Reha und (digitale ) Technik

Es klingt nach Science Fiction und sogar ein wenig nach Wunderheilung: Die "Rekonstruktion von Fuß oder Knie aus dem Laserdrucker" oder : "Querschnittsgelähmte gehen, Blinde sehen und Amputierte greifen" - dank digitaler Hilfsmittel. Moderne Technik ermöglicht inzwischen schon Einiges: Exoskelette dem Querschnittsgelähmten das Gehen, Retina-Implantate dem Blinden das Sehen, Cochlea-Implantate dem Gehörlosen das Hören. Die Technik macht mobil und sie macht nicht halt. Die Bandbreite ist groß. Menschen und Dinge vernetzen sich miteinander: Künstliche Glliedmaßen, Organe und Implantate, künstliche Intelligenz und intelligente Prothesen, und die genomische Medizin verspricht schon neue biologische Gliedmaßen.
Tatsächlich sind das Gesundheitswesen im Allgemeinen und die Rehabilitation im Besonderen auf dem Weg in die Digitalisierung und die zunehmende Technisierung. Da verwundert es auch nicht, wenn der "intelligente Rollator" den verirrten Patienten sicher nach Hause bringt. Der Einsatz von Technik, mit der Beeinträchtigungen kompensiert werden können, kann für Menschen mit Behinderung die Teilhabechancen erheblich verbessern. Mit dem Begriff Hilfsmittel bezeichnet man im internationalen Kontext Produkte und Technologien, die Menschen mit Behinderung einsetzen, um Körperfunktionen zu unterstüzen oder zu ersetzen. Hilfsmittel sind auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtet und werden in allen Lebensbereichen verwendet. Dabei sprechen wir nicht nur von "klassischen" Hilfsmitteln wie Rollstuhl, Hörgerät oder Sehhilfe. IT-gestützte Kommunikationsstrukturen werden die Reha der Zukunft prägen.
Zwei maßgebende Trends, denen sich die Gesundheitspolitikin den kommenden Jahren stellen muss, sind der demografische Wandel und die Digitalisierung. Die Alterung der Gesellschaft erfordert neue Technologien in der Medizin und bietet neue Chancen für eine bessere und effizientere Versorgung. Ziel ist der Erhalt der Selbständigkeit älterer Menschen. Gleichzeitig sollen Arbeitnehmerinnen und  Arbeitnehmer immer länger arbeiten und sogar die Voraussetzungen für eine Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver gestaltet werden. Stichwort: Flexi-Rente. Allerdings erreichen bereits jetzt viele Menschen gar nicht das reguläre Renteneintrittsalter, weil sie gesundheitlich zu angeschlagen sind. Deshalb soll das Gesetz zur Flexi-Rente Prävention und Rehabilitation stärken, beispielsweise durch Instrumente wie berufsbezogene Check-ups, damit Reha-Bedarf frühzeitig erkannt werden kann. All dies führt aber auch zu immer weiter steigendem Kostendruck im Gesundheitssystem. Daher ist eine Steigerung der Effizienz des Systems notwendig, indem Strukturen und regulatorische Vorgaben so angepasst werden, dass eine effizientere Leistungserbringung möglich wird. Das bedeutet vor allem Ambulantisierung, integrierte Versorgung, verbesserte  Patientensteuerung, Case Management und Digitalisierung. Dies erfordert eine stärkere Verbundbildung bis hin zur  Netzwerkmedizin und -rehabilitation. Medizin und IT wachsen dabei immer stärker zusammen. Zentrale Stichworte sind EHealth, Telemedizin und Telemonitoring.

Reha als Motor der Gesundheitstechnologie

Die Alterung der Gesellschaft, die steigende Anzahl an pflegebedürftigen Menschen bei gleichzeitig weniger Pflegenden, aber auch die Menschen, die möglichst lange möglichst unabhängig bleiben und in ihrer vertrauten Umgebung wohnen wollen, das sind nur einige Faktoren und Beispiele, die die Notwendigkeit von technischer Weiterentwicklung deutlich machen. Hinter dem Begriff Rehatechnik verbirgt sich mittlerweile eine ganze Industrie. Vor allem die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), haben dazu geführt, dass die Politik zunehmend Rahmenbedingungen schafft, die das Ziel haben, Entwicklung und Verbreitung dieser Technologien zu beschleunigen. So gesehen ist Rehabilitation auch ein Motor zur Entwicklung der unverzichtbaren „Gesundheitstechnologie“.

Technik für alle

Moderne Technologien prägen zunehmend unseren Alltag. Es ist für uns selbstverständlich, Smartphones, Tablet-PCs oder Navigationsgeräte zu nutzen, um mobil erreichbar zu sein und um mit anderen zu kommunizieren.

Allerdings können bislang nur wenige Menschen mit kognitiven oder motorischen Einschränkungen oder schwerstmehrfach behinderte Menschen diese Technologien nutzen und von den enormen Fortschritten auf diesem Gebiet profitieren. Die Schere zwischen den Anwendern moderner Informations- und  Kommunikationsgeräte und denen, die davon ausgeschlossen sind, öffnet sich immer weiter. Dabei könnten Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden, um Barrieren zu  beseitigen und eine selbständigere Lebensführung zu ermöglichen. Eine entsprechende Anpassung und Weiterentwicklung dieser Technologien erleichtern es den Anwendern, sich Informationen zu  beschaffen, soziale Kontakte zu pflegen und alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Es ist daher dringend notwendig, dass bei technischen Weiterentwicklungen die Aspekte Selbstbestimmung und Teilhabe  stärker mit in den Blick genommen werden und dass künftig AAL-Systeme (Ambient Assisted Living, auf Deutsch: Altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben, umgebungsunterstütztes Leben, selbstbestimmtes Leben) sich gerade auch an Menschen mit Behinderung oder anderen Einschränkungen orientieren. Es geht um ein Mehr an Teilhabe, Lebensqualität und Selbstbestimmung! Grundlegend ist also, die Potenziale der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien so  zu optimieren, dass sie zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung  führen können. Auf der Grundlage der ICF-Klassifizierung könnten zunächst relevante   Funktionseinschränkungen eingegrenzt werden, die in einer normalen Umgebung zu   Teilhabeeinschränkungen führen. Daran müsste sich die Identifikation nützlicher Technologien, die in der Praxis zum Einsatz kommen, orientieren. Ein zentraler Punkt bei Auswahl und Einsatz  technischer Assistenzsysteme ist der Abbau von Barrieren, ob sozialer, sprachlicher, visueller oder  mobilitätseinschränkender Art. Der Fokus könnte sich dabei zunächst auf ausgewählte Technologien in den Kernbereichen Kommunikation, Wohnen und Mobilität konzentrieren. Bei der Implementierung  relevanter technologischer Assistenzsysteme darf es aber nicht darum gehen, menschliche Nähe und Assistenz gänzlich zu ersetzen oder die Technik als Aufsicht zu verwenden. Vielmehr sollte der  geeignete Einsatz von Unterstützungstechnologien die Selbstbestimmung und die Unabhängigkeit der Nutzerinnen und Nutzer fördern sowie die Öffnung in den Sozialraum erleichtern. Reha und Technik, das  ist aber nur dann sinnvoll, wenn auch ethische, datenschutzrechtliche, sozialrechtliche und  finanzielle Fragestellungen sowie die Abschätzung der Auswirkungen von Technik konstant mitgedacht  werden. Nur so kann aus Science Fiction Realität werden.
Apropos Science Fiction: Aus dem Hause Google X, der Innovationsschmiede von Google, gibt es  ebenfalls brandneue Entwicklungen: Das Forschungslabor arbeitet an der synthetischen Herstellung menschlicher Haut. Damit will Google ein Armband entwickeln, das Krankheiten frühzeitig erkennt. Das Wearable (tragbarer Computer) soll mithilfe der Kunsthaut Krebs und drohende Herzinfarkte frühzeitig  erkennen und Alarm schlagen. Um das Armband und die Technologie dahinter in möglichst realistischer  Umgebung testen zu können, sind künstliche Arme mit einer Kombination aus synthetischer  Menschenhaut und Spenderhaut echter Menschen überzogen. Und Spiegel online titelte erst kürzlich: „Chip im Hirn: Gelähmter steuert erstmals Arm mit Gedanken.“ Was heute noch mehr nach „Fiction“ als  nach „Science“ klingt, wird in einigen Jahren wohl selbstverständlich sein.

Begriffe

Ambient/Active Assisted Living (AAL)
Ambient Assisted Living umfasst sowohl eine technische Basisinfrastruktur im häuslichen Umfeld (Sensoren, Aktoren, Kommunikationseinrichtungen) als auch Dienstleistungen durch Dritte mit dem Ziel des selbstständigen Lebens zuhause durch Assistenz in den Domänen Kommunikation, Mobilität,  Selbstversorgung, häusliches Leben. Die Assistenzfunktionen sollten möglichst unaufdringlich,  bedarfsgerecht, nicht stigmatisierend und weitestgehend ohne technische Vorkenntnisse nutzbar sein. (Quelle: Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE)


Telecare
Der Begriff bezeichnet Produkte und Dienstleistungen, die durch Kombination von Sensorik und anderem Equipment Menschen dabei unterstützen autonom zu leben. Dies geschieht vor allem  dadurch, dass Aktivitäten über einen Zeitverlauf überwacht werden und, bei Abweichungen, Hilfe angefordert wird. In dieses internet-basierte Betreuungsgeflecht sollen sowohl Angehörige und Freunde als auch Pflegestationen, medizinische Betreuung und Notfallhilfen integriert werden.
Telehealth
Unter Telehealth versteht man Produkte und Dienstleistungen, die Vitaldaten (Gewicht, Blutdruck)
erfassen und diese kommunizieren können. Hierzu zählen z.B. Smart Watches.


Telemedizin
Telemedizin bezeichnet die Nutzung von Telekommunikation und Informatik für medizinische Anwendungen und wird als Teilbereich der Telematik im Gesundheitswesen angesehen. Telemedizin beschränkt sich dabei nicht nur auf Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten durch  Ärzte, sondern dient auch zur Kommunikation zwischen Dienstleistern (bspw. Telekonsultation  zwischen Ärzten und pflegerischem Personal).


Exoskelett
Ein Exoskelett ist eine äußere Stützstruktur für einen Organismus. Künstliche Exoskelette kommen als  Orthesen seit langem in der Medizin zum Einsatz. Seit einiger Zeit wird auch an Exoskeletten gearbeitet, bei denen es sich um am Körper tragbare Roboter oder Maschinen handelt, die die Bewegungen des Trägers unterstützen beziehungsweise verstärken, indem zum Beispiel Gelenke des  Exoskeletts durch Servomotoren angetrieben werden. (Quelle: Wikipedia)