Beruflicher Wiedereinstieg

 

Willkommen zurück – sollte es heißen, wenn ein Beschäftigter nach langer Krankheit an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Aber wie und wohin kommt der Mitarbeiter zurück? Und wie willkommen ist er? Nicht jeder kann einfach weiter machen, wo er vor der Krankheit aufgehört hat. Der Wiedereinstieg ist für die Betroffenen oft nicht einfach, aber auch nicht für die Kollegen und für den Arbeitgeber.

Das Recht auf Arbeit verwirklichen, den beruflichen Einstieg oder Wiedereinstieg zu unterstützen – diese Ziele beschreibt Artikel

27 der UN-Behindertenrechtskonvention. Und das ist nicht nur ein Appell an das soziale Gewissen von Arbeitgebern. Es beschreibt ein Recht auf Zugang zu einem für alle Menschen offenen Arbeitsmarkt als einen wesentlichen Aspekt gesellschaftlicher Partizipation und zur Sicherung der Existenz. Die meisten Arbeitgeber sind zwar grundsätzlich bereit, ihre Mitarbeiter zu behalten – und das nicht nur aus sozialem Engagement, sondern als Teil einer effektiven Personalstrategie zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Sie fühlen sich aber unsicher, weil sie oft zum ersten Mal mit einer nicht einfachen Situation konfrontiert sind. Denn: War ein Mitarbeiter lange abwesend, ergeben sich Fragen: Bringt er wieder dieselbe Leistung wie früher? Ist er noch belastbar? Wie viel Stress hält er aus? Kann er sich wieder ins Team einfügen? Ist der Arbeitsplatz noch der richtige? Müssen sich die Gegebenheiten vor Ort ändern? Fragen, die sich nicht nur der Arbeitgeber stellt, sondern der Arbeitnehmer gleichermaßen. Oft ergeben sich die Antworten erst, wenn alle Beteiligten es ausprobieren.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Der Gesetzgeber hat auf die sich verändernden Rahmenbedingungen mit dem Instrument des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) reagiert, das die Bedürfnisse des Betriebes und die gesundheitliche Verfassung des Betroffenen in Einklang bringen soll, um den Wiedereinstieg zu ermöglichen und die Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig zu sichern. Es gilt abzuklären, was im Einzelfall innerbetrieblich nötig und möglich ist, damit der Wiedereinstieg gelingt, aber auch, welche Unterstützungsmöglichkeiten die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter bieten und welche Leistungen sie für Arbeitnehmer und Unternehmen zur Verfügung stellen können.

Demografischer Wandel

Demografischer Wandel ist in aller Munde und dabei geht es nicht nur um statistische Betrachtungen. Eine älter werdende Gesellschaft bedeutet auch älter werdende Belegschaften und Arbeitnehmer, die nach längerer Krankheit auch mit bleibenden gesundheitlichen Einschränkungen in das Unternehmen zurückkommen. Sind Betriebe darauf vorbereitet? Denn guter Wille allein reicht in der Regel nicht aus für den beruflichen Wiedereinstieg.

Die BAR unterstützt die Bemühungen zur Etablierung und Umsetzung von BEM in den Unternehmen durch die Erarbeitung eines Informationspools. Auf der Homepage der BAR können dann u.a. Handlungsleitfäden, Checklisten, Musterschreiben, ausgewählte Literatur oder Links zu BEM-Netzwerken in der Region für die betriebliche Praxis abgerufen werden.

Sich mit dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit auseinanderzusetzen wird für Arbeitgeber immer wichtiger: Probearbeitsverhältnisse, Qualifizierungsmaßnahmen, Zuschüsse zum Arbeitsentgelt, Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb, technische Hilfen am Arbeitsplatz – der Katalog möglicher Maßnahmen ist lang. Und oft nur schwer zu überblicken. Und dann stellt sich immer noch die Frage: Wer ist zuständig? Sich in die komplexe und komplizierte Materie hineinzufinden ist gerade für kleine und mittelständische Betriebe eine besondere Herausforderung. Eine frühzeitige, umfassende Beratung ist auch hier der Schlüssel zum Erfolg. Die Rehabilitationsträger sehen daher in der Beratung eine ihrer Kernaufgaben und halten verschiedene Beratungsdienste bereit, wie z. B. den Arbeitgeberservice der Bundesagentur oder den Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung,

Stufenweise Wiedereingliederung

Eine der am häufigsten genutzten Maßnahmen im Rahmen des BEM ist die stufenweise Wiedereingliederung. Mit der stufenweisen Wiedereingliederung sollen Mitarbeitende schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung am bisherigen Arbeitsplatz herangeführt werden. In dieser Zeit ist der Arbeitnehmer weiterhin arbeits- unfähig und erhält von den Sozialversicherungsträgern Krankengeld, Übergangsgeld oder Verletztengeld. Gerade nach langer Krankheitsphase ist eine behutsame Rückkehr in kleinen Schritten wichtig.

Der Wiedereinstieg in Stufen birgt auch Konfliktstoff. Oft ist es nicht selbstverständlich, dass Teamkollegen ohne Ressentiments akzeptieren, wenn einer von ihnen schon nach zwei Stunden wieder nach Hause geht, während sie in Arbeit ertrinken. Dann liegt es am Vorgesetzten, die Situation allen verständlich zu machen.

Es kann auch sein, dass Arbeitnehmer noch nicht am ursprünglichen Arbeitsplatz eingesetzt werden oder zunächst nur einen Teil der bisherigen Tätigkeiten verrichten können. Dann sind entsprechende Rahmenbedingungen im Wiedereingliederungsplan zu berücksichtigen.

Stufenweise Wiedereingliederung ist ein ausgesprochen nützliches Instrument, dessen Bedeutung steigen wird. Auch hier stecken die Probleme im Detail, stellen sich viele Fragen bei der konkreten Umsetzung für alle Beteiligten. Ob Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Mitarbeiter der Rehabilitationsträger oder Ärzte: eine Arbeitshilfe der BAR zum Thema „stufenweise Wiedereingliederung“ beschreibt das Verfahren und gibt wertvolle Tipps und Hinweise für die unter- schiedlichen Beteiligten in diesem Prozess.

Konkrete Praxisbeispiele machen die stufenweise Wiedereingliederung anschaulich. Die Arbeitshilfe wird zur Zeit überarbeitet und wird in Kürze in neuem Design zur Verfügung stehen.

Psychische Erkrankungen

Die Bedeutung psychischer Erkrankungen nimmt stetig zu und stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. Im betrieblichen Alltag gehen sie häufig einher mit Ängsten auf allen Seiten und Unsicherheit im Umgang miteinander. Im Gegensatz zu somatischen Erkrankungen sind Krankheitssymptome und –ausprägungen für Außenstehende oft nur schwer zu erkennen. Besonders wenn sich das Verhalten ändert, ohne dass man es sich erklären kann, sind Kollegen häufig überfordert. Die Sicherung oder Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit und Teilhabe kommt oftmals mit einfachen Lösungen nicht aus sondern erfordert komplexe Interventionsansätze.

Es geht um verzahnte und abgestimmte Leistungsprozesse von der ambulanten oder stationären Behandlung über medizinische und berufliche Rehabilitationsleistungen bis hin zur Arbeitsförderung und Alltagsbewältigung. Der berufliche Wiedereinstieg gelingt besser, wenn Leistungen zur Teilhabe passgenau auf individuelle Bedarfe und betriebliche Erfordernisse abgestellt sind und auch das betriebliche Umfeld berücksichtigt ist. Die steigende Anzahl von psychisch kranken Menschen bei Empfängern von Erwerbsminderungsrenten, in Werkstätten für behinderte Menschen oder die hohe Zahl (langzeit-) arbeitsloser Personen mit psychischer Erkrankung zeigen, dass dies noch nicht ausreichend gelingt.

Vernetzung der Akteure

Was hier, aber auch in anderen Kontexten häufig fehlt ist eine systematische Vernetzung der Akteure in der Rehabilitation. Der Erfolg von Netzwerken wird nicht bestritten – zahlreiche Netzwerke die es in der Praxis gibt gelten als Erfolgsmodelle. Der Mehrwert liegt auf der Hand: Bessere Erfüllung des gesetzlichen Versorgungsauftrags, Optimierung von Prozessen, bessere Steuerung komplexer Fälle oder Verbesserung des Arbeitsplatzbezugs der erbrachten Leistungen und damit bessere Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg – die Liste möglicher Kriterien zur Beschreibung des Mehrwerts von akteursübergreifender Vernetzung ließe sich lange fortsetzen.

Klar ist aber auch: Netzwerkarbeit benötigt Ressourcen und Ressourcen kosten Geld. Werden die Vorteile akteursübergreifender Vernetzung erkannt und strategisch nutzbar gemacht, zahlt sich das für alle beteiligten Akteure und den Menschen mit Behinderung aus und verstärkt die Bereitschaft, in Netzwerkarbeit zu investieren.

Dies wurde mehr als deutlich beim BAR- Fachgespräch mit dem Titel „Unternehmen und Sozialversicherung im Dialog – Auf dem Weg zur Vernetzung“ am 03. Februar 2015 in Langen. Rund 100 Teilnehmende und Mitwirkende folgten der Einladung der BAR zum Dialog mit dem Ziel, die Chancen für den Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit und für beruflichen Wiedereinstieg zu verbessern.

Acht Akteure, die allein auf der Trägerseite „unterwegs sind“, die betrieblichen Akteure und zahlreiche Leistungserbringer – da blicken manche Unternehmen im Dickicht der Möglichkeiten nicht mehr durch. Ein Handwerksmeister brachte es auf den Punkt:

„Als kleiner Betrieb würde ich mir wünschen, dass wir von den Rehaträgern mehr als Kunden wahrgenommen werden und in regelmäßigen Veranstaltungen informiert werden“. Es braucht den Austausch derjenigen, die Teil des Netzwerks sind, um einen Weg durch das Labyrinth von Zuständigkeiten, Leistungen und Verfahren zu finden. Es braucht das Wissen darum, was die jeweils anderen Akteure sich wünschen und benötigen – kurzum den Dialog.

Weitere Stimmen der Beteiligten als Vorgeschmack auf den in Kürze erscheinenden ausführlichen Tagungsbericht lesen Sie auf der nächsten Seite.