Mehr Teilhabe und neue Barrieren

Soziale Medien

Soziale Medien wie Twitter, Facebook und Instagram erfahren viel Kritik. Genannt seien Hate Speech, Fake News und fehlender Datenschutz. Dennoch gehören die Dienste zum Alltag. Gerade für Menschen mit Behinderung können sie sogar gleichbedeutend sein mit Inklusion und Teilhabe.

Häufig machen Menschen mit Behinderungen in sozialen Medien die Erfahrung, dass es leicht ist, mit Menschen ohne Behinderungen ins Gespräch zu kommen. Menschen mit und ohne Behinderungen bewegen sich in gewisser Weise auf Augenhöhe, weil sie dieselbe Plattform nutzen, für sie hierdurch die gleichen Kommunikationsregeln und technischen Voraussetzungen gelten. Ein Teil der Unsicherheiten, Vorurteile und Zugangsbarrieren, die den Einstieg bei persönlichen Begegnungen erschweren, fallen auf Twitter und Co. weg.

Aber selbstverständlich gibt es auch Hürden. So verfügen die meisten Bilder nicht über einen Alternativtext. Was heißt das? Blinde und sehbehinderte Menschen surfen zumeist mit Hilfe einer Screenreader-Software. Diese wandelt den Bildschirminhalt am Computer oder Smartphone so um, dass er von einer künstlichen Sprachausgabe vorgelesen werden kann. Gleichzeitig kann er auch mit den Fingern über eine Braillezeile gelesen werden. Das ist ein Gerät, das den Bildschirminhalt zeilenweise in Blindenschrift ausgibt. Die Sozialen Medien bestehen heute aber nicht nur aus Text, sondern zu großen Teilen aus Foto- und Videoinhalten. Auch diese können zugänglich gemacht werden.

Alle drei eingangs genannten Plattformen – also Twitter, Facebook und Instagram – bieten die Möglichkeit, Fotos zu beschreiben. Beim Posten von Bildern haben die Nutzenden die Möglichkeit, eine Bildbeschreibung einzugeben. Diese wird dann von den Screenreadern erkannt und von Sprachausgabe und Braillezeile ausgegeben. Blinde und sehbehinderte Menschen erfahren so, was auf dem Foto zu sehen ist. Für sehende Menschen bleibt dieser Alternativtext dagegen unsichtbar.

Alternativtexte nutzen

Vielen sehenden Menschen sind diese Barrierefreiheitsfunktionen nicht bekannt. Andere scheuen die Mühen. Dabei ist der Aufwand – mit etwas Übung – gar nicht so groß. Und jeder Alternativtext ist besser als keiner. Denn bisher ist es noch viel zu häufig so, dass Bilder in den sozialen Medien gar keinen haben. Und so grenzen diese Beiträge blinde und sehbehinderte Menschen aus. Das gilt sowohl für Posts von Privatpersonen, aber auch für prominente Influencerinnen und Influencer und sogar für Accounts von öffentlichen Stellen, Politikerinnen und Politikern sowie Parteien. Auf Facebook und Instagram gibt es zwar eine automatisierte Bilderkennung durch künstliche Intelligenz. Diese ist aber längst nicht so präzise wie eine durch Menschenhand verfasste Bildbeschreibung.

Neben den genannten Hürden entstehen auch für andere Menschen mit Behinderungen neue Barrieren in den sozialen Medien. Zu nennen sind der Ausschluss von gehörlosen Menschen von Audio-Formaten wie Twitter-Spaces oder beim Netzwerk Clubhouse. So schließen beispielsweise Videos ohne Untertitel gehörlose und schwerhörige Menschen von der Interaktion aus.

Darüber hinaus kann Sprache aus sozialen Netzwerken ausgrenzen. Fremdwörter, komplizierter Satzbau usw. machen es Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch Fremdsprachlerinnen und -sprachlern, schwer, den Posts zu folgen.

Die sozialen Medien haben also ein enormes Potenzial für mehr Teilhabe. Gleichzeitig schaffen sie neue Hürden. Es liegt am Gesetzgeber, den Anbietern verbindliche Vorgaben für mehr Barrierefreiheit zu machen, gleichzeitig sollten die Anbieter bei Innovationen das Thema Zugänglichkeit schon während der Produkt-Entwicklung einbeziehen und zudem die bestehenden Accessibility-Features auch offensiv bewerben. Denn schließlich sind die Nutzenden gefordert. Sie sollten Bildbeschreibungen und Untertitel einfügen und eine verständliche Sprache wählen. So können alle dazu beitragen, dass die sozialen Medien zugänglich sind und Menschen mit Behinderungen nicht ausgeschlossen werden.