Reha-Statistiken zu psychischen Störungen spiegeln Trends wider

Psychische Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung

Jedes Jahr sind 28 % der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. Die häufigsten Erkrankungen sind Angststörungen (15 %), affektive Störungen (10 %) und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentenkonsum (6 %). (DGPPN, 2019; Jacobi et al., 2014 und 2016). Von den 28 % der Bevölkerung mit mindestens einer psychischen Erkrankung pro Jahr sind Schätzungen  zufolge bis zu 2 % schwer psychisch krank und bei 0,7 % wurde eine Schwerbehinderung bei psychischer Erkrankung anerkannt (Gühne et al., 2015).

Blick in die Arbeitswelt

Im Jahr 2017 wurden 16 % der Arbeitsunfähigkeitstage durch eine psychische Erkrankung verursacht (Durchschnittsdauer 35 Tage). Sie sind heute mit 43 % auch der häufigste Grund für Frühverrentungen. 50 % der Menschen mit chronischen psychischen Störungen im erwerbsfähigen Alter gehen keiner Erwerbstätigkeit nach (baua, 2019; BMAS, 2019; BPtK, 2019; DRV Bund, 2019 a).

Psychosomatisch-psychotherapeutische Rehabilitation

Psychische Beeinträchtigungen nehmen auch als Grund für eine medizinische Rehabilitation zu: Leistungen steigen seit mehreren Jahren an. Eine Gegenüberstellung der Zahlen von 2008  und 2018 bei der Rentenversicherung zeigt, dass psychische Erkrankungen derzeit auf Platz 2 der rehabegründenden Diagnosen stehen (Abb.1). Ihr Anteil stieg von 13 % im Jahre 2008 auf nunmehr 19 % im Jahre 2018 (DRV Bund, 2010 und 2019 b).

Leistungen in RPK-Einrichtungen

Die Rehabilitation für psychisch kranke Menschen (RPK) stellt eine besondere Reha-Form bei schweren psychischen Erkrankungen dar, die soziale, medizinische und berufliche Rehabilitation vereint. Es existieren rund 60 RPK-Einrichtungen. BAG RPK berichtet von insgesamt 1.544 RPK-Maßnahmen für das Jahr 2016 (keine aktuelleren Daten). Das Diagnosespektrum in den RPK-Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren von vornehmlich schizophren erkrankten Menschen auf weitere Diagnosen, wie z. B. Persönlichkeitsstörungen, ausgeweitet (BAG RPK, 2017).

Seelische Behinderungen in der Kinder und Jugendhilfe

Auch in der Kinder- und Jugendhilfe ist eine Steigerung zu beobachten: Erhielten 2008 noch 37.220 seelisch behinderte Kinder und Jugendliche Leistungen nach § 35a SGB VIII, waren es 2016 bereits 82.265. Dies ist ein starker Zuwachs von circa 121 % (Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik, 2019).

Seelische Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Bereich der Eingliederungshilfe werden zum Großteil in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) erbracht. Der Anteil von Leistungsberechtigten mit seelischer Behinderung ist hier von 17,1 % in 2010 auf 19,7 % in 2017 angestiegen. Bei den Wohnformen beträgt ihr Anteil im Verhältnis zu Menschen mit  körperlichen oder geistigen Behinderungen wiederum 70,6 % im ambulanten und 28,5 % im stationären Sektor. Hier liegt seit 2008 ein relativ konstantes Bild vor (BAGüS, 2017).

 

Literaturangaben

Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik (2019)

Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik. (2019). Kinder- und Jugendhilfereport 2018: Eine kennzahlenbasierte Analyse. Leverkusen-Opladen: Verlag Barbara Budrich.

baua (2019)

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. (2019). Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2017. Dortmund. >>hier
 

BAG RPK (2017)

Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation psychisch kranker Menschen e.V. (2017). Qualitätsbericht für das Jahr 2016.
>> hier

BAGüS (2019)

Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe. (2019).
Kennzahlenvergleich Eingliederungshilfe der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2017. Münster.
>> hier

BMAS (2019)

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2019.
Psychische Gesundheit Im Betrieb - Arbeitsmedizinische Empfehlung. Bonn.

BPtK (2019)

Bundespsychotherapeutenkammer. (2019). BPtK-Auswertung 2018 "Langfristige Entwicklung Arbeitsunfähigkeit".
>> hier

Gühne et al. (2015).

Gühne, U., Becker, T., Salize, H., & Riedel-Heller, S. (2015).
Wie viele Menschen in Deutschland sind schwer psychisch krank?. Psychiatrische Praxis, 42(08), 415-423. doi:10.1055/s-0035-1552715

DGPPN (2019)

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (2020). Zahlen und Fakten der Psychiatrie und Psychotherapie. Berlin: 2019.
>> hier

DRV Bund (2010)

Deutsche Rentenversicherung Bund. (2010).
Reha-Bericht 2010. Berlin.

DRV Bund (2019 a)

Deutsche Rentenversicherung Bund. (2019). Rente 2018 (S. 35-46). Berlin.>>hier
 

DRV Bund (2019 b)

Deutsche Rentenversicherung Bund. (2019).
Reha-Atlas 2019. Berlin.

Jacobi et al. (2014)

Jacobi, F., Höfler, M., Strehle, J., Mack, S., Gerschler, A., & Scholl, L. u. a. (2014). Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Der Nervenarzt, 85(1), 77-87. doi:10.1007/s00115-013-3961-y

Jacobi et al. (2015)

Jacobi, F., Höfler, M., Strehle, J., Mack, S., Gerschler, A., & Scholl, L. u. a. (2015).
Erratum zu: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Der Nervenarzt, 87(1), 88-90. doi:10.1007/s00115-015-4458-7