Ablehnung einer beantragten Leistung in Verbindung mit einem positiven Gegenvorschlag – Genehmigungsfiktion – Selbstbeschaffung der Leistung

Orientierungssätze *

  • Soll eine beantragte Leistung abgelehnt und stattdessen eine andere Leistung gewährt
    werden, bedarf es für eine verfahrensabschließende Entscheidung stets eines konkreten
    und geeigneten Gegenvorschlags, eine bloße allgemeine Aufzählung von möglichen
    Alternativen reicht nicht.
  • Bei Selbstbeschaffung einer Rehabilitationsleistung nach § 18 SGB IX ist die Erstattung
    offensichtlich rechtswidriger bzw. rechtsmissbräuchlich beschaffter Leistungen ausgeschlossen.
  • Die fiktive Bewilligung einer selbstbeschafften Teilhabeleistung begründet auch Ansprüche
    auf Folgeleistungen, wie Übergangsgeld nach § 20 SGB VI.

LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.12.2018, Az: L 8 R 4195/18 ER-B

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Der Antragsteller, Handwerksmeister, begehrte im Zusammenhang mit einem von ihm beantragten Studium der IT-Sicherheit als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) die Gewährung von Übergangsgeld im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vom Rentenversicherungsträger (DRV). Den von der Bundesagentur für Arbeit an die DRV (nach § 14 SGB IX) weitergeleiteten LTA Antrag vom 28.02.2018 bewilligte diese am 21.03.2018 dem Grunde nach. Gegenüber der Reha-Fachberatung der DRV gab der Antragsteller an, allein ein Studium im ITSicherheitsbereich anzustreben; auch beantragte er dies ausdrücklich am 27.03.2018. Eine Kostenübernahme für das Studium lehnte die DRV am 22.06.2018 ab. Ein Leistungsanspruch bestehe auch bei Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts mangels persönlicher Eignung – hier als umstrittenes Ergebnis einer am 28.05.2018 durchgeführten eignungsdiagnostischen Testung – nicht; es gebe für den Antragsteller zudem ausreichende Umschulungsalternativen. Dieser nahm nach einigen Wendungen im Verfahren das Studium dennoch auf und verfolgte unter Bezug auf die selbstbeschaffte Maßnahme sein auf unterhaltssichernde Leistungen gerichtetes Begehren im Wege einstweiligen Rechtsschutzes. Nach Ablehnung des entsprechenden Antrags durch das SG gab das LSG der dagegen gerichteten Beschwerde überwiegend statt: Der Antragsteller könne die vorläufige Gewährung von Übergangsgeld jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens beanspruchen. Für eine verfahrensabschließende Entscheidung über den Antrag vom 27.03.2018 sei es bereits nicht ausreichend gewesen, dass die DRV am 22.06.2018 nur die „Gewährung des Hochschulstudiums“ abgelehnt, jedoch keine andere konkrete Leistung gewährt habe. Ferner habe die DRV ohnehin nicht innerhalb der Fristen des § 18 SGB IX (2 Monate) über den Antrag entschieden, so dass das Verwaltungsverfahren durch den Eintritt der Genehmigungsfiktion bereits abgeschlossen gewesen sei. In der Leistungsdiagnostik vom 28.05.2018 erkennt das Gericht keinen Anlass für eine Fristverlängerung. Das LSG kann zudem im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz vorgesehenen summarischen Prüfung auch keine rechtsmissbräuchliche Leistungsbeschaffung feststellen, die eine Genehmigungsfiktion hindern könnte. Nachdem das Hochschulstudium mithin als genehmigt gelten müsse und der Antragsteller dieses aufgenommen habe, würden auch die Voraussetzungen für die Erbringung von Übergangsgeld durch die DRV vorliegen.
Da es sich vorliegend um einen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz handelt, wird sich zeigen müssen, ob die Einschätzung des LSG im Hauptsacheverfahren Bestand hat. In diesem werden nach den Ausführungen im Beschluss wohl auch der Umgang der Beteiligten mit der Eignungsdiagnostik vom 28.05.2018 sowie der gesamte Verfahrensverlauf seit Antragstellung eine Rolle spielen. Der Beschluss selbst ist nach
§ 152 Abs.1 VwGO unanfechtbar.

* Leitsätze des Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt.