Editorial Reha-Info 04/2023

Liebe Leserin und lieber Leser,

vielleicht kennen Sie das: Die Bahn fährt, endlich. Ein letzter Pfiff, dann geht es tatsächlich los. 45 Minuten drüber, aber was soll‘s, wir sind unterwegs. Seit ein paar Wochen pendele ich jetzt zwischen Köln und Frankfurt. Bahnfahrer kennen die Umstände. Der Zug ist voll, es gibt Gerangel um die letzten Sitzplätze. Mir gegenüber setzt sich ein Mann und lächelt. Puh, geschafft. Irgendwann kommen wir ins Gespräch. Die Bahn, haha. Corona, Klima, Krieg, Krise. Und dann erzählt er, dass er Osteopath sei und mit Kindern arbeite, Kindern mit spastischen Erkrankungen aus unterschiedlichsten Gründen. Die Eltern blieben bei der Versorgung ihrer Kinder mit orthopädischen Hilfsmitteln häufig auf den Kosten sitzen. Warum müssen die Eltern dafür zahlen? Gibt es hier keine Leistungsansprüche? Oder sind das bloß behebbare Störungen eines sonst funktionierenden Systems?

Womit wir bei der aktuellen Ausgabe der Reha-Info wären: „Reha zahlt sich aus?!“ Und bei der Frage, muss sich etwas auszahlen damit es gerechtfertigt ist? Oder anders gefragt: „Was kostet uns Ihre Gesundheit?“ Die Beiträge der Ausgabe zeigen ein Bild zwischen Optimismus und Ernüchterung. Angespannt ist die Finanzlage sowohl bei medizinischen wie bei beruflichen Leistungserbringern unter anderem aufgrund rückläufiger Anträge und explodierender Kosten bedingt durch Energiekrise und Inflation (Seiten 6 und 10). Angespannt ist aber häufig auch die Finanzsituation von Menschen mit Behinderungen selbst (Seite 11). Dass es auch positive Beispiele der Teilhabe am Arbeitsleben gibt, wird im Unternehmens-Interview auf Seite 7 deutlich.

Seit beinahe zwei Monaten arbeite ich jetzt als neue Geschäftsführerin der BAR. Die Begegnung mit dem netten Osteopathen in der Bahn ganz zu Beginn beschäftigt mich immer noch. Kann Effizienzdenken nur mit eingeschränkter Teilhabe, Inklusion, Barrierefreiheit oder auch Selbstbestimmung funktionieren? Ich glaube nicht. Unsere Aufgabe ist es, deutlich zu machen, dass Rehabilitation sich vielleicht nicht immer rechnet, aber immer lohnt. In diesem Sinne freue ich mich auf den Austausch mit Ihnen, auf die gemeinsame Anstrengung, unser Sozialleistungssystem gerade auch in Krisenzeiten auf eine solide Grundlage zu stellen.

Herzliche Grüße und alles Gute für Sie

Ihre Gülcan Miyanyedi