Hilfsmittel als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

Orientierungssätze *

  • Ob ein Hilfsmittel eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder vielmehr eine solche der Krankenbehandlung ist, richtet sich nach der mit dem Hilfsmittel verfolgten Zielsetzung.
  • Hilfsmittel können Bestandteil der Krankenbehandlung sein, ebenso aber auch der Pflege,der medizinischen Rehabilitation, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Ein Hilfsmittel wird – auch losgelöst von einem kurativen Untersuchungs- oder Behandlungskonzept – als Mittel der medizinischen Rehabilitation eingesetzt, wenn es der Vorbeugung oder dem Ausgleich von Behinderung dient.

BSG, Urteil vom 15.03.2018, Az.: B 3 KR 18/17 R
* Leitsätze des Gerichts bzw. Orientierungssätze nach JURIS, redaktionell abgewandelt und gekürzt

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Klägerin beantragte 2014 unter Beifügung eines Kostenvoranschlages eine ärztlich verordnete Unterschenkelprothese bei ihrer Krankenkasse. Diese lehnte gemäß eingeholtem MDK-Gutachten, wonach ausreichend Möglichkeiten für eine geeignete Alternativversorgung vorlägen, den Antrag ab. Das BSG hat der Revision der in den Vorinstanzen unterlegenen Krankenkasse (Beklagte) stattgegeben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 
Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass die Versorgung der Klägerin mit einer Unterschenkelprothese sich nicht mit Erfolg auf die von den Vorinstanzen angeführte Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützen lässt. Denn Satz 9 dieser Vorschrift weise Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ausschließlich dem Regelungssystem des SGB IX zu. Daher seien diese Leistungen insgesamt nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion sowie der Regelungen aus § 13 Abs. 3a SGB V erfasst. Schon in § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V sei eine unterschiedliche Zielrichtung von Hilfsmitteln angelegt - zur „Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung“ (§ 27 Abs. 1 S. 1 SGB V) oder zum „Vorbeugen einer Behinderung“ oder zum „Behinderungsausgleich“. Demnach seien nicht sämtliche Hilfsmittel der GKV gleichermaßen vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V erfasst bzw. ausgeklammert. Zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gehörten sowohl Hilfsmittel zur Vorbeugung von Behinderung iS von § 33 Abs. 1 S. 1 Var. 2 SGB V als auch Hilfsmittel zum (unmittelbaren wie mittelbaren) Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs. 1 S. 1 Var. 3 SGB V. Die systemgerechte Zuordnung des jeweils zu beurteilenden Hilfsmittels richte sich nach dessen Funktionalität und Zwecksetzung, die im Wesentlichen auf die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Krankheit“ und „Behinderung“ (vgl. Art. 1 Abs. 2 UN-BRK) zurückzuführen seien. Die vorliegend im Streit stehende Unterschenkelprothese einschließlich Prothesenfuß sei auf den Zweck des Behinderungsausgleichs und nicht auf Krankenbehandlung gerichtet. Das BSG hat erneut deutlich herausgearbeitet, dass bei Hilfsmittelversorgung die rechtliche Einordnung danach zu erfolgen hat, mit welcher Zielsetzung der Einsatz des jeweiligen Hilfsmittels im konkreten Fall erfolgt. Dabei wendet das BSG diese Kriterien nicht nur auf die Abgrenzung Krankenbehandlung/ medizinische Rehabilitation an, sondern auch auf die Abgrenzung zwischen den Leistungsgruppen und Zuständigkeiten nach § 5 bzw. § 6 SGB IX. Zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und nicht zur medizinischen Rehabilitation gehören danach solche Hilfsmittel, die den Ausgleich hin zu einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bezwecken. Auch wenn diese zwar regelmäßig - ebenso wie die Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation - die Alltagsbewältigung betreffen, sind sie jedenfalls aber nicht mehr von der „medizinischen Teilhabe“ umfasst.