Interview

Vier Fragen an Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen zum Thema Partizipation

Was verstehen Sie unter Partizipation und Personenzentrierung im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention?
Die UN-Behindertenrechtskonvention sieht Wahlfreiheit und Partizipation als Menschenrecht. Wunsch und Wahlrecht sind dabei die Voraussetzung dafür, Personenzentrierung und Partizipation zu ermöglichen. Das bedeutet, dass die Bedürfnisse des Einzelnen im Reha-Geschehen stärker zu berücksichtigen sind. Die einzelnen Menschen müssen von Anfang an und zielgerichteter an den Entscheidungen darüber beteiligt werden, wie, wo und durch wen ihre Rehabilitation erfolgen soll.

Wie kann dieser Individualisierungsanspruch im Reha-Geschehen umgesetzt werden?
Bei diesem Prozess muss der Mensch mit Behinderungen im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist zunächst eine gute Kommunikation um Kenntnisse über die Lebenssituation, über die Ziele, Fähigkeiten und Hilfebedarfe zu erlangen. Konkret heißt das, für jeden Menschen einen individuell auf ihn zugeschnittenen Teilhabeplan und auf seine Bedürfnisse angepasste Maßnahmen zu erarbeiten. Entsprechend müssen die Leistungsangebote anders organisiert werden, mit flexiblen Mitarbeitern, die mal mehr und mal weniger unterstützen und begleiten.
Wichtig sind wohnortnahe Leistungen und eine wachsende Berufsorientierung der medizinischen Reha-Maßnahmen. Einige Träger sind hier sicher auf einem guten Weg. Durch individuell angepasste Beratungsleistungen und ein trägerübergreifendes Unterstützungsangebot soll erreicht werden, Rehabilitanden wieder in den Erwerbsprozess zu integrieren. Dabei ist der Übergang zwischen beruflicher Reha und der Arbeitswelt immer noch schwierig. Da hoffe ich auf eine Weiterentwicklung der freien Wirtschaft, damit es selbstverständlicher wird, dass der jeweilige Arbeitsplatz an die Bedürfnisse des Rehabilitanden angepasst wird.

Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich daraus für die Reha-Träger?
Damit Partizipation und Personenzentrierung wirklich umgesetzt werden können, gilt es, die Handlungsspielräume in der Verwaltung zu nutzen. Dafür werden trägerübergreifende Standards benötigt. Und: Jenseits der Infos durch reine Fachleute hat sich die Peerberatung als zusätzliche Informationsquelle bewährt. Bei DGUV und DRV wird dies teilweise bereits vollzogen. Beratung von Menschen mit Behinderungen durch Menschen mit Behinderungen ist unverzichtbar, um praktische Lösungen für den Einzelnen zu finden. Denn in den Reha-Einrichtungen und bei den Trägern wird schon darüber diskutiert, dass sich etwas ändern muss. Aber in der Praxis werden Personenzentrierung und Partizipation noch zu wenig umgesetzt.
Auf meiner Wunschliste für bessere Reha stehen mehr Reha-Stätten in der Nähe von Wohnorten, mehr Vorabinformationen durch die Anbieter und passgenauere Angebote, wie etwa aufsuchende, mobile Reha. Es gibt zwar Hilfeplanungen, aber oft sind diese nicht partizipativ. Die zuständigen Ansprechpartner stehen Rehabilitanden nicht immer in ausreichendem Maß zur Verfügung. Hinzu kommt, dass Ärzte oft keine Reha-Erfahrung haben. Und die Strukturen sind immer noch zu wenig flexibel.

Wie können partizipative Ansätze gesetzlich noch verbindlicher verankert werden?
Partizipation von Beginn des Rehabilitationsprozesses an ist die Grundlage für eine erfolgreiche Rehabilitation. Das erfordert eine Einbeziehung der betroffenen Menschen auf Augenhöhe bei der Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs und bei der Feststellung der Leistungen, sprich der Teilhabeplanung. Das Bundesteilhabegesetz enthält verschiedene Ansätze, die das sicherstellen sollen, wie etwa eine neue, trägerunabhängige Beratung sowie die Durchführung einer Teilhabeplankonferenz, bei der Vertrauenspersonen hinzugezogen werden können.