Dritter Teilhabeverfahrensbericht zeigt Entwicklungen im Reha- und Teilhabesystem auf

Antragsrückgang und kürzere Bearbeitungsdauer

Blickt man auf das Jahr 2020, hatte nicht nur der Ausbruch der SARSCoV-2-Pandemie unmittelbare Auswirkungen auf das System der Rehabilitation und Teilhabe. Auch wichtige gesetzlich induzierte Fortentwicklungen haben stattgefunden, wie zum Beispiel das Inkrafttreten der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Die Daten aus dem Teilhabeverfahrensbericht nach § 41 SGB IX liefern konkrete Einblicke in die Entwicklungen und zu den Auswirkungen auf das Antrags- und Leistungsgeschehen im Bereich der Rehabilitation und Teilhabe. Die BAR hat am 30. Dezember 2021 den dritten Teilhabeverfahrensbericht veröffentlicht. Dem Bericht liegen die Daten der Rehabilitationsträger aus dem Jahr 2020 zugrunde.

Mit dem dritten Teilhabeverfahrensbericht können erstmals die Daten zu ausgewählten Sachverhalten aus zwei Berichtsjahren – 2019 und 2020 – mittels Zeitreihenanalyse verglichen und Veränderungen aufgezeigt werden. Der Hintergrund, die Zielsetzung und allgemeine Informationen zur Methodik des Teilhabeverfahrensberichts sind in der Reha-Info 1/2020 1 ausführlich beschrieben. Im Nachfolgenden werden ausgewählte Ergebnisse aus dem aktuellen Teilhabeverfahrensbericht vorgestellt.

Ausgewählte Ergebnisse

Für den dritten Teilhabeverfahrensbericht liegen Daten von 1.064 Trägern vor. Die Meldequote liegt bei knapp 85 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt waren 1.258 Rehabilitationsträger für das Berichtsjahr 2020 bei der BAR für eine Datenübermittlung registriert. Knapp 15 Prozent der Rehabilitationsträger sind ihrer gesetzlichen Berichtspflicht nicht nachgekommen (Nicht-Meldung).
Auch sie werden im Teilhabeverfahrensbericht abgebildet.

Anzahl gestellter Anträge
In 2020 sind knapp 2,8 Millionen Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe bei den Rehabilitationsträgern eingegangen. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich bei den gestellten Anträgen ein Rückgang um 14,7 Prozent 2 (siehe Abb. 1).

Bearbeitungsdauer von Anträgen
Die Bearbeitungsdauer ergibt sich aus der Zeit vom Antragseingang beim leistenden Rehabilitationsträger bis zur Entscheidung über den Antrag. In 2020 dauerte es im Durchschnitt 21,7 Tage bis zur Entscheidung über einen Antrag – unabhängig davon, wie über einen Antrag entschieden wurde. Wird ein Antrag vollständig oder teilweise bewilligt, dauerte es 2020 im Vergleich zu 2019 durchschnittlich 1,5 Tage 3 kürzer, bis die Entscheidung vorlag.

Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (nach § 18 SGB IX)
Wenn über einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe nicht innerhalb von zwei Monaten ab Antragseingang entschieden werden kann, teilt der leistende Rehabilitationsträger dem Antragstellenden vor Ablauf der zwei Monate die Gründe hierfür und das voraussichtliche Datum der Entscheidung schriftlich mit. Erfolgt keine begründete Mitteilung oder ist der in einer begründeten Mitteilung genannte Zeitraum abgelaufen, gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschafft sich die bzw. der Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung dann selbst, ist der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der selbstbeschafften Leistungen verpflichtet. Dies gilt nicht für die Trägerbereiche EGH, JH und KOF (§ 18 Abs. 7 SGB IX). Eine Verpflichtung zur Erstattung selbstbeschaffter Leistungen in Fällen der Unaufschiebbarkeit oder der unberechtigten Ablehnung einer beantragten Leistung gilt hingegen für alle Trägerbereiche (§ 18 Abs. 6 SGB IX).
Von insgesamt 158 in 2020 entschiedenen Erstattungsanträgen, wurden knapp 94 Prozent bewilligt (Erstattung in voller Höhe als auch Erstattung eines Teils der Aufwendungen; siehe Abb. 2).

Widersprüche
Antragstellende haben die Möglichkeit, gegen die Leistungsentscheidungen eines Rehabilitationsträgers rechtlich vorzugehen. Für den Teilhabeverfahrensbericht werden Rechtsbehelfe in Form von Widersprüchen und Klagen erfasst. Der Erfolg eines Widerspruchs oder einer Klage wird hier aus Sicht der Leistungsberechtigten formuliert. Ein Rechtsbehelf wird im Teilhabeverfahrensbericht also als erfolgreich erfasst, wenn ihm aus Sicht der Leistungsberechtigten stattgegeben wurde. In 2020 sind die Hälfte aller eingegangenen Widersprüche zugunsten von Leistungsberechtigten entschieden worden. Diese und weitere Ergebnisse werden im dritten Teilhabeverfahrensbericht in Kapitel 3 gezeigt.

Abbildung 1: Absolute Anzahl der Gesamtanträge nach Trägerbereich und Berichtsjahr

Arbeiten mit dem Teilhabeverfahrensbericht

Der Gesetzgeber hat mit dem Teilhabeverfahrensbericht ein Instrument geschaffen, das sowohl den gegenwärtigen Stand als auch Veränderungen der Entscheidungsprozesse der Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe darstellt und somit die Transparenz im Reha-Leistungsgeschehen erhöht. Der Teilhabeverfahrensbericht etabliert sich als wertvolle Informationsgrundlage für die Betrachtung von Entwicklung im System der Rehabilitation und Teilhabe. Dadurch wird Transparenz hergestellt, die es allen handelnden Akteuren ermöglicht, Weiterentwicklungen anzustoßen und das Ergebnis der Veränderungsprozesse im Zeitverlauf zu betrachten. Im Frühjahr 2022 übermitteln die Rehabilitationsträger ihre Daten für den vierten Teilhabeverfahrensbericht, der Ende 2022 erscheinen wird. Auch dieser Bericht wird wieder interessante Einblicke in die Entwicklungen der trägerübergreifenden Zusammenarbeit und des Reha- und Teilhabesystems insgesamt geben.

Abbildung 2: Prozentuale Verteilung der bewilligten bzw. abgelehnten Anträge auf Erstattung selbstbeschaffter Leistungen

Diese Darstellung basiert auf den Daten der Träger,von denen sowohl Angaben zur Anzahl der bewilligten als auch zur Anzahl der abgelehnten Anträge auf Erstattung selbstbeschaffter Leistungen vorliegen und die mindestens einen solchen Erstattungsantrag bewilligt oder abgelehnt (also mindestens einen Erstattungsantrag entschieden) haben. Datengrundlage: 158 entschiedene Erstattungsanträge von 51 Trägern. Absolute Werte im Bereich von 1 bis einschließlich 4 werden aus Gründen des Datenschutzes in dieser Darstellung nicht berücksichtigt. ©BAR 2022