BIH und Rehabilitationsträger - Klare Zuständigkeiten

Ein Interview mit Karl-Friedrich Ernst
Eindeutige Zuständigkeiten und dadurch schnellere Hilfe für schwerbehinderte Menschen und ihre Arbeitgeber – das ist das Ziel einer aktuellen Verwaltungsabsprache der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) mit Trägern der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung sowie der Bundesagentur für Arbeit. Hierbei geht es um Leistungen, bei denen der Gesetzgeber nicht klar geregelt hat, wer die Kosten übernehmen muss.

Am 1.März 2015 ist eine Verwaltungsabsprache zwischen den Rehabilitationsträgern und den  Integrationsämtern zur Zuständigkeit in Kraft getreten, über die bei der BAR verhandelt wurde. Was ist ihr Hintergrund?

Zunächst: Dieses Papier ist nicht ganz neu, sondern wir haben eine Vereinbarung aktualisiert, die es schon im Jahr 2002 gab. Über die Aktualisierung haben wir nun weit über ein Jahr in mehreren Sitzungen verhandelt, was zeigt, wie schwierig die neu aufgetretenen Probleme und Fragestellungen zu lösen waren. Wir sind sehr froh, dass nun ein gutes Ergebnis vorliegt.

Was ist Inhalt der Verwaltungsabsprache?
In der Verwaltungsabsprache geht es darum, schwierige materiell-rechtliche Abgrenzungsprobleme an der Schnittstelle zwischen Leistungen der Rehabilitationsträger zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) und den Leistungen der Integrationsämter in der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (bHiA) zu lösen. Es gibt bis heute viele Überschneidungen und Unklarheiten im Gesetz, wer zuständig ist. Beispiel: Eine behinderungsgerechte Ausstattung eines Arbeitsplatzes kann beides sein, LTA oder bHiA. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, wann es das eine oder andere ist. Auch die rein verfahrensrechtliche Abgrenzung in § 14 SGB IX löst das nicht. Sie kann nur verhindern, dass Zuständigkeitsstreitigkeiten einfach monate- oder sogar jahrelang auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden, wie es früher nicht selten vorkam. Gleichzeitig soll jeder Leistungsträger nach § 4 SGB IX seine Leistungen so vollständig erbringen, dass Leistungen anderer Träger nicht erforderlich werden. Die Integrationsämter dürfen Rehabilitationsleistungen auch nicht aufstocken.

Wie kann man solche Abgrenzungsfragen inhaltlich sauber klären?
Indem man nach Kriterien sucht, mit denen man die Leistung entweder den Leistungen der Rehabilitationsträger oder denen der Integrationsämter zuordnen kann. Eine erstmals aufgetretene schwere Behinderungdeutet zum Beispiel auf einen Rehabilitationsbedarf hin. So haben wir es dann auch vereinbart. Manches Problem mussten wir auch gleichsam wie einen gordischen Knoten durchschlagen und einen Kompromiss finden. Solche Lösungen verdienen dann sicher keinen Schönheitspreis, aber wenn sie
tragfähig sind, erleichtern sie ungemein die Arbeit.

Welche gesetzlichen Leistungsträger waren beteiligt?
Im Grunde alle, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen. Wobei es in der Praxis hauptsächlich zwischen den Integrationsämtern und der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung gehakt hat. Aber auch die gesetzliche Unfallversicherung war beim Zustandekommen der Absprache aktiv beteiligt.

Welche Bedeutung hat die Verwaltungsabsprache in der Praxis?
Über die Jahre hat sie eine erhebliche Bedeutung erlangt. Sie hat zu deutlich mehr Sicherheit in der Beantwortung der Abgrenzungsfragen geführt. Die Verfahren dauern kürzer und es profitieren alle: Die  Menschen mit Behinderung, ihre Arbeitgeber und natürlich auch die Leistungsträger selbst. Bevor es die
Verwaltungsabsprache gab, waren bei den Verwaltungs- oder Sozialgerichten permanent zahlreiche Erstattungsverfahren zwischen den gesetzlichen Leistungsträgern anhängig. Natürlich mit langer Verfahrensdauer und sich teilweise widersprechenden Urteilen. Inzwischen sind so gut wie keine  Gerichtsverfahren mehr anhängig. Mein eigenes Integrationsamt in Baden-Württemberg hatte noch vor Jahren immer Dutzende von Erstattungsverfahren gleichzeitig laufen, derzeit kein einziges mehr. Es soll ja nicht Sinn unserer Arbeit sein, dass sich die Verwaltungen untereinander beschäftigen, wir sind schließlich für die betroffenen Menschen mit Behinderung da.

Warum war nun die Aktualisierung der Verwaltungsabsprache so schwierig und dauerte so lange?
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen hatten sich doch zuletzt kaum verändert.
Die Gespräche waren stets konstruktiv und es lag bestimmt nicht am fehlenden guten Willen der Beteiligten. In der Praxis entdecken wir aber immer neue Punkte, die unklar sind und die wir abstimmen müssen. Teilweise bestand auch Korrekturbedarf, weil sich das eine oder andere aus der früheren Absprache als nicht optimal erwies.
Zum Beispiel, wie wir bei einem Bedarf verfahren, der alle paar Jahre wieder neu auftritt, wie beim Verschleiß einer technischen Arbeitshilfe, also bei einer wiederholten Förderung. Soll dann ein Leistungsträger an eine frühere falsche Entscheidung für die Dauer des ganzen Berufslebens eines Antragstellers gebunden sein?
Ein ganz schwieriges Thema war es auch, wie wir bei der Leistung der Arbeitsassistenz in  Ausbildungsverhältnissen und unmittelbar danach verfahren. Hier lagen zwar bereits höchst-richterliche Urteile des BSG vor, aber auch sie wurden unterschiedlich interpretiert. Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des SGB IX hatte die neue Leistung der Arbeitsassistenz nur in sehr wenigen Fällen Bedeutung. Das sieht heute ganz anders aus. Aber auch hier konnten wir uns inzwischen auf einen Kompromiss verständigen.
Die Verwaltungsabsprache findet sich im Internet unter www.integrationsaemter.de