Basiskonzept für die Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Das b3-Projekt hatte das Ziel, gemeinsam mit Reha-Trägern, Leistungserbringern und Menschen mit Behinderungen bzw. ihren Vertretern abgestimmte und übergreifende Grundlagen für die Bedarfsermittlung in der beruflichen Rehabilitation zu entwickeln. Die Ergebnisse des Projekts wurden am 29. Mai 2018 im Rahmen einer Abschlussveranstaltung in Berlin der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Das neuentwickelte Konzept berücksichtigt an die neuen gesetzlichen Grundlagen zur Bedarfsermittlung in § 13 SGB IX.

Passgenaue Leistungen zur Teilhabe sind maßgeblich für die individuellen Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen. Die Bedarfsermittlung ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Phase und hat für die weitere Rehabilitation eines Menschen eine zentrale Bedeutung. Dies wurde durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) nochmals unterstrichen. Wie ein individueller Teilhabebedarf ermittelt wird, lag bisher in der Hand einzelner zuständiger Akteure. Eine übergreifende fachliche-inhaltliche Grundlage, als gemeinsame Basis für die Bedarfsermittlung von Reha-Trägern und Leistungserbringern fehlte bislang. Das nun entwickelte Konzept ergänzt und vertieft geltende Grundlagen, an denen sich die beteiligten Akteure bei der Bedarfsermittlung bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben orientieren können.

Hintergrund des Projekts

Bislang werden viele unterschiedliche Instrumente bei der Bedarfsermittlung eingeeingesetzt, nicht nur bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Eine Studie im Vorfeld des b3-Projekts zeigte außerdem wesentliche Weiterentwicklungspotenziale im Bereich der Instrumente zur Bedarfsermittlung in der beruflichen Rehabilitation auf.
Daran knüpfte das b3-Projekt (2015 – 2018) an. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke (BAG BBW) als Koordinierungsstelle für die acht Leistungserbringer-Verbände in der beruflichen Rehabilitation sowie die Hochschule Magdeburg-Stendal entwickelten gemeinsam ein Konzept für die Bedarfsermittlung. Die nun vorliegenden Ergebnisse des vom BMAS geförderten Projekts – ein Basiskonzept für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben samt einer Instrumentendatenbank - können als Arbeitshilfe für Reha-Fachkräfte angesehen werden, die eine Bedarfsermittlung durchführen.

Bedarfsermittlung im Einzelnen

Die Bedarfsermittlung – im Sinne des Konzepts – bezeichnet das Vorgehen, welches auf individueller Ebene Informationen zur Prüfung bzw. Konkretisierung eines vorliegenden Teilhabebedarfs erhebt, bündelt und auswertet. Die Bedarfsermittlung schafft somit die notwendigen Voraussetzungen für die formale Festlegung eines Teilhabebedarfs (Bedarfsfeststellung).
Bedarfsermittlung findet in verschiedenen Phasen des Rehabilitationsprozesses und sowohl bei Reha-Trägern als auch bei Leistungserbringern statt. Im Einzelnen sind bei der Bedarfsermittlung jedoch unterschiedliche Zielstellungen relevant. Diese ergeben sich aus der institutionellen Rolle des Akteurs sowie dem Zeitpunkt ihrer Durchführung. Im Rahmen des Leistungszugangs und der Leistungsbewilligung (Initiierung von LTA) sind auf Basis von Beeinträchtigungen Teilhabeziele zu entwickeln und möglichst passende Leistungen und Hilfen zur Konkretisierung von Teilhabe zu identifizieren (Leistungsbemessung). Dies ist insbesondere die Aufgabe der Reha-Träger. Für sie sind Ergebnisse der Bedarfsermittlung die Basis für eine ggf. folgende Teilhabeplanung und für Auswahlentscheidungen über individuell geeignete und erforderliche Leistungen zur Erreichung der jeweiligen Teilhabeziele (Leistungsauswahl). Gleichwohl nutzen Reha-Träger zur Erfüllung dieser Aufgaben die Angebote von Leistungserbringern.

Ergebnisse und Konzepte

Das Konzept bildet die Basis dafür, die Menschen mit Behinderungen in die Bedarfsermittlung einzubeziehen. Nicht nur dafür war ein zwischen Reha-Trägern, Leistungserbringern und Menschen mit Behinderungen abgestimmtes Verständnis von sozialpolitischen Forderungen und sozialrechtlichen Anforderungen an die Bedarfsermittlung nötig. Dieses gemeinsame Verständnis von Grundanforderungen wurde in einem aufwändigen Abstimmungsprozess hergestellt und bildet neben dem bio-psycho-soziale Modell einen weiteren Eckpfeiler des Konzepts.
Unter Nutzung des bio-psycho-sozialen Modells erheben die Ergebnisse den Anspruch, Prozesse und Ergebnisse der Bedarfsermittlung einheitlicher zu strukturieren und ganzheitlicher zu gestalten. Mit dem Konzept, als zentrales Produkt des b3-Projekts, ist eine Arbeitshilfe für Reha-Fachkräfte entstanden, um die Umsetzung sozialgesetzlicher Normen in der Bedarfsermittlung nachvollziehbar durchzuführen.
Mit Abschluss des b3-Projekts stehen auf der Website der BAR (www.bar-frankfurt.de) demnächst zwei Produkte zur Verfügung: Ein Basiskonzept zur Ermittlung von Teilhabebedarf in der beruflichen Rehabilitation sowie eine Instrumentendatenbank zur Auswahl von geeigneten Instrumenten bei bestimmten Fragestellungen während der Ermittlung von Teilhabebedarf.

Arbeitsmodell zur Bedarfsermittlung bei LTA

Bei jeder Bedarfsermittlung ist eine Vielzahl von Informationen relevant, um den Teilhabebedarf eines Menschen bestimmen zu können. Das Kapitel 4 des Konzepts beschäftigt sich mit Inhalten der Bedarfsermittlung sowie deren Verhältnis zueinander.* Hierzu wird sich eines strukturierenden Arbeitsmodells unter Nutzung des bio-psycho-sozialen Modells der WHO bedient. Mit dem Arbeitsmodell können Inhalte unabhängig von ihrer Form oder ihres Ursprungs strukturiert werden. Weiterhin hilft das Modell dabei, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Inhalten der Bedarfsermittlung zu verdeutlichen. Zu den Inhalten einer Bedarfsermittlung im Bereich berufliche Rehabilitation zählen:

  • die Biographie des Leistungsberechtigten,
  • seine Gesundheitsprobleme,
  • die Auswirkungen der Gesundheitsprobleme auf die Körperfunktionen und -strukturen sowie auf die Aktivitäten und Teilhabe des Leistungsberechtigten,
  • relevante Kontextfaktoren, die in der Umwelt (Umweltfaktoren) oder in der Person selbst (personbezogene Faktoren) liegen können, mit Einfluss auf die individuelle Teilhabe sowie
  • die Kompetenzen des Leistungsberechtigten und
  • seine individuellen Ziele.

* Sicherlich ist in Abhängigkeit vom jeweiligen Akteur der Bedarfsermittlung nicht auszuschließen, dass weitere Inhalte,die hier nicht explizit aufgeführt werden, im Einzelfall bedeutsam sind und zu einer Vertiefung der Bedarfsermittlung führen.

Für Reha-Fachkräfte stehen während einer Bedarfsermittlung zwei Fragen im Fokus, auf die das Basiskonzept explizit Bezug nimmt:

1. Was ist im Einzelfall zu ermitteln? und
2. Wie können die Informationen ermittelt werden?

Einzelne Informationen sind dabei im Dialog mit dem Leistungsberechtigten zu ermitteln. Die gewonnenen Erkenntnisse können jedoch nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, vielmehr stehen sie in Wechselwirkung miteinander. In einer Bedarfsermittlung sind zwei Abhängigkeiten zentral:

  • Informationen, die sich aus den Inhalten Funktionsfähigkeit und Behinderung, der Biographie und den Kompetenzen eines Menschen zusammensetzen, korrespondieren
  • mit den (gemeinsam entwickelten) Zielen des Leistungsberechtigten.

Alle ermittelten Informationen stehen miteinander in Verbindung, z. B. bestimmen sie ihre gegenseitige Ermittlungstiefe. Neben dieser ersten Abhängigkeit erfolgt stets eine Beurteilung des aktuellen Ermittlungsstands. Dieser speist sich aus den Zielen sowie den inhaltlichen Ermittlungen zum Teilhabebedarf. Die Reha-Fachkraft beurteilt anhand der erhobenen Informationen, ob ein ausreichender Kenntnisstand zur Einleitung einer Festlegung des Bedarfs vorliegt oder noch weitere Aktivitäten zur Gewinnung von Informationen nötig sind.

Instrumentendatenbank (Toolbox)

Das Basiskonzept stellt zugleich den Bezugsrahmen für über 300 Instrumente dar, die innerhalb der berufl ichen Rehabilitation eingesetzt werden. Ein Großteil dieser Instrumente fi ndet sich nun in Form von Steckbriefen in der Instrumentendatenbank wieder.

Die Datenbank hat das Ziel, Reha-Fachkräfte bei der Suche und Auswahl von Einzelinstrumenten, bzw. bei der Ermittlung bzw. Beantwortung einer spezifischen Fragestellung zu unterstützen. Dies kann z. B. die valide Einschätzung von Fähigkeitensein, die im berufl ichen Kontext erforderlich sind (Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit etc.).In der Praxis wird eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelinstrumente i.S.v. Arbeitsmitteln zur Bedarfsermittlung eingesetzt. Diese unterscheiden sich insbesondere darin, wozu sie Informationen erheben (Was misst ein Instrument?). Durch die Analyse der Instrumente wurde eine Zuordnung ihrer Konstrukte (Messgegenstände) zum bio-psycho-sozialen Modell vorgenommen.

Die Projektergebnisse finden Sie demnächst auf www.bar-frankfurt.de