Blick ins Reha-Leistungsgeschehen:

Erster Teilhabeverfahrensbericht am 30.12.2019 veröffentlicht

Im Zuge des BTHG wurde mit dem Teilhabeverfahrensbericht eine gesetzliche Grundlage zur Erhebung statistischer Daten bei allen knapp 1.200 Reha-Trägern gelegt. Die BAR ist vom  Gesetzgeber beauftragt, auf Basis der an sie übermittelten Daten jährlich einen Teilhabeverfahrensbericht vorzulegen. Der erste Teilhabeverfahrensbericht ist am 30.12.2019 erschienen und gibt bereits Einblicke in das Reha-Leistungsgeschehen und die Zusammenarbeit der Reha-Träger.

Hintergrund

Das moderne Teilhaberecht orientiert sich nicht länger an den Binnenlogiken einer institutionenbasierten Leistungserbringung zur Teilhabe – es orientiert sich an den individuellen Bedarfen und stellt den Mensch in den Mittelpunkt. Die Hinwendung zur ganzheitlich personenzentrierten Betrachtung hat direkte Auswirkungen auf das gegliederte Sozialleistungssystem und die Anforderungen an die koordinierte Leistungserbringung durch Verwaltungsprozesse über die Grenzen eines einzelnen Trägerbereichs hinweg. Mit dem Teilhabeverfahrensbericht nach § 41 SGB IX hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, welches sowohl den gegenwärtigen Stand als auch Veränderungen der Verwaltungsprozesse darstellt und die Leistungsfähigkeit des Reha-Systems aufzeigt. Die BAR ist ihrem gesetzlichen Auftrag fristgerecht nachgekommen und hat am 30.12.2019 den ersten Teilhabeverfahrensbericht vorgelegt.

Zielsetzung

Der Teilhabeverfahrensbericht erhöht die Transparenz im Reha-Leistungsgeschehen, insbesondere bei der Umsetzung der Verfahrensvorschriften und der Zusammenarbeit der Träger, und eröffnet Möglichkeiten der Evaluation und Steuerung. Außerdem sollen Divergenzen im Rehabilitationsrecht künftig besser zu erkennen sein. Mit dem Teilhabeverfahrensbericht werden insbesondere Angaben zur Anzahl der Anträge, zu Weiterleitungen, Verfahrensdauern, Ablehnungen sowie Rechtsbehelfen nach einheitlichen Standards erhoben und veröffentlicht. Grundlage bilden Daten zu den Verwaltungsprozessen der Reha-Träger aus den verschiedenen Trägerbereichen.
Dazu zählen (nach § 6 SGB IX)1:

  1.   die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mit 109 Trägern,
  2.   die Bundesagentur für Arbeit (BA), die aufgrund ihrer Organisationsstruktur als solitäre Reha-Trägerin agiert,
  3.   die gesetzliche Unfallversicherung (UV) mit 33 Trägern,
  4.   die gesetzliche Rentenversicherung (RV) mit 16 Trägern,
  5.   die Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge (SER) mit ca.186 Trägern,
  6.   die öffentliche Jugendhilfe (JH) mit ca. 543 Trägern und
  7.   die Eingliederungshilfe (EGH) mit ca. 304 Trägern.

Der Teilhabeverfahrensbericht bildet also die Daten von insgesamt knapp 1.200 Reha-Trägern ab.

Methodik und Datenbasis

Alle diese Reha-Träger sind verpflichtet, jährlich Angaben zu 16 Sachverhalten zu erfassen. Tab. 1 zeigt eine Übersicht dieser Sachverhalte.
Als Grundlage hat die BAR in Abstimmung mit den Trägern eine einheitliche Erfassung der zugrunde gelegten Sachverhalte vereinbart. Diese einheitlichen Definitionen ermöglichen Transparenz und Vergleichbarkeit der Daten. Die von den Reha-Trägern erfassten Daten werden an die BAR weitergeleitet und dort unter Beteiligung der Träger ausgewertet. Neben den aufgezeigten 16 Sachverhalten ist in § 45 SGB IX festgehalten, dass auch Daten der Reha-Träger über Art und Höhe der Förderung der Selbsthilfe in den  Teilhabeverfahrensbericht einfließen. Sowohl die Datenübermittlung als auch die Datenauswertung erfolgen pseudonymisiert. Bei der Datendarstellung im Bericht werden die Träger daher nicht namentlich genannt, sondern ihre Daten anhand eines Pseudonyms gezeigt. Dieses lässt lediglich Rückschlüsse auf den Trägerbereich zu.

Zentrale Erkenntnisse aus dem ersten Teilhabeverfahrensbericht

Der Aufbau zur vollumfänglichen Berichtspflicht aller Träger ist prozesshaft gestaltet – auch vor dem Hintergrund der mit der BTHG-Umsetzung insgesamt verbundenen Herausforderungen für die Träger. Deshalb wurde das Berichtsjahr 2018 als Übergangsphase angesehen. Es bestand für die Trägerbereiche die Möglichkeit, die Datenerfassungen mit einer geringen Anzahl an ausgewählten Pilotträgern vorzunehmen. Die BA und die RV haben zu allen ihren jeweiligen Trägern Daten übermittelt. Die Ergebnisse des ersten Teilhabeverfahrensberichts sind für sie daher repräsentativ. Aus den Trägerbereichen EGH, GKV, JH, SER (KOF/KOV) und UV wurden der BAR Pilotträger benannt, welche stellvertretend für ihren Bereich Auswertungsgrundlagen zur Verfügung gestellt haben. Auf dieser Grundlage können keine repräsentativen Schlüsse über den jeweiligen gesamten Trägerbereich gezogen werden.

Tab. 1 Übersicht der 16 zu erfassenden Sachverhalte
SachverhaltGesetzestext nach § 41 Abs. 1 Nr. 1-16 SGB IX
1die Anzahl der gestellten Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe differenziert nach Leistungsgruppen im Sinne von § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5
2die Zahl der Weiterleitungen nach § 14 Absatz 1 Satz 2
3in wie vielen Fällen
a) die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 1 Satz 1,
b) die Dreiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 2 sowie
c) die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 3
nicht eingehalten wurde
4die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Erteilung des Gutachtenauftrages in Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 3 und der Vorlage des Gutachtens
5die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Antragseingang beim leistenden Rehabilitationsträger und der Entscheidung nach den Merkmalen der Erledigung und der Bewilligung
6die Anzahl der Ablehnungen von Anträgen sowie der nicht vollständigen Bewilligung der beantragten Leistungen
7die durchschnittliche Zeitdauer zwischen dem Datum des Bewilligungsbescheides und dem Beginn der Leistungen mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19, wobei in den Fällen, in denen die Leistung von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erbracht wurde, das Merkmal „mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19“ nicht zu erfassen ist
8die Anzahl der trägerübergreifenden Teilhabeplanungen und Teilhabeplankonferenzen
9die Anzahl der nachträglichen Änderungen und Fortschreibungen der Teilhabepläne einschließlich der durchschnittlichen Geltungsdauer des Teilhabeplanes
10die Anzahl der Erstattungsverfahren nach § 16 Absatz 2 Satz 2
11die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des Persönlichen Budgets
12die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets
13die Anzahl der Mitteilungen nach § 18 Absatz 1
14die Anzahl der Anträge auf Erstattung nach § 18 nach den Merkmalen „Bewilligung“ oder „Ablehnung“
15die Anzahl der Rechtsbehelfe sowie der erfolgreichen Rechtsbehelfe aus Sicht der Leistungsberechtigten jeweils nach den Merkmalen „Widerspruch“ und „Klage“
16die Anzahl der Leistungsberechtigten, die sechs Monate nach dem Ende der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, soweit die Maßnahme von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 7 erbracht wurde

 

Ergebnisse

Der erste Teilhabeverfahrensbericht enthält die Daten von 39 Trägern mit Angaben zu 2,3 Millionen Anträgen aus dem Jahr 2018. Trotz der Übergangsphase gibt bereits der erste Teilhabeverfahrensbericht Antworten auf ausgewählte Fragestellungen hinter den 16 Sachverhalten des § 41 SGB IX. Dazu zählen beispielsweise Antworten auf die Fragen: Wie viele Anträge werden insgesamt gestellt und wie verteilen sich die Anträge auf die Leistungsgruppen der Rehabilitation und Teilhabe?; Wie häufig werden Entscheidungsfristen über den Antrag nicht eingehalten?
Aufgrund des geringen Umfangs der zur Verfügung gestellten Daten können im ersten Teilhabeverfahrensbericht trägerübergreifende Übersichten zu bestimmten Sachverhalten noch nicht dargestellt werden. Dies betrifft beispielsweise die Frage nach der Anzahl trägerübergreifender Teilhabeplanungen und Teilhabeplankonferenzen sowie deren Anpassungen und durchschnittliche Geltungsdauer. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Instrumente Teilhabeplanung und Teilhabeplankonferenz durch das BTHG konkretisiert wurden und nun für alle Träger verbindlich gelten. Diese Neuerungen müssen die Träger zunächst ausgestalten und umsetzen. Ein Abbild ihrer Anwendung im Leistungsgeschehen der Reha-Träger wird sich ab dem nächsten Teilhabeverfahrensbericht zeigen.

Ausblick auf den zweiten Teilhabeverfahrensbericht

Der Teilhabeverfahrensbericht ist ein jährlich erscheinender Bericht zur Rehabilitation und Teilhabe. Vergleichbar mit der stufenweisen Umsetzung des BTHG ist auch der Teilhabeverfahrensbericht prozesshaft angelegt. Im zweiten Teilhabeverfahrensbericht wird der Blick ins Reha-Leistungsgeschehen umfassend erweitert: Während der erste Bericht die Daten von 39 Trägern umfasst und damit einen Ausschnitt des Gesamtgeschehens abbildet, besteht für die Reha-Träger im Erhebungsjahr 2019 die vollumfängliche  Berichtspflicht. Erstmalig erstreckt sich die Berichtspflicht zur Meldung aller einschlägigen Sachverhalte des § 41 SGB IX auf alle der knapp 1.200 Reha-Träger. Der zweite Teilhabeverfahrensbericht wird im Jahr 2020 veröffentlicht und bildet die Daten des Jahres 2019 ab. Perspektivisch wird der Teilhabeverfahrensbericht zur Stärkung des immer wichtiger werdenden Bereichs der Rehabilitation beitragen und die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen fördern.

1 Die Trägeranzahl bezieht sich auf die Anzahl der bei der BAR für eine Datenmeldung registrierten Träger mit Stand vom 18.12.2019.

Der erste Teilhabeverfahrensbericht steht ab sofort auf der Internetseite www.bar-frankfurt.de zum Download zur Verfügung. Eine barrierefreie Fassung folgt demnächst.