Der Reha-Prozess - Die Bedeutung der Bedarfserkennung

Bedarfserkennung hat eine Schlüsselstellung im Reha-Prozess
Wenn wir nicht wissen, von wo die Menschen starten: Wie können wir ambitionierte und erreichbare Ziele setzen? Wenn wir die zurückgelegte Distanz nicht messen: Wie können wir den Fortschritt beurteilen, ein gutes Feedback geben und die Wirkung belegen? Wenn wir die Ergebnisse nicht messen: Wie können wir besser werden? Im Reha-Prozess geht es um die Verbesserung der funktionalen Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit Blick auf konkrete Teilhabeziele. Bedarfserkennung beschreibt bzw. begründet den „Ort“ der Leistungen im System der Sozialgesetzgebung und die individuelle Leistungsplanung. Vor dem Hintergrund der Bedarfsfeststellung sind die Leistungen auf ihr Ergebnis, auf Wirksamkeit und Effizienz überprüfbar. Das geplante  Bundesteilhabegesetz will eine individuums- und kontextzentrierte Sichtweise. Der Konsens (Leistungsberechtigte, Leistungsträger, Leistungserbringer) über den Bedarf ist Ausgangspunkt und Basis der Rehabilitation. Eine trägerübergreifende Bedarfsfeststellung ist bereits heute gesetzlich im SGB IX angelegt. Unter einem Bedarfsfeststellungsverfahren wird ein Bündel einzelner Verfahrensschritte verstanden. Sie soll  teilhabebezogen, umfassend, individuell und multidisziplinär auf der Grundlage der ICF erfolgen. Die Bedeutung einer frühzeitigen Bedarfserkennung In der Regel soll der Reha-Prozess so früh wie möglich beginnen. Sind die Bedarfe ganz oder teilweise nicht bekannt, steigt das Risiko, einen falschen Weg zu nehmen, ein falsches Tempo zu wählen, Ziele schlecht, d. h. für den Teilnehmer nicht passgenau zu ordnen usw. Ein frühzeitiger Ansatz kann darüber hinaus
■ Chronifizierung und Eskalation von Problemen verhindern
■ Kosten für nicht sinnvolle Integrationsversuche sparen
■ Belastungen der Person durch nicht sinnvolle Integrationsversuche vermeiden
■ Zeit, Kosten und Belastungen für Wartezeiten auf Leistungen sparen.
„Frühzeitig“ heißt auch „kontinuierlich“ – also während des Prozesses und nicht erst am Ende.

Was ist hilfreich für die Bedarfserkennung?
Es braucht beispielsweise ein gutes Instrumentarium, Testverfahren, systematische Beobachtung, Interviews, Selbstbeschreibungen. Der Reha-Prozess gelingt umso besser, je mehr die Person ihn zu ihrem eigenen machen kann. Das beginnt bei der Bedarfsfeststellung. Erforderlich ist eine gute barrierefreie kommunikative Basis. Eine stärken- und teilhabeorientierte Diagnostik fördert Einbeziehung und Mitwirkung. Dem dient auch die Nutzung der ICF: Welche Bedeutung hat die funktionelle oder strukturelle Einschränkung für den Menschen, für seine Aktivitäten und Teilhabemöglichkeiten? Welche Ressourcen und Hindernisse erwachsen aus den Lebensbedingungen, der eigenen Geschichte und der persönlichen Einstellung, auch und besonders der Einstellung zur Beeinträchtigung bzw. Teilhabeeinschränkung? Ganzheitliches Vorgehen erfordert die Einbeziehung der Person als Experten, einen multidisziplinären Ansatz, die Berücksichtigung externer Befunde sowie eine integrierte Gesamtbeurteilung durch ein kundiges Case bzw. Reha-Management. Eine guter Prozess ist genau, objektiv, systematisch, konsistent und theoriebasiert; er berücksichtigt alle relevanten Faktoren. Prozessqualität wird messbar, wenn Kennziffern erfasst werden. Ein allgemeinverständliches Begriffssystem zwischen Leistungsberechtigten und den multiprofessionellen Teams – in denen Mediziner, Pädagogen, Psychologen etc. eine gemeinsame Sprache sprechen – fördert die Klarheit über die eigene Situation. Weitere Merkmale einer guten Bedarfserhebung sind Transparenz,  Nachvollziehbarkeit, eine konkrete Beschreibung sowie die integrale Erarbeitung von Nah- und Fernzielen. Auf Teilhabe ist bei Auswahl, Gestaltung und Durchführung der Leistungen zu fokussieren. Dem dienen individuelle Zielvereinbarungen, die das Wunsch- und Wahlrecht berücksichtigen. Denn die fundamentale Frage ist: Wie halten wir die Person im Mittelpunkt des Prozesses?