. Auch in Grimma (Sachsen) hat eine Beratungsstelle “Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung” (EUTB) ihre Arbeit aufgenommen.

Beratungsszenario 1: Herr H. ist Mitte 50 und EU-Rentner. Gemeinsam mit seiner Frau suchte er die Beratungsstelle auf. Herr H. leidet, auch nach einer Operation, unter Problemen mit der Bandscheibe. In der Folge kann er nur noch extrem kurze Wege zu Fuß gehen. Ein Rollstuhl als Hilfsmittel wurde nicht bereitgestellt. Auch weil Herr H. das Hilfsmittel bisher ablehnte. Zur Erleichterung seines Alltags möchte er nun einen blauen Parkausweis für die Nutzung von Behindertenparkplätzen beantragen. Vor Jahren wurde ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt. Für den blauen Parkausweis ist dies aber zu wenig. Während der Beratung offenbaren die Eheleute H. weitere Probleme im Alltag oder bei  Urlaubsreisen. Beratungsszenario 2: Herr W. ist 37 Jahrealt, hat eine Muskelerkrankung und lebt seit seiner Kindheit in einem Wohnheim in Leipzig. Sein größter Wunsch ist es, den fremdbestimmten Rahmen des Wohnheimes zu verlassen und selbstbestimmt leben zu können. Die Eltern haben ihn und seinen Bruder, der ebenfalls unter einer Muskelerkrankung leidet, all die Jahre zum Beispiel bei Freizeitaktivitäten unterstützt, da die personellen Engpässe im Wohnheim eine Unterstützung nicht zulassen. Mittlerweile kommen die Eltern aufgrund ihres Alters an ihre körperlichen Grenzen. Auch Herr W. sehnt sich nach Veränderung. Aufgrund seiner Einschränkungen und des Personalmangels im Wohnheim ist es ihm leider nicht möglich eine Beratungsstelle persönlich aufzusuchen. Deshalb erfolgt die Beratung der EUTB vor Ort. Seine Fragen drehen sich um die Themen geeigneter Wohnraum, Antragstellung und persönliche Assistenz.

Aufgaben der EUTB

Mit Beginn des Jahres 2018 hat der Muldentaler Assistenzverein e. V. eine der inzwischen mehr als 400 EUTB - Beratungsstellen eröffnet. Als Berater und Beraterinnen sind Maik Stahl sowie Sarah Lenz vom Verein vor Ort in Grimma tätig. Sie unterstützen die Ratsuchenden in allen Fragen zur Teilhabe und Selbstbestimmung. „Man versucht in den verschiedenen Themenbereichen zu beraten, sei es Mobilität (Barrierefreiheit im Regionalen ÖPNV, Parkausweise, etc.), Beantragung von Hilfsmitteln, Persönliches Budget, Budget für Arbeit und vieles mehr“, so Sarah Lenz. „Mitunter bleibt es allerdings nicht aus, in der Beratung an seine eigenen Wissens- und Erfahrungsgrenzen zu stoßen“, ergänzt Maik Stahl. Hier ist der Vernetzungsgedanke der EUTBs untereinander, aber auch die Kommunikation mit Verbänden, Ämtern Gold wert.

Erste Erfahrungen vor Ort

„Im ersten halben Jahr unserer Beratung sind wir auf ganz verschiedene Menschen getroffen“, sagt Maik Stahl, Peer Counselor aus Grimma. „Das waren zum einen Ratsuchende selbst, zum anderen aber auch Angehörige der Betroffenen oder beide zusammen. Wir haben Menschen mit den verschiedensten Behinderungsarten beraten, Menschen mit kleinen Handicaps, mit Lernbehinderungen bis hin zu schwerstmehrfach behinderten Menschen“. In der Beratung lernen Stahl und seine Kollegin die Menschen und ihre Bedürfnisse genau kennen und erfassen so ihre Ziele. „Hier kommen die Menschen oft an ihre Grenzen“, ergänzt seine Kollegin Sarah Lenz. „Dann beraten wir über die Möglichkeiten die es gibt, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Bei anderen Ratsuchenden muss man wiederrum ganz vorn beginnen, da weder ein Ziel vorhanden ist, noch das Problem ausführlich analysiert wurde“. Zuletzt gibt es noch die Gruppe, wo der Ratsuchende einfach nur jemanden zum Zuhören braucht, um seine individuellen Probleme selbstständig zu lösen. Maik Stahl resümiert: „Das Ziel unserer Beratung ist es, den Ratsuchenden helfend und unterstützend ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Gleichwohl wollen wir ihm gewiss nicht die Arbeit abnehmen, um sein Ziel zu erreichen. Unsere Aufgabe ist Stärkung und Ermutigung, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.“