Monitoring mit dem THVB

Die Umsetzung von Reha-Recht in die Praxis am Beispiel von § 18 SGB IX

Im Reformprozess des SGB IX wurden bestehende Verfahrensvorgaben im Recht der Rehabilitation und Teilhabe weiterentwickelt oder neu eingeführt. Um evaluieren zu können, wie die Umsetzung von (neuem) Recht in die Praxis erfolgt, wird seit 2019 der Teilhabeverfahrensbericht (THVB) veröffentlicht.1 Darin wird anhand gesetzlich normierter Kennzahlen und auf Basis empirischer Daten dargestellt, wie das Teilhabe-Recht bei über 1.200 Reha-Trägern in die Praxis umgesetzt wird.

Digitalisierung als gemeinsame Gestaltungsaufgabe

Wie der praktische Einsatz dieses Monitoring-Instrumentes aussehen kann, wird beispielhaft anhand von zwei Kennzahlen und mit Bezug zu einer konkreten Verfahrensvorschrift aus dem SGB IX – hier § 18 – gezeigt.

Was besagt § 18 SGB IX?

Wenn über einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe nicht innerhalb von zwei Monaten ab Antragseingang entschieden werden kann, muss der leistende Reha-Träger der bzw. dem Antragstellenden die Gründe für die längere Verfahrensdauer und das voraussichtliche Datum der Entscheidung schriftlich mitteilen (begründete Mitteilung, § 18 Abs. 1 SGB IX). Der § 18 normiert damit den Umgang mit Verzögerungen und Fristüberschreitungen im Antragsverfahren.

Unterbleibt die begründete Mitteilung durch den leistenden Reha-Träger oder ist das genannte Entscheidungsdatum abgelaufen, ohne dass die Entscheidung mitgeteilt oder eine weitere Mitteilung verschickt wurde, gilt die beantragte Leistung als genehmigt (Genehmigungsfiktion, § 18 Abs. 3 SGB IX). Beschafft sich die bzw. der Leistungsberechtigte die Leistung dann selbst, muss der leistende Reha-Träger diese erstatten, wobei der Anspruch nur auf Kostenerstattung, nicht aber auf die begehrte Sachleistung besteht.2 Damit entwickelt § 18 das Recht auf Selbstbeschaffung von Leistungen weiter und soll die Position des bzw. der Leistungsberechtigten gegenüber dem Leistungsträger stärken.
Der THVB liefert die Antworten auf zwei Fragen aus der Reha-Praxis:

  • Bei wie vielen entschiedenen Anträgen auf Reha- und Teilhabeleistung wurde mindestens eine begründete Mitteilung verschickt?
  • Wie viele Anträge auf Erstattung einer selbstbeschafften Leistung wurden bewilligt?

Mehr als digitale Inhalte

Die nebenstehende Abbildung zeigt die Antworten auf die beiden Fragen anhand der vorläufigen Ergebnisse aus dem THVB 2023 (Berichtsjahr 2022).
Über 2,7 Millionen Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe haben die Reha-Träger in 2022 entschieden. Bei 1.776 entschiedenen Anträgen wurde mindestens eine begründete Mitteilung verschickt. Insgesamt 158 Anträge auf Erstattung selbstbeschaffter Leistungen wurden in 2022 von Reha- Trägern abschließend beurteilt. Der überwiegende Anteil wurde bewilligt (81,6 %) und nur etwa ein Fünftel (18,4 %) abgelehnt.

Fazit

Die Kennzahlen aus dem THVB zeigen, dass die Regelungen des § 18 in der Reha-Praxis Anwendung finden. Im Verhältnis zu allen entschiedenen Anträgen auf Reha- und Teilhabeleistungen machen sowohl die verschickten Mitteilungen als auch die entschiedenen Erstattungsanträge jedoch nur einen sehr geringen Anteil aus (weniger als 1 %). Daneben zeigen die Kennzahlen, dass wenn Leistungsberechtigte erforderliche Teilhabeleistungen eigens beschaffen und eine Kostenerstattung geltend machen, dieser Anspruch größtenteils bewilligt wird (über 80 %).

 

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Mehrheit aller Anträge auf Teilhabeleistungen zeitnah entschieden werden, so dass keine Mitteilungen verschickt oder Leistungen selbst beschafft werden müssten. Die vergleichsweise geringe Anzahl an Erstattungen selbstbeschaffter Leistungen könnte aber auch darin begründet sein, dass die Möglichkeit einer Selbstbeschaffung mit hohen Hürden verbunden sein kann. Schließlich muss der bzw. die Leistungsberechtigte zunächst in finanzielle Vorleistung treten, was nicht immer möglich ist. Eine qualitative Einordnung der Kennzahlen aus dem THVB können letztlich aber nur die Reha-Träger selbst geben.

 

Hinweis zu den Daten
Es handelt sich um vorläufige Ergebnisse unter Vorbehalt möglicher Korrekturen. Die Träger der Jugendhilfe, Eingliederungshilfe und Kriegsopferfürsorge sind vom Versenden begründeter Mitteilugen ausgenommen (§ 18 Abs. 7 SGB IX). Sind diese Träger jedoch leistende Träger im Rahmen einer Beteiligung mit anderen Trägern, melden sie die entsprechenden Mitteilungen der beteiligten Träger für den THVB. Die Berechnung bei den Mitteilungen basiert auf den Daten der Träger für das Berichtsjahr 2022, von denen Angaben zur Anzahl der Anträge mit mindestens einer Mitteilung vorliegen und bei denen mindestens ein Gesamtantrag im Berichtsjahr entschieden wurde. Die Berechnung bei den Erstattungen basiert auf den Daten der Träger für das Berichtsjahr 2022, von denen sowohl Angaben zur Anzahl der bewilligten als auch zur Anzahl der abgelehnten Anträge auf Erstattung selbstbeschaffter Leistungen vorliegen und die mindestens einen solchen Erstattungsantrag im Berichtsjahr entschieden haben. Alle THVB sind veröffentlicht unter www.thvb.de.

 

1 Für weiterführende Informationen über den Teil-habeverfahrensbericht siehe u. a.: § 41 SGB IX; www.thvb.de; Schüring, Stefan (2023): Der Teil-habeverfahrensbericht als Steuerungsinstrument – Arbeiten mit Kennzahlen. In: Rehabilitation 62 (03), S. 140–143. DOI: 10.1055/a-2078-0331
2 Es bestehen weitere Ausnahmen für die Erstattungspflicht, siehe § 18 Abs. 5 und Abs. 7.